1230/A XXIV. GP

Eingebracht am 08.07.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

Initiativantrag

der Abgeordneten Ursula Haubner
Kollegin und Kollegen

betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird
(Generationengerechtigkeits-Novelle)

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930, zuletzt geändert durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. I Nr. 127/2009, wird wie folgt geändert:

1.   Artikel 7 Abs. 1 lautet:

„Artikel 7. (1) Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nicht behinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten. Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich weiters dazu, in ihrem Handeln das Prinzip der Nachhaltigkeit zu beachten und die Interessen künftiger Generationen zu schützen."

2.    Artikel 10 Abs. 3 erhält die Bezeichnung „ (4) "; folgender Abs. 3 wird eingefügt:

„(4) Sozialversicherungssysteme sind so auszurichten, dass die Einlösung von Leistungsan- sprüchen dermaßen gewährleistet ist, dass künftige Generationen mit gleichen Voraussetzungen und Bedingungen rechnen können."

3.    Artikel 13 Abs. 2 lautet:

„(2) Bund, Länder und Gemeinden haben bei ihrer Haushaltsführung die Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes und nachhaltig geordnete Haushalte anzustreben sowie den Interessen der künftigen Generationen Rechnung zu tragen. Sie haben ihre Haushaltsführung in Hinblick auf diese Ziele zu koordinieren.""


Erläuterungen

Politische Entscheidungen werden naturgemäß hauptsächlich unter dem Eindruck aktueller Problemlagen getroffen. Damit werden die unmittelbaren, noch in der Gegenwart erfahrbaren Auswirkungen gegenüber jenen in der Zukunft noch zu erwartenden tendenziell wesentlich stärker berücksichtigt. Entscheidungen zu schwierigen bzw. gesellschaftspolitisch aufwändigen Vorhaben werden erfahrungsgemäß über Jahrzehnte hin so lange aufgeschoben, bis der aufgestaute Regelungsbedarf gesellschaftspolitische Konflikte auslöst und drastische Maßnahmen erforderlich macht.

Die impliziten und expliziten Schulden auf allen staatlichen Ebenen, auf den Ebenen der Sozial- und Krankenversicherungssysteme sowie der anhaltend schonungslose Verbrauch von vorhandenen Ressourcen beschränken den politischen Gestaltungsspielraum der künftigen Generationen.

Wichtige Investitionen in die Zukunft, wie etwa die Reform und Modernisierung des Bildungssystems in Österreich, werden zugunsten kapitalintensiver, aber trotzdem nur kurzfristig wirksamer, Marktstützungsinterventionen ausgedünnt, nur zögerlich vorangetrieben oder sogar gänzlich eingestellt.

Den verantwortlichen Entscheidungsträgern wird keine explizite Verpflichtung auferlegt, ihre Entscheidungen bzw. ihr Handeln und deren Auswirkungen auf die kommenden Generationen hin zu überprüfen und entsprechend anzupassen. Die Lasten heutiger Entscheidungen werden auf die Generationen von morgen verschoben.

Das Prinzip der Generationengerechtigkeit muss sich als umfassendes Nachhaltigkeitskonzept auf alle Politikfelder beziehen und erfordert daher eine Festschreibung in der Bundesverfassung.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss vorgeschlagen sowie die Durchführung einer ersten Lesung innerhalb von drei Monaten verlangt.