757/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 18.09.2009
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Nein zum "Cable-Liner"-Unfug am Wiener Hauptbahnhof

 

 

Im März 2009 genehmigte Verkehrsministerin Bures den neuen ÖBB-Infrastruktur-Rahmenplan 2009-2014. Dieser schraubte das Projekt Wien Hauptbahnhof nicht nur finanziell um weitere 47,7 Mio auf nun schon bald 1 Mrd Euro hoch. Zudem bezog der Plan auch erstmals den seit 2005 im Gespräch stehenden Cable Liner/Automated People Mover –eine seilgezogene Kabinenbahn – offiziell ein, der von den zwei in diesem Markt tätigen Herstellern, ihren Zulieferern und Finanziers seit geraumer Zeit massiv gepusht wird. Weiteren Informationen zufolge handelt es sich beim Cable Liner um ein Projekt mit etwa 30-40 Mio Kosten und einem laufenden jährlichen Betriebsabgang von an die 2 Mio Euro. Es geht dabei primär um die Erschließung wichtiger Immobilien privater Investoren im Gebiet um den Bahnhof, definitiv jedoch noch nicht um eine Verbindung zur am Bahnhof vorbei geplanten Verlängerung der U-Bahn-Linie U2. Dies wäre eine „zweite Ausbaustufe“ mit geschätzten Kosten von weiteren 40 Mio Euro, zusammen 70-80 Mio. Ein Hersteller sprach im Mai 2008 im „Kurier“ sogar selbst von bis zu 100 Mio Euro.

 

Am 17. Juni 2009 wurde von Verkehrsministerin Bures mit mehreren hochrangigen Wiener ParteifreundInnen weiters rechtzeitig für den anlaufenden Wahlkampf für die Wiener Gemeinderatswahl im Jahr 2010 ein Paket von Einigungen, Vertragsunterzeichnungen etc für Projekte des Öffentlichen Verkehrs in Wien präsentiert. Darunter auch ein Vertrag über eine gemeinsam finanzierte (weitere) Machbarkeitsstudie über 700.000 Euro, über deren EU-rechtkonforme Ausschreibung bisher im übrigen nichts bekannt wurde. Der Cable Liner „nimmt damit erste Realität an“, meinte die Wiener Rathauskorrespondenz. Politisch gewichtige Akteure wie der  Bürgermeister und die Vizebürgermeisterin und Finanzstadträtin zeigten sich - vor Durchführung der Machbarkeitsstudie - überzeugt vom Cable-Liner. Bgm. Häupl hielt schon Anfang Juni fest: „Der Cable-Liner wird kommen.“

 

Eine Fact-Finding-Mission für einen ansehnlichen Kreis entscheidungsrelevanter Personen zu einem umgesetzten Projekt in Übersee hatte einer der Anbieter bereits im Vorfeld organisiert. Der andere Anbieter tritt als großer Immobilieninvestor am Hauptbahnhof-Areal auf; ÖBB-interne Unterlagen, die dieses Immobilieninvestment in einen unmittelbaren, auch finanziellen Zusammenhang mit dem Cable-Liner-Projekt bringen, sind bereits 2007 öffentlich bekannt geworden.

 

Im Juli, August und September 2009 haben sich nun jedoch Medienberichte und Fach-Informationen über große Probleme beim Projekt Hauptbahnhof gehäuft:

* Die bereits bisher proporzgerecht besetzte Projektleitung der ÖBB wurde um einen dritten Projektleiter aus dem Kreis der für das Bauprojekt Hauptbahnhof anbietenden Baukonzerne erweitert – eine Ausschreibung fand ebenso wenig statt wie die offensichtliche Unvereinbarkeit thematisiert wurde.


* Die Ausschreibung für den Bau des Bahnhofs – Volumen: über 200 Mio Euro - ergab einheitlich dimensionierte, weit über dem Budgetrahmen liegende Anbote aus dem üblichen Kreis der heimischen Bauindustrie - ebenfalls ein von diversen Großprojekten bekanntes Muster. Die Ausschreibung wurde deshalb aufgehoben, eine rechtliche Konfrontation (oder eine Einigung auf Kosten der SteuerzahlerInnen?) absehbar.

* Die tatsächlichen Kosten sollen bereits jetzt – also vor Baubeginn - um 60 bis 80 Mio Euro über den offiziellen, budgetierten Kosten laut Rahmenplan etc. liegen.

* Da insbesondere die Stadt Wien und ihre politische Spitze bereits schwer an den riesigen Kostenüberschreitungen beim Skylink-Projekt am Flughafen zu kauen hat, ist ein weiteres Großprojekt mit Kostenexplosion undenkbar, umso mehr vor dem Wiener Wahlkampf. Somit muss das Hauptbahnhof-Projekt nun abgespeckt werden, um Kosten und Budget wieder unter einen Hut zu bekommen. Internen ÖBB-Unterlagen zufolge soll hier nun bei fahrgastrelevanten Bestandteilen gespart werden: weniger Rolltreppen, weniger Lifte, weniger Brandschutz, keine Geothermienutzung für Kühlen/Heizen, Verkleinerung des Bahnhofsdachs … Das Einkaufszentrum soll hingegen ebensowenig angetastet werden wie der Cable Liner.

 

Nachdem der Bahnhof generell nach dem Prinzip „Maximierung der verkäuflichen Flächen –Minimierung der Bahnflächen“ geplant wurde, mit allen Nachteilen für die künftigen BahnhofsbenutzerInnen, sollen Fahrgastinteressen damit ein weiteres Mal allen anderen Interessen nachgeordnet werden. Das ist nicht akzeptabel. Vielmehr müssen spätestens an diesem Punkt Luxus-Bestandteile des Projekts, die zum überwiegenden Vorteil Dritter sind wie der Cable Liner/People Mover, in Frage gestellt werden. Wenn tatsächlich wegen unbefriedigender Planung des Bahnhofs selbst oder unbefriedigender Lösung seines Öffi-Anschlusses eine Ergänzung der Verkehrserschließung nötig sein sollte, wäre eine solche um einen Bruchteil der für den Cable Liner vorgesehenen Summen mit Rollsteigen machbar.

 

Die derzeitige Priorität von ÖBB und BMVIT beim Wiener Hauptbahnhofprojekt – Einsparen auf Kosten der Fahrgäste – ist völlig verkehrt und muss dringend korrigiert werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie wird angesichts der Probleme, beim Wiener Hauptbahnhof den Kostenrahmen einzuhalten, aufgefordert:

 

1.   Das in den ÖBB-Infrastrukturrahmenplan 2009-2014 aufgenommene Cable-Liner-Projekt mit seinen für die erste Ausbaustufe geschätzten Errichtungskosten von 30-40 Mio Euro und einem jährlichen Abgang im Betrieb von an die 2 Mio Euro ist umgehend zu streichen.

 

2.   Die gleichzeitig ÖBB-intern mit Wissen des BMVIT betriebenen Versuche, die drohende Kostenüberschreitung des Hauptbahnhof-Projekts durch massiv qualitätsmindernde Einsparungen bei fahrgastrelevanten Elementen des Projekts Hauptbahnhof - zB Rolltreppen, Liften, Brandschutz, Dachgröße, Kühltechnologie, … - aufzufangen, sind umgehend zu beenden.

 

3.   Fahrgastinteressen und -notwendigkeiten ist beim Projekt Hauptbahnhof Vorrang vor anderweitigen Interessen wie jenen von Immobilieninvestoren oder Seilbahn-Herstellern und -Zulieferern oder Lobbies zu geben.

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verkehrsausschuss vorgeschlagen.