1177/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 16.06.2010
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Entschließungsantrag

Antrag

 

der Abgeordneten Bucher, Ursula Haubner, Mag. Stadler

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Beseitigung des Kammerstaates und Reform des Sozialsystems

 

Die bestehenden Strukturen, Verantwortlichkeiten und Finanzierungsströme im österreichischen Gesundheitswesen bewirken, dass die zur Verfügung stehenden Mittel nicht optimal eingesetzt werden. Die Vorgaben der Bundesverfassung, Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit in der Gebarung zu beachten, werden im Gesundheitssystem, wie Berichte des Rechnungshofes seit Jahren beweisen, bei weitem nicht erfüllt.

 

Weder die Bundesregierung, noch die Sozialpartner, welche erst Anfang 2008 gegen den vehementen Protest der in dieser Angelegenheit selten einigen Opposition in der Bundesverfassung verankert wurden, sind willens, notwendige Reformen wie eine Zusammenlegung aller Krankenkassen oder die Finanzierung des Gesundheitssystems aus einer Hand umzusetzen. In diesem System und dieser Handlungslosigkeit liegt auch der Grund, warum nunmehr 718.000 Selbstständige und Mitversicherte bei der Krankenversicherung der Gewerblichen Wirtschaft trotz unverminderter Beitragsleistungen schlechter dastehen als je zuvor.

 

Dasselbe Ergebnis zeigt auch die Organisation anderer Bereiche des österreichischen Sozialsystems: Uneinheitliche Pensionssysteme und die ungeklärte Frage der Finanzierung der Pflege in den kommenden Jahren erfordern einen ganzheitlichen Lösungsansatz, eine Zusammenlegung aller 22 Sozialversicherungsträger sowie eine Beseitigung der ständestaatlichen Unterscheidungen.

Zwangsmitgliedschaften und Zwangsbeiträge prägten nicht nur das mittelalterliche Zunftwesen, sondern sind nach wie vor Realität im österreichischen Kammerstaat. Mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2008 wurden die Sozialpartner (wobei nach wie vor unklar ist, wer aller dazu zählt…) verfassungsrechtlich abgesichert. Seither beschränken sich die Rechte von Bund oder Land bei Streitigkeiten zwischen den Sozialpartnern auf ein Aufsichtsrecht hinsichtlich der Rechtmäßigkeit oder Zweckmäßigkeit der Verwaltungsführung. Die vormaligen Eingriffsrechte von Bund und Ländern gehören der Vergangenheit an. Mit einem Wort: Wenn die Selbstverwaltung ihre Aufgaben nicht erledigt, ist der Bürger der Dumme und Abhilfe nicht möglich.

 

Basis für ein gerechtes System für alle Österreicherinnen und Österreicher kann nur ein Sozialsystem sein, in dem für alle eine Organisation, gleiche Leistungen für gleiche Beiträge, ein einheitlicher Leistungskatalog sowie einheitliche Honorare vorgesehen sind. Unterschiedliche Tarife sind durch nichts zu rechtfertigen. Es geht nicht darum ein bestehendes System zu erhalten, sondern die Bürgerinnen und Bürger, die Patientinnen und Patienten, die Menschen wieder in den Mittelpunkt gewissenhafter Politik zu stellen. 

 

Zwangsmitgliedschaften und Zwangsbeiträge für freie Berufe und ständestaatliche Unterscheidungen zwischen Personengruppen sind im dritten Jahrtausend nicht mehr akzeptabel. Feudalherrschaftliche Strukturen, die von Sozialpartner-Funktionären nach Gutdünken auf dem Rücken ihrer Mitglieder und Versicherten verwaltet werden müssen daher endlich der Vergangenheit angehören und sind deshalb durch die Möglichkeit, sich nach freiem Willen zu freien Interessensverbänden zusammenzuschließen, und durch ein gerechtes, jedem Bürger zu gleichen Bedingungen bei gleichen Rechten zugängliches Sozialsystem zu ersetzen. Gerade im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes muss das österreichische Sozialsystem effizient und mit einheitlichen Leistungen, Beiträgen und Honoraren für alle neu gestaltet werden.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Antrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Zwangsmitgliedschaften und Zwangsbeiträge sollten im dritten Jahrtausend eindeutig der Vergangenheit angehören. Feudalherrschaftliche Strukturen und ein ständestaatliches Sozialsystem empfinden die Bürger als Ungerechtigkeit und Widerspruch zum Gleichheitsgrundsatz. Ein effizientes und gerechtes, weil für alle Bürger gleiches Sozialsystem bei Beseitigung der ständestaatlichen Gliederung der sozialen Absicherung und die Möglichkeit, sich nach freiem Willen zu freien Interessensverbänden zusammenzuschließen oder selbst die eigenen Interessen zu vertreten sind daher ein Gebot der Stunde.

 

Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich eine Regierungsvorlage vorzulegen, in welcher

 

1.    die als „B. Sonstige Selbstverwaltung“ in Artikel 120a bis 120c B-VG im Jahr 2008 verankerte zunftordnungsähnliche Kammerstruktur der Sozialpartner aufgehoben, und im Gegensatz dazu

2.    den Bürgern die Möglichkeit, ihre Interessen selbst zu vertreten oder sich zu freiwilligen Interessensvertretungen zusammenzuschließen eröffnet wird, sowie weiters

3.    das österreichische Gesundheits- und Sozialsystem in ein effizientes neues System mit einheitlichen Leistungen, Beiträgen und Honoraren für alle umgestaltet wird.“

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung zum Verfassungsausschuss vorgeschlagen.

 

 

 

Wien, am 16. Juni 2010