1098/A XXIV. GP

Eingebracht am 22.04.2010
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ANTRAG

der Abgeordneten Musiol, Steinhauser, Freundinnen und Freunde

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalratswahlordnung und das Europa-Wählerevidenzgesetz geändert werden

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

 

Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, BGBl 1992/471, zuletzt geändert durch BGBl I 2010/13, und das Europa-Wählerevidenzgesetz, BGBl 118/1996, zuletzt geändert durch BGBl I 11/2009, geändert werden

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, BGBl 1992/471, zuletzt geändert durch BGBl I 2010/13, und das Europa-Wählerevidenzgesetz, BGBl 118/1996, zuletzt geändert durch BGBl I 11/2009, geändert werden

 

Artikel 1

 

Die Nationalrats-Wahlordnung 1992, BGBl 1992/471, zuletzt geändert durch BGBl I 2010/13, wird geändert wie folgt:

 

§ 22 entfällt.


 

Artikel 2

 

Das Europa-Wählerevidenzgesetz, BGBl 118/1996, zuletzt geändert durch BGBl I 11/2009, wird geändert wie folgt:

 

§ 3 entfällt.

 

Begründung:

 

Die Grünen sind immer für die Abschaffung  des Wahlausschließungsgrundes der strafgerichtlichen Verurteilung eingetreten. Dieses Anliegen war auch Gegenstand des Initiativantrags der Abg. Voggenhuber, Stoisits, Freunde und Freundinnen zur Wahlrechtsreform 1992, Nr 151/A, 18. GP.  Dieser führte zumindest dazu, dass in der NRWO 1992 die zeitliche Geltung dieses Wahlausschließungsgrundes maßgeblich reduziert wurde[1]. Vor der NRWO 1992 endete der Wahlausschluss erst fünf Jahre nach Vollstreckung der Strafe, derzeit nach 6 Monaten. Zu einem Verzicht auf den Wahlausschließungsgrund konnten sich die Regierungsfraktionen damals nicht durchringen.

 

Am 8. 4. 2010 entschied der  Europäische Menschenrechtsgerichtshof in der Rechtssache Frodl vs Österreich (Beschwerde Nr 2001/04), dass § 22 NRWO Art 3 des 1. Zusatzprotokolls zur MRK verletze. Der Wahlausschluss sei zu weitgehend, er müsse in jedem Einzelfall auf einen richterlichen Entscheid zurückgehen und in Zusammenhang mit der begangenen Tat stehen (EGMR Presseaussendung vom 8. 4. 2010, die Ausfertigung des Urteils ist noch nicht erfolgt). Eine Änderung des § 22 NRWO ist daher unausweichlich. Österreich sollte jedenfalls nicht von der Möglichkeit Gebrauch machen, die Große Kammer anzurufen.

 

Der Verlust des Wahlrechts entspringt dem antiquierten Gedanken des Verlusts von bürgerlichen Rechten als Konsequenz einer Straftat. Ein modernes Strafrecht und ein modernes Demokratieverständnis schauen jedoch anders aus. StraftäterInnen sind nach dem Strafgesetzbuch zu bestrafen. Damit ist dem Recht genüge getan, es braucht keine Sekundärstrafen, die weder spezial- noch generalpräventive Wirkung haben. Auch österreichische StaatsbürgerInnen, die Straftaten begangen haben, werden in einer parlamentarischen Demokratie durch das Parlament und andere Organe repräsentiert. Daher sollen sie auch wählen dürfen. Eine Gefahr für die Demokratie kann dadurch nicht entstehen, denn hinsichtlich StraftäterInnen nach dem Verbotsgesetz ist darauf zu verweisen, dass derartige Wahlparteien von den Wahlbehörden gar nicht zugelassen werden dürfen.

 

Der Wahlausschluss Strafgefangener ist für die Nationalratswahl in § 22 NRWO festgelegt und für die Europawahl in § 3 Europa-WählerevidenzG. Das Bundespräsidentenwahlgesetz  knüpft am Wahlrecht zum Nationalrat an. Auf die NRWO wird auch im Volksabstimmungsgesetz, im Volksbegehrengesetz und im Volksbefragungsgesetz Bezug genommen.

 

Art 26 Abs 5 B-VG stellt die Ermächtigungsnorm für die genannten einfachgesetzlichen Bestimmungen dar und könnte ebenfalls entfallen.  Dies wird bei den Ausschussberatungen entsprechend zu berücksichtigen sein.

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss vorgeschlagen.



[1] Sabine Wagner, Felix Ehrnhöfer, Reformüberlegungen zum Wahlrecht aus Sicht der Grünen, in Khol, Ofner, Burkert-Dottolo, Karner (Hrsg), Österreichisches Jahrbuch für Politik 1999 (2000), S 291 f (304 ff).