1214/A XXIV. GP

Eingebracht am 07.07.2010
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Antrag

 

der Abgeordneten Strache, Weinzinger, Kitzmüller

und weiterer Abgeordneter

 

 

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) geändert wird.

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988 geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Das Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. I Nr. 400/1988, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 9/2010, wird wie folgt geändert:

 

1. nach § 33 werden folgende Bestimmungen samt Überschriften:

 

„Familienbesteuerung

 

Optionale Familienbesteuerung

§ 33a. (1) Familien sind berechtigt, ihr Haushaltseinkommen gewichtet nach § 33b Abs. 2 auf die Anzahl der Haushaltsangehörigen zu verteilen und die Steuersätze (§ 33) auf die so ermittelten gewichteten Teileinkommen anzuwenden.

 

Ermittlung des Einkommens bei der Familienbesteuerung

§ 33b. (1) Das Haushaltseinkommen ist die Summe der veranlagten Einkommen sämtlicher Haushaltsangehöriger zuzüglich geltend gemachter Kinderfreibeträge (§ 106a) und Aufwendungen im Sinne des § 34 Abs. 9.

(2) Der Familiendivisor wird durch die Addition der Gewichtsfaktoren der einzelnen Haushaltsangehörigen ermittelt. Dabei gelten folgende Gewichtsfaktoren:

       für erwerbstätige Erwachsene                       1,0

für nichterwerbstätige Erwachsene               0,6

je Kind                                                            0,5


 (3) Das Haushaltseinkommen wird durch den Familiendivisor dividiert, um das Teileinkommen der Haushaltsangehörigen zu ermitteln.

 

Anwendung von Steuersätzen und Absetzbeträgen auf ermittelte Haushaltseinkommen

§ 33c. (1) Der Tarif (§ 33) ist auf das Teileinkommen anzuwenden und die so ermittelte Einkommensteuer mit dem Familiendivisor zu multiplizieren. § 33 Abs. 11 findet keine Anwendung.

(2) Folgende Absetzbeträge bleiben bei der Familienbesteuerung außer Ansatz:

- Alleinverdienerabsetzbetrag einschließlich Kinderzuschläge (§ 33 Abs. 4 Z 1),

- Alleinerzieherabsetzbetrag einschließlich Kinderzuschläge (§ 33 Abs. 4 Z 2).

 

Familienbesteuerung bei Scheidung/Trennung

§ 33d. Geschiedene oder getrennt lebende Ehepartner können einvernehmlich zur Familienbesteuerung optieren. In diesem Falle gilt Folgendes:

1. Dem alleinerziehenden Elternteil steht ein Gewichtsfaktor von 1,3 bei der Ermittlung des Familiendivisors zu. Unterhaltszahlungen des getrennt lebenden oder geschiedenen Elternteils werden als Einkommen behandelt.

2. Der getrennt lebende oder geschiedene Elternteil kann seine Unterhaltszahlungen zur Gänze von seiner Bemessungsgrundlage zur Errechnung der Einkommensteuer außerhalb der Familienbesteuerung in Abzug bringen; ein Unterhaltsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 4 Z 3) kann nicht geltend gemacht werden.

 

Deckelung

§ 33e. Die Steuerersparnis bei der Familienbesteuerung darf insgesamt pro Haushaltsangehörigen gegenüber der individuellen Besteuerung den Betrag von 4.000,- Euro nicht überschreiten.

 

Begriffsbestimmungen

§ 33f. Im Sinne der §§ 33a bis 33e sind:

            1. Familien: Nicht getrennt lebende Ehepartner, die im Kalenderjahr mehr als sechs Monate verheiratet sind, mit mindestens zwei Kindern im Sinne des § 106 Abs. 1.

            2. Haushaltsangehörige: Personen, die einer Familie im Sinne der Z 1 zugehörig sind.

            3. Erwerbstätige Erwachsene: Haushaltsangehörige, deren Einkommen im Kalenderjahr 6.000,- Euro überschreitet.

            4. Nichterwerbstätige Erwachsene: Haushaltsangehörige, deren Einkommen im Kalenderjahr 6.000,- Euro nicht überschreitet.


            5. Alleinerziehender Elternteil: Steuerpflichtiger, der mit mindestens zwei Kindern im Sinne des § 106 Abs. 1 mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe-)Partner lebt.

            6. Getrennt lebender oder geschiedener Elternteil: Steuerpflichtiger, der gesetzlichen Unterhalt für ein Kind leistet, das nicht dem Haushalt des Steuerpflichtigen zugehört und für das weder der Steuerpflichtige noch sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe-)Partner Anspruch auf Familienbeihilfe hat.“

 

 

Begründung

 

Begründung: Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfes ist es, die im derzeitigen Steuerrecht bestehende Benachteiligung von Familien mit Kindern bei der Bemessung der Lohn- und Einkommensteuer zu beseitigen. Dabei soll in einem ersten Schritt ein Splittingsystem für Familien ab zwei Kindern eingeführt werden, um die Belastung für das Budget bei der Einführung gering zu halten. In weiterer Folge soll das Familiensteuersplitting auch auf Familien mit einem Kind ausgeweitet werden.

 

Grundlage jedes progressiven Steuersystems, wie es auch im österreichischen Steuerrecht verwirklicht ist, ist das Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit. Dieses besagt:

 

1.)    Personen höherer Leistungsfähigkeit ist zuzumuten, eine höhere (auch im Verhältnis zu ihrem Einkommen) Steuerleistung zu erbringen als Personen geringerer Leistungsfähigkeit (vertikale Steuergerechtigkeit).

2.)    Personen gleicher Leistungsfähigkeit müssen auch gleich besteuert werden, das heißt z.B. mit dem gleichen Prozentsatz ihres Einkommens zur Lohnsteuer herangezogen werden. (horizontale Steuergerechtigkeit). Anders ausgedrückt: Für Individuen, die sich vor Steuerabzug in der gleichen finanziellen Lage befinden, muss dies auch nach der Besteuerung zutreffen.

 

Im österreichischen Steuerrecht ist heute dieses Prinzip der horizontalen Steuergerechtigkeit grob verletzt. Da die finanzielle Lage eines Steuerzahlers nicht nur von seinem Einkommen sondern auch von seinen Unterhaltsverpflichtungen abhängt, ist das jetzige System der Individualbesteuerung eine grobe Verletzung des Prinzips Besteuerung nach Leistungsfähigkeit.

 

Wenn ein Alleinstehender mit einem Jahreseinkommensteuer von 11.000,- Euro überhaupt keine Lohnsteuer zahlt, ein Alleinerhalter einer vierköpfigen Familie bei 22.000,- Euro Jahreseinkommen (also 6.000,- Euro pro Person) hingegen ca. 3.000,- Euro jährlich an Lohnsteuer zu zahlen hat (Kinderabsetzbetrag schon berücksichtig), so kann von einer Besteuerung nach Leistungsfähigkeit keine Rede mehr sein.

 

Ein progressiver Steuertarif muss daher, um offensichtliche Ungerechtigkeiten zu vermeiden, so angewandt werden, dass Familien in gleicher wirtschaftlicher Lage, d.h. Familien, die sich annähernd den gleichen Lebensstandard leisten können, unabhängig von der Haushaltsgröße den gleichen Prozentsatz ihres Einkommens als Steuer abführen.


Eine grundsätzliche Lösung dieses Problems bietet eine Haushaltsbesteuerung nach dem sog. gewichteten Pro-Kopf-Einkommen, wie dies seit Jahrzehnten z.B. in Frankreich mit dem dortigen Splittingmodell bei der Einkommensteuer verwirklicht ist.

 

Grob gesprochen berücksichtigt das Konzept des gewichteten Pro-Kopf-Einkommens die Tatsache, dass der finanzielle Aufwand zur Erhaltung eines gewissen Lebensstandards zwar mit der Anzahl der Personen zunimmt, aber schwächer als proportional. Ein Alleinstehender kann etwa so „gut“ Leben wie eine vierköpfige Familie mit dem 2 bis 3-fachen Einkommen. Praktisch wird das gewichtete Pro-Kopf-Einkommen ermittelt, indem jedem Familienmitglied ein Gewichtsfaktor der kleiner oder höchstens eins ist, zugeordnet wird und das gesamte Familieneinkommen durch die Summe dieser Gewichtsfaktoren dividiert wird.

 

Der vorliegende Gesetzentwurf soll es Familien ermöglichen, wahlweise zur weiterhin möglichen Individualbesteuerung, eine Besteuerung des Familieneinkommens nach ihrem gewichteten Pro-Kopf-Einkommen in Anspruch zu nehmen, was sicherstellt, dass sie etwa gleich besteuert werden wie Alleinstehende gleicher finanzieller Leistungsfähigkeit.

 

Zusätzlich zu der grundsätzlichen Forderung nach Steuergerechtigkeit sprechen noch weitere wichtige Gründe für das vorgeschlagene optionale Splittingmodell. Familien, besonders kinderreiche, sind nicht nur durch das bestehende System der Individualbesteuerung benachteiligt, sondern zusätzlich dadurch, dass sie als Folge unseres umlagefinanzierten Pensionssystems zu einem großen Teil die zukünftigen Pensionen der kinderlosen Personen zu finanzieren haben. Eltern tragen den größten Teil der Kinderkosten, der „Nutzen“ jedoch (die von den Kindern später gezahlten Pensionsbeiträge) kommen unabhängig von der Kinderzahl, allen zugute. Das Zusammentreffen dieser Umverteilung mit der beschriebenen Diskriminierung der Familien bei der Lohn-und-Einkommensteuer bedeutet insbesondere für mittelständische Familien, dass mehrere Kinder heute in Österreich zu einem drastischen Wohlstandsverlust führen. Anders ausgedrückt: Die Entscheidung für Kinder wird heute insbesondere im Bereich mittelständischer Personen mit einer drastischen Strafsteuer belegt. Der vorgeschlagene Gesetzesentwurf kann dieses Problem zwar nicht gänzlich lösen, wohl aber einen ersten wichtigen Beitrag zur Linderung der beschriebenen Ungerechtigkeiten leisten.

 

Schließlich spricht noch ein dritter Grund für die Einführung des geplanten Splittingmodells. Familien sollten im Sinne des Subsidiaritätsprinzips das Recht haben, über ihre Angelegenheiten selbst zu bestimmen und nicht durch den Staat zu bestimmten Lebensmodellen gedrängt werden. Genau dieses geschieht aber heute, wenn ein bestimmtes Familieneinkommen sehr viel höher besteuert wird, wenn es von einem Alleinverdiener stammt als wenn es zu gleichen Teilen von beiden Partnern stammt.

 

Im Prinzip verlangt die Steuergerechtigkeit die Möglichkeit des Splittings für alle Familien. In Anbetracht der schwierigen finanziellen Situation der Republik beschränkt der vorliegende Gesetzentwurf die Anwendung des Modells auf den von den beschriebenen Ungerechtigkeiten am stärksten betroffenen Personenkreis, Paare und Alleinerzieherinnen/Alleinerzieher mit zwei oder mehr unversorgten Kindern und sieht außerdem eine Deckelung der pro Person erzielbaren Steuerersparnis vor.


Für geschiedene oder getrennt lebende Eltern ist eine Regelung vorgesehen, die im Effekt zu einer gleichen steuerlichen Behandlung führt wie im Fall gemeinsam lebender und wirtschaftender Paare.

 

Die Familienbeihilfe, und das Kinderbetreuungsgeld sind, wie auch aus den Diskussionen bei ihrer Einführung hervorgeht, eine (sehr unvollständige Abgeltung) der Leistungen, die alle Eltern mit dem Aufziehen der Kinder für die Allgemeinheit erbringen und kein Ausgleich für die steuerliche Benachteiligung von Familien. Sie sind daher im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Problem der Herstellung einer horizontalen Steuergerechtigkeit nicht zu berücksichtigen.

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Finanzausschuss vorgeschlagen sowie die Durchführung einer ersten Lesung innerhalb von drei Monaten verlangt.