1340/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 17.11.2010
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

des Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde

 

betreffend der Unterstützung von Studierenden durch einen Ausbau der Studienbeihilfe und Initiativen für leistbares Wohnen

 

 

Die Studienbeihilfe ist die bedeutendste der im Studienförderungsgesetz geregelten Fördermaßnahmen[1]. Ihr Ziel soll sein, die Differenz zwischen der  wirtschaftlichen  Leistungsfähigkeit  der  Eltern  und  dem  Finanzbedarf  der  studierenden Kinder auszugleichen. Durch diese Maßnahmen sollte breiteren Bevölkerungsschichten ermöglicht werden, Zugang zu höherer Bildung zu haben.

 

Laut aktueller Studierenden Sozialerhebung 2009 sind ein Viertel der Studierenden zum  Befragungszeitpunkt in finanziellen Schwierigkeiten, d.h. sie kommen (sehr) schlecht mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln aus.

Nur 18 Prozent der Studierenden in Österreich beziehen Studienbeihilfe, sieben Prozent ein Selbsterhalterstipendium, drei Prozent ein Leistungsstipendium. 41 Prozent der Studierenden bekommen keinerlei Förderung, also weder Familienbeihilfe, noch irgendeine andere öffentliche Unterstützung. Als Konsequenz dessen ist der Anteil der erwerbstätigen Studierenden zwischen 2006 und 2009 von 58 auf 62 Prozent gestiegen, 45 Prozent arbeiten mittlerweile während des ganzen Semesters. Die Hälfte der arbeitenden Studierenden klagt über die schwierige Vereinbarkeit von Studium und Beruf - 37 Prozent würden ihr Arbeitspensum gern reduzieren. Studienverzögerungen sind also vorprogrammiert. Dies beweist das unzureichende Stipendien- und Fördersystem in Österreich.

 

Ein weiteres Ärgernis ist die maximale Höhe der Studienbeihilfe: Das Existenzminimum, das vom österreichischen Gesetzgeber für das Jahr 2010 berechnet wurde, beträgt monatlich 783 Euro (= unpfändbarer Grundbetrag für nicht unterhaltspflichtige Personen)[2]. Die höchstmögliche österreichische Studienbeihilfe (SelbsterhalterInnenstipendium) beläuft sich auf 679 Euro pro Monat. Die durchschnittliche Stipendienhöhe liegt momentan bei ungefähr 280 Euro pro Monat[3].

Das Sparpaket macht aber selbst hier keine Ausnahme: Die Studienbeihilfe wird nicht valorisiert, es sind  2011 8 Mio., 2012 13,6 und ab 2013 jährlich 15 Millionen Euro Einsparungen vorgesehen. Betroffen davon sind laut Studierenden Sozialerhebung 2009 rund 38 000 Studierende. Die Nicht-Valorisierung betrifft fast ausschließlich die sozial Schwächsten.

 

Es wird in Österreich davon ausgegangen, dass die Eltern bis zum Abschluss der Ausbildung für ihre Kinder der Unterhaltspflicht nachkommen (können) und die Studienbeihilfe nur dazu dienen muss, einen Zuschuss zu eben diesem Unterhalt für finanzschwache Eltern zu leisten. In Vorbildnationen wie Norwegen gibt es ein Grundstipendium unabhängig von sozialem Status und Leistung.

Während in Österreich 81 Prozent der Studierenden weder öffentliche Darlehen, noch Stipendien oder Zuschüsse erhalten, sind es in Norwegen oder Schweden nur 33 bzw. 32 Prozent. Die Situation hat sich in Österreich gegenüber 2006 weiter verschlechtert, gerade die Förderungen für sozial schwächere Studierende sind weiter gesunken. Außerdem zeigt sich, dass die Studienförderung bei sozial schwächeren Studierenden die Unterstützungsleistungen der Familien bei Studierenden aus höheren Schichten nicht ausgleichen kann. Dass es dadurch in den letzten 10 Jahren zu einem weiteren Rückgang des Anteils von Studierenden aus sozial schwächeren Schichten gekommen ist, verwundert unter diesen Voraussetzungen nicht. Die Studierenden Sozialerhebung 2009 belegt, dass die Stipendienbezugsquote in der sozial schwächsten Schicht bei 42,8, in der mittleren Schicht bei 29,5, in der gehobenen Schicht bei 16,6 und in der höchsten (!) sozialen Schicht bei 8,2 Prozent liegt.

Es ist zu klären, wie die Anzahl an Studierenden, die aufgrund ihrer Situation zwar Anspruch hätte, aber durch Unkenntnis des Beihilfensystems, (falschem) Glauben, keinen Anspruch zu haben, etc., keinen Antrag stellt, drastisch zu verkleinern ist.

 

Auch die Kürzung der Forschungsstipendien um 1,4 Mio. Euro muss zurück genommen werden, da sie bedeutet, dass JungwissenschafterInnen die Möglichkeit genommen wird, finanzielle Unterstützung für ihre Forschungsvorhaben zu erhalten. Das wiederum schwächt den Forschungsstandort Österreich und kann für junge AkademikerInnen fatal sein.

 

Es gibt in Österreich über 30.000 Plätze in Studierendenheimen, davon ca. 14.000 in Wien[4]. Die Nachfrage an Heimplätzen übersteigt das Angebot bei Weitem, häufig gibt es endlose Wartelisten. Die Anmeldung für eine Unterkunft muss meistens noch zu Schulzeiten erfolgen. Kontinuierlich steigende Miet- und Betriebskosten stellen Studierende vielfach vor schwer lösbare Probleme. Die Sicherstellung eines Heimplatzes muss ohne Einflussnahme politischer und anderer Beziehungen erfolgen und transparent sein. Kooperationsmodelle zwischen Universitäten, ÖH und Gemeinden zur Verbesserung der Wohnsituation der Studierenden sind dringend notwendig. Eine kostenfreie MieterInnenberatung für Studierende muss risikofreies, alternatives Wohnen (z.B. Wohngemeinschaften) ermöglichen.

 

 

In Österreich bezieht also nicht einmal ein Fünftel der Studierenden eine Studienbeihilfe. Ein Viertel der Studierenden ist in finanziellen Schwierigkeiten. Die Höchststudienbeihilfe liegt unter dem Existenzminimum bzw. unter dem Betrag der geplanten Mindestsicherung und damit deutlich unter der Armutsgefährdungsschwelle bzw. dem Ausgleichszulagenrichtsatz. Das ist beschämend. Es wäre gerade jetzt, wo die Einführung von Studiengebühren wieder im Raum steht, der passende Zeitpunkt, das Stipendiensystem endlich auszuweiten und zu verbessern und damit auf europäisches Niveau zu heben. Regelmäßige Valorisierungen der Förderungen sind zu verankern, eine Anhebung der Einkommensgrenzen ist vorzunehmen sowie die Möglichkeiten zu schaffen, dass Wohnen für Studierende an allen Universitätsstandorten leistbar ist.

 

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesministerin für Wissenschaft wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass ab dem Wintersemester 2011/2012 folgende Punkte umgesetzt sind:

 

1)   Anhebung des Prozentsatzes der StudienbeihilfebezieherInnen von derzeit unter 20 auf mindestens 35 Prozent. 

2)   Erhöhen der Treffsicherheit: Die Stipendienbezugsquote ist in der „niedrigsten sozialen“ Schicht von derzeit 42,8% mindestens 60%, in der „mittleren sozialen“ Schicht von derzeit 29,5% auf mindestens 40% anzuheben.

3)   Anhebung der Höhe der Stipendien um 20% (bei einer Anhebung von 15% würde man die Höchststudienbeihilfe auf den Level des Ausgleichszulagenrichtsatzes heben).

4)   Anhebung der Einkommensgrenzen (zu versteuerndes Einkommen) von derzeit 8000 auf 9000 Euro pro Kalenderjahr (Angleich an die der Familienbeihilfe), um die individuelle Planung der Erwerbstätigkeit zu erleichtern.

5)   Initiativen für leistbares studentisches Wohnen an allen Universitätsstandorten.

6)   Regelmäßige Valorisierung der Förderungen.

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Wissenschaftsausschuss vorgeschlagen.

 



[1] http://ww2.sozialerhebung.at/Ergebnisse/PDF/sozialerhebung_2009_materialien.pdf

[2] Informationsbroschüre für Arbeitgeber als Drittschuldner (Stand 1.1.2010), BM für Justiz

[3] http://derstandard.at/1263706625773/Sozialerhebung-Mehr-Arbeit-mehr-Existenzaengste

[4] BMWF-Studentenheim-Erhebung 2006