767/A XXIV. GP

Eingebracht am 18.09.2009
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ANTRAG

 

 

der Abgeordneten Bucher, Mag. Stadler, Grosz

Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und ein Bundesgesetz, mit dem das Rechnungshofgesetz 1948 geändert wird

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Artikel 1

Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes

 

Das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930, zuletzt geändert durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. I Nr. XXX/2009, wird wie folgt geändert:

 

In Art. 127a entfällt jeweils die Wortfolge „mit mindestens 20 000 Einwohnern“.

 

 

Artikel 2

Änderung des Rechnungshofgesetzes 1948

 

Das Rechnungshofgesetz 1948, BGBl. Nr. 144/1948, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. XXX/2009, wird wie folgt geändert:

1.            In § 18 entfällt jeweils die Wortfolge „mit mindestens 20 000 Einwohnern“.

2.            § 19 Abs. 1 lautet:

„(1) Der Rechnungshof hat auf begründetes Ersuchen der zuständigen Landesregierung die Gebarung von Gemeinden zu überprüfen und das Ergebnis der Landesregierung mitzuteilen.“


 

Begründung:

 

Die Gemeinde als jene staatliche Einheit, die sich durch die höchste Bürgernähe auszeichnet, erbringt wesentliche Leistungen in den Bereich der Daseinsvorsorge, insbesondere im Sozial- und Gesundheitsbereich sowie im Infrastrukturbereich.

Im Zuge des Finanzausgleichs 2008 - 2013 erhielten die Gemeinden für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben wesentliche zusätzliche Mittel, wobei der Bevölkerungsschlüssel zugunsten der kleineren Gemeinden abgeändert und den Städten die Verluste abgegolten wurden. Ob sich die Transferausgaben mit den Transfereinnahmen und somit mit den zugewiesenen Aufgabenstellungen die Waage halten, ist derzeit nicht nachvollziehbar und nicht transparent.

Der Kontrolle durch den Rechnungshof unterliegt nämlich derzeit nur die Gebarung der Gemeinden mit mindestens 20.000 Einwohnern. Der Rechnungshof prüft damit nur 24 der 2.358 Gemeinden (somit derzeit nur 4,6 Mrd. Euro). Das bedeutet, dass derzeit 10,6 Mrd. Euro an öffentlichen Geldern keiner externen öffentlichen Finanzkontrolle unterliegen, obwohl die Gemeinden der größte öffentliche Investor sind. Zahlreiche Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern haben vielfach ein höheres Haushaltsvolumen, einen höheren Schuldenstand und eine höhere (teilweise sehr hohe) Pro-Kopf-Verschuldung als die über dieser Grenze liegenden Gemeinden.

Durch die Zunahme der Bedeutung, der Komplexität und der einzusetzenden Finanzmittel bei den Aufgaben der Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich spiegelt die aktuelle Prüfungsschwelle für den Rechnungshof von 20.000 Einwohnern in der Gemeinde nicht die finanzielle und budgetäre Bedeutung der Gemeinden im Rahmen der Daseinsvorsorge wieder. Die Einwohnerzahl ist daher kein geeignetes Kriterium mehr, um Gemeinden aus einer unabhängigen externen Finanzkontrolle auszunehmen. Eine solche Ausnahme lässt sich im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung und den Finanzbedarf mit Sachlichkeitserwägungen nicht begründen und schwächt überdies die demokratische Kontrolle.

Schon die aktuelle in den Medien erörterten Skandale belegen, wie wichtig eine umfassende Kontrollkompetenz des Rechnungshofes für alle Gemeinden wäre: So hat z.B. Österreichs kleinste Gemeinde derzeit die höchste Pro-Kopf-Verschuldung, gröbere Missstände mit vermutlich strafrechtlicher Relevanz sind in einem 900-Seelen-Dorf im Burgenland bekanntgeworden, in einer steirischen Gemeinde mit weniger als 4.000 Einwohnern musste ein Regierungskommissär wegen Missständen eingesetzt werden, die zu Schulden von über 30 Mio. Euro geführt haben, fehlgeschlagene Spekulationsgeschäfte haben etliche Gemeinden finanziell schwer geschädigt.

Mit der Beseitigung der Beschränkung der Kontrollkompetenz mit einer Mindestzahl von 20.000 Einwohnern wird dieser Entwicklung Rechnung getragen und werden die durch die Einwohnergrenze entstandenen Nachteile beseitigt.

Klar ist, dass es bei der Erweiterung der Gemeindeprüfungskompetenz des Rechnungshofes nicht darum geht, dass diese ständig alle Gemeinden prüft. Außerdem sollen – wie dies schon bisher in den Bereichen mehrfach kontrollierter Bereiche der Fall ist – Prüfungen mit anderen Prüfinstanzen wie den Landesrechnungshöfen so abgesprochen werden, dass es zu keinen sinnlosen und belastenden Mehrfachprüfungen kommt. Es sollen deshalb in Form eines Gesamtprüfkonzeptes die Gebarungsprüfungen der jeweiligen Prüfeinrichtungen aufeinander abgestimmt werden.

Die Gemeinden erhalten auf diese Weise die Möglichkeit, die Vorteile einer bundesländerübergreifenden Gebarungskontrolle zu nutzen. Darüber hinaus wird die Kontrollmöglichkeit der allgemeinen Vertretungskörper, insbesondere im Sozial- und Gesundheitsbereich sowie im Infrastrukturbereich, gestärkt und die Transparenz erhöht.

 

Dieser Antrag soll vor allem sicherstellen, dass über eine Erweiterung der Rechnungshof-Prüfungskompetenz für Gemeinden parlamentarisch jedenfalls verhandelt werden muss, auch wenn die am 23. September mit einer sechsmonatigen Frist beschlossene Entschließung, in der die Bundesregierung mit ebendiesem Auftrag betraut wird, ohne Ergebnis bleiben sollte.

 

 

In formeller Hinsicht wird die Abhaltung einer erste Lesung binnen dreier Monate verlangt und die Zuweisung an den Verfassungsausschuss vorgeschlagen.

 

 

Wien, am 18. September 2009