1074/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 25.03.2010
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Entschließungsantrag

Antrag

 

der Abgeordneten Grosz

Kolleginnen und Kollegen

betreffend BStU-Akteneinsicht

 

Zur Unterstützung von Forschung, Presse, Rundfunk und Film(Medien) sowie Einrich­tun­gen zur politischen Bildung bei der historischen und politischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheits­dienstes, der Herrschaftsmechanismen der ehe­mali­gen DDR bzw. der ehemaligen sowje­tischen Besatzungszone sowie bei der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergan­gen­heit wurde nach der deutschen Wiedervereinigung die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staats­sicher­heits­dienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik eingerichtet.

Ebenso ist die Überprüfung von Personen auf eine frühere hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst auf der Grundlage eines schriftlichen Ersuchens öffentlicher und nicht-öffentlicher Stellen möglich.

Der Kreis der überprüfbaren Personen wurde mit dem Siebten Gesetz zur Änderung des Stasi-Unterlagen Gesetzes vom 21.12.2006 neu definiert. Dieses Gesetz trat am 29.12.2006 in Kraft und mit ihm wurden die – ursprünglich bis zum 28.12.2006 befristeten – Regelungen zur Überprüfung von Personen auf eine hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicherheits­dienst, für weitere fünf Jahre (bis zum 31. 12. 2011 überprüfbar) neu gefasst.

Diese Überprüfung dient nicht allein der Feststellung ob eine Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst bis zum Stichtag 31. Dezember 1975 endgültig beendet war und dabei kein Verbrechen begangen wurde oder gegen Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen worden ist, sondern kann auch zum Beispiel der Rehabilitierung von Betroffenen, Vermissten und Verstorbenen, der Aufklärung des Schicksals Vermisster und ungeklärter Todesfälle oder der Aufklärung, Erfassung und Sicherung des Vermögens der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik und der ehemaligen Rechtsträger mit Sitz in ihrem Gebiet sowie des Vermögens, das dem Bereich der kommerziellen Koordinierung zugeordnet war, dienen.

Ebenso werden u. a. Ersuchen zu Rentenangelegenheiten, zu offenen Vermögensfragen oder zu Ordensangelegenheiten bearbeitet. Die Bundesbeauftragte stellt Unterlagen auch für Zwecke der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr sowie zur Rehabilitierung und Wiedergutmachung zur Verfügung.


Die Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Republik Österreich gestalteten sich in besonders naher Art– so waren die Staatsbesuche von Bruno Kreisky (1978) und von Rudolf Kirchschläger (1983) die ersten offiziellen eines Bundeskanzlers und eines Staatsoberhauptes aus dem westlichen Ausland in die DDR. Im Gegenzug stattete der Partei- und Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker 1980 seinen ersten Auftritt im Westen mit einem Besuch in Österreich ab. Mit österreichischer Hilfe gelang es der DDR letztlich ihre außenpolitische Isolierung zu durchbrechen und schließlich als souveräner deutscher Staat auch von den westlichen Ländern anerkannt zu werden.

 

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass unter den Informanten und Mitarbeitern des Staatssicherheits­dienst der vormaligen Deutschen Demo­kra­tischen Republik auch Österreicher zu finden sind, die eine frühere hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicherheits­dienst der vormaligen Deutschen Demo­kra­tischen Republik entfaltet haben, bei welcher Verbrechen begangen wurden oder gegen Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechts­staat­lichkeit verstoßen worden ist.

So stieg der SS-Unterscharführer Johann Sanitzer, ein früherer Referatsleiter der Gestapo­leitstelle Wien, Folterer und Verhörspezialist, trotz einer Volksgerichtsver­urteilung im Jahre 1948 später zum Major im Staatssicherheitsdienst der DDR auf. Auch werden dem Wiener Peter Smollet/Smolka (österreichischer Unternehmer [Tyrolia], guter Bekannter Bruno Kreiskys und Hilde Spiels, ehemaliger Herausgeber der Zeitschrift Austria Today) neben seiner Tätigkeit als Leiter der Russlandabteilung im britischen Ministry for Information Nahebeziehungen zum sowjetischen Geheimdienst NKWD nachgesagt.

„Intelligence Studies“ (Geheimdienststudien) auf wissenschaftlicher Basis sind seit geraumer Zeit in Großbritannien und Nordamerika etabliert, in Österreich dominierte lange Zeit die journalistische Aufarbeitung von Geheimdienstaktivitäten, erst seit den achtziger Jahren gab es einige Versuche der wissenschaftlichen Aufarbeitung, so dass in diesem Zusammenhang jedenfalls ein Defizit festgestellt werden kann.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Antrag

 

Der Nationalrat wolle beschliessen:

 

„Die Bundesministerin für Inneres wird aufgefordert, in den Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland unverzüglich die notwendigen Schritte einzuleiten, um jenen Personenkreis österreichischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger festzustellen, welche eine frühere hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicherheits­dienst der vormaligen Deutschen Demo­kra­tischen Republik entfaltet haben, bei welcher Verbrechen begangen wurden oder gegen Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechts­staat­lichkeit verstoßen worden ist.“

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Menschenrechte vorgeschlagen.

 

Wien, am 25. März 2010