1285/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 05.10.2010
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

des Abgeordneten Pirklhuber, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Vorschlag der EU-Kommission, den Mitgliedstaaten Möglichkeiten einzuräumen, den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) auf ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen

 

 

 

 

Am 13. Juli 2010 hat die EU-Kommission einen Vorschlag vorgelegt, der den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumen soll, den Anbau von GVO auf ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen. Nach Jahren der kontroversen Diskussionen um die EU-Genehmigungsprozeduren zu gentechnisch veränderten Pflanzen kamen die 27 EU-Mitgliedsländer bereits am 4. Dezember 2008 überein, die EU-Kommissionen aufzufordern:

 

-         die Genehmigungsverfahren für GVO auf EU-Ebene und insbesondere die Unzulänglichkeiten bei der Prüfung durch die EFSA (European Food Safety Authority) zu verbessern;

-         den Regionen und Ländern mehr Möglichkeiten bei der Durchführung von Schutzmaßnahmen gegen die Kontaminierung durch GVO und für die Errichtung von gentechnikfreien Zonen zuzugestehen.

 

Anstatt diesem einstimmigen Beschluss der 27 Umweltminister zu folgen, versucht die derzeitige EU Kommission alles, um die Genehmigungsprozeduren für GVO zu beschleunigen. Bereits eine Woche nach Bestätigung der neuen Kommission und des neuen Verbraucherkommissars Dalli wurden vier gentechnisch veränderte Pflanzen - darunter die gentechnisch veränderte Kartoffel Amflora - genehmigt, ohne die Forderungen der EU Staaten vom Dezember 2008 auch nur annähernd erfüllt zu haben.

 

Mit den neuen Vorschlägen verspricht die Kommission nun den kritischen Mitgliedsstaaten mehr nationale Rechte zum Verbot von GVO Saatgut mit dem Kalkül, dass diese sich auf EU-Ebene nicht länger gegen weitere Genehmigungen aussprechen und die Kommission dadurch die seit Jahren bestehende Pattsituation bei den Genehmigungen im Rat beenden könnte. Es ist zu befürchten, dass der neue Vorschlag zu verstärkten und rascheren Zulassungen von Gentechnik-Konstrukten auf EU-Ebene führen wird. Derzeit sind 67 gentechnisch veränderte Pflanzen in der EU Genehmigungs- oder Verlängerungsprozedur (16x Baumwolle, 34x Mais, 1x Kartoffel, 3x Raps, 11x Sojabohne, 2x Zuckerrübe).


Auch könnte die neue Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten in der Praxis nur schwer durchsetzbar sein. Laut dem Kommissions-Vorschlag können Mitgliedstaaten nur sehr vage definierte, schwer messbare und juristisch leicht zu beanstandende "ethische Beweggründe" für ein Verbot anführen. Ein Verbot aufgrund von Gesundheits- oder Umweltschutzgründen oder zum Schutz vor Kontaminierung anderer Produkte ist nicht zulässig. Anstatt mehr Klarheit und konkrete Rechte für die EU-Mitgliedstaaten zu bringen, könnte die neue Regelung daher zu einer Welle von Gerichtsprozessen führen. Zudem stellt sich die Frage, inwieweit diese Regelung mit dem Recht der Welthandelsorganisation (WTO) kompatibel ist. Diese akzeptiert Anbauverbote nämlich nur, wenn sie sich auf wissenschaftlich nachzuweisende Risiken für Umwelt und Gesundheit stützen.

 

Mit dem Kommissionsvorschlag werden die Lücken und Schwächen der bisherigen Genehmigungsprozedur für GVO auf EU-Ebene nicht beseitigt. Das bisherige EU-Gentechnik-Zulassungsverfahren entspricht bei weitem nicht den Kriterien von Transparenz und wissenschaftlicher Kontrolle auf Basis des Vorsorgeprinzips und hat folgende Schwächen:

 

-         Die Langzeit- sowie Wechselwirkungen der GVO auf Umwelt, lebende Organismen, die Gesundheit werden nicht geprüft.

-         Die Umweltauswirkungen von pestizidproduzierenden gv-Pflanzen sowie der speziellen Pflanzenschutzmittel, welche beim Anbau von GVO eingesetzt werden müssen, werden nicht evaluiert.

-         Die sozioökonomischen Auswirkungen einer Zulassung von GVO werden nicht berücksichtigt.

-         Die regionalen und lokalen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten finden keine Berücksichtigung.

-         Die EFSA-Beurteilung basiert auf den Daten der zulassungswerbenden Gentechnik-Firmen und deren Testreihen beschränken sich in der Regel auf 90 Tage.

-         Unabhängige Forscher erhalten keinen Einblick in die Daten der Gentechnik-Unternehmen und können die Ergebnisse der Firmenstudien daher nicht überprüfen.

 

Die Risikoprüfung durch die Europäische Lebensmittel-Sicherheitsbehörde (EFSA) muss daher endlich auf ein solides wissenschaftliches Fundament gestellt werden.

 

Laut Eurobarometer (2006) sind im Durchschnitt 70 Prozent aller EU-Bürger gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel (in Österreich sind es wesentlich mehr). Die EU-Kommission muss diesen Ansichten Rechnung tragen und darf sich nicht vor den Karren der Industrielobby spannen lassen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

 

Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf EU-Ebene vehement für folgende Maßnahmen einzusetzen: 

 

1.    Aufforderung an die EU-Kommission, ihren Vorschlag betreffend Selbstbestimmungsrecht der Mitgliedstaaten über den Anbau von GVO auf ihrem Hoheitsgebiet dahingehend zu überarbeiten, dass Länder, Kommunen und Regionen ein unumstößliches und juristisch nicht anfechtbares Recht erhalten, sich als gentechnikfrei zu erklären.

2.    Keine Zulassung von neuen GVO, bis sämtliche Entscheidungen des Umweltministerrates vom Dezember 2008 endlich umgesetzt und alle bereits zugelassenen GVO nach dem Vorsorgeprinzip überprüft wurden.

3.    Deutlich strengere, wissenschaftlich fundierte Risikoprüfung nach dem Vorsorgeprinzip auf EU-Ebene, um mittel- und längerfristige Umwelt- und Gesundheitsgefahren auszuschließen: Prüfung der Langzeitwirkungen auf Umwelt, lebende Organismen und die Gesundheit, Prüfung der  sozioökonomischen Auswirkungen und Sicherstellung einer unabhängigen Beurteilung .

4.    Verpflichtung eines jeden EU-Mitgliedsstaates, strikte Vorkehrungen zu treffen, um die Gefahr einer Kontaminierung der Umwelt sowie der konventionellen und biologischen Landwirtschaft durch gentechnisch veränderte Organismen zu verhindern.

5.    Verpflichtende Kennzeichnung von Produkten von Tieren (wie Fleisch, Milch und Eier), die gentechnisch modifiziertes Futter erhalten haben.

 

Ferner wird die Bundesregierung aufgefordert, auf nationaler Ebene folgende Maßnahmen zu ergreifen:

 

1.    Aktive Unterstützung des Netzwerks der gentechnikfreien Regionen.

2.    Entwicklung einer Strategie, mit der erreicht werden soll, dass ausschließlich gentechnikfreie Futtermittel verwendet werden.

3.    Etablierung eines staatlich anerkannten Gütesiegels „gentechnikfrei“.

4.    Ausbau und Finanzierung einer unabhängigen Sicherheits- und Risikoforschung zur Analyse der ökologischen, gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen der Agro-Gentechnik.

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gesundheitsausschuss vorgeschlagen.