1400/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 20.01.2011
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Albert Steinhauser und Harald Walser, Freundinnen und Freunde

 

betreffend die Rehabilitierung von Justizopfern des Austrofaschismus

 

In der Tageszeitung Der Standard vom 20.1.2011 kann man in diesem Zusammenhang lesen:

 

„Geben Sie mir einen versierten Verfassungsjuristen und in einer Woche liegt ein entsprechender Gesetzesentwurf auf dem Tisch.“ […] An der Wissenschaft liege es nicht, Ende des Jahres sollte spätestens ein Gesetz verabschiedet werden, findet Rathkolb:  „Die Republik hat die Bringschuld. Immerhin feiert sie gerade intensiv einen ehemaligen Hochverräter, Bruno Kreisky, dessen Verurteilung nie formal getilgt wurde.“

 

Es heißt in diesem Artikel weiters, dass ein Konzept für die Rehabilitierung der Opfer des Austrofaschismus bereits vor Monaten an Barbara Prammer und Fritz Neugebauer übergeben worden sei. Dies steht in krassem Widerspruch zu den seit über einem Jahr gleich bleibenden Wortmeldungen aus den Regierungsfaktionen. Noch Mitte Juli 2010 ließ Nationalratspräsidentin Prammer als Reaktion auf die Bemühungen der Grünen verlauten: Schnellschüsse seien nicht sinnvoll, „daher ist auch jedes Drängen überflüssig und kontraproduktiv“ (APA0375, 16. 7. 2010.) Der Verweis des Zweiten Nationalratspräsidenten Neugebauer, es sei nötig, „eine seriöse wissenschaftliche Aufarbeitung sicherzustellen“, ist offensichtlich nicht mehr als eine Schutzbehauptung. Denn laut Medienberichten sind die Historiker Oliver Rathkolb, Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Wien, und Helmut Wohnout, Geschäftsführer des Karl-von-Vogelsang-Instituts, bereits seit Frühling 2010 mit einer Neubewertung des Dollfuß-Regimes befasst worden.

Die Gründe für die merkwürdigen politischen Verzögerungen in der Rehabilitierung der Opfer des Austrofaschismus bleiben unklar. Es steht zu befürchten, dass großkoalitionäres Mauscheln die historische Forschung ersetzen soll, was weder dem Niveau der politischen Auseinandersetzung noch der Freiheit der Wissenschaft im Lande zur Ehre gereichen würde.

Dabei war der Nationalrat diesbezüglich schon einmal wesentlich weiter: „SPÖ, ÖVP und Grüne haben im Justizausschuss am Mittwoch einen Schritt Richtung Rehabilitierung der Opfer des Austrofaschismus gemacht. Sie einigten sich darauf, in einem Forschungsprojekt die Justizakten der Jahre 1933 bis 1938 aufarbeiten zu lassen“ (APA0456, 17. 2. 2010). Dieses Forschungsprojekt ist bis heute nicht ausgeschrieben, geschweige denn realisiert worden, ist aber nach wie vor eine unabdingbare Voraussetzung für die politische Rehabilitierung.


Die Grünen haben anlässlich des 75. Jahrestags der Februarkämpfe 1934 eine Initiative zur Rehabilitierung der Justizopfer des Austrofaschismus gestartet. Die Abgeordneten der Regierungsparteien müssen sich endlich entscheiden, ob für Österreich im Jahre 2011 weiterhin die Einschätzung der Kronen Zeitung gelten soll:

„Der Kanzler hat recht, wenn er der Grünen-Forderung nach einer sogenannten Aufarbeitung der Geschehnisse der Jahre 1934 bis 1938 nicht oder nur sehr zögerlich nachkommt. […] Niemand braucht eine sogenannte  ‚Aufarbeitung‘, wenn diese nichts anderes darstellt, als Jahrzehnte nach den Geschehnissen mit hoch erhobenem Zeigefinger klüger sein zu wollen als die Akteure ihrer Zeit. […] Es wäre auch angemessen und fair, dem ermordeten Kanzler Engelbert Dollfuß endlich die ewige Ruhe zu gönnen. Dollfuß hat an Österreich geglaubt und dafür mit dem Leben bezahlt!“ (Kronen Zeitung, 21. 2. 2010)

 

Die Thesen von der „geteilten Schuld“ zwischen Sozialdemokratie und Christlichsozialen oder vom heldenhaften Widerstand des Engelbert Dollfuß (dessen Porträt immer noch den ÖVP-Klub ziert) gegen den Nationalsozialismus weiter am Leben erhalten zu wollen, ist im Lichte des heutigen Forschungstandes schlicht falsch: Die Hauptverantwortung für den blutigen Februar 1934, für das Ende der Demokratie und den daraus folgenden Bürgerkrieg liegt, folgt man seriöser wissenschaftlicher Forschung, eindeutig bei den Christlichsozialen und der Heimwehr. Dollfuß wollte das Parlament auf Dauer ausschalten. Die Tatsache, dass ein Diktator gegen einen anderen, noch gefährlicheren Despoten kämpfte, macht Ersteren nicht zum Demokraten.

 

Fritz Propst, heute 94 Jahre alt, meinte anlässlich einer gemeinsamen Pressekonferenz: „Ich finde, dass diese Urteile aufgehoben gehören“ Dass dies noch nicht geschehen sei, ist „wirklich skandalös.“ Propst war selbst Februarkämpfer, saß mehrmals in Polizeihaft und war ohne Urteil sechs Monate lang im Anhaltelager Wöllersdorf eingesperrt. Propst erinnert unter anderem daran, dass eine Tochter des 1934 hingerichteten Februarkämpfers Karl Münichreiter noch lebe. Für die Hinterbliebenen wäre die Rehabilitierung, argumentiert der 94-Jährige,  „eine große Sache“. Dem ist aus Sicht der Grünen nichts hinzuzufügen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung wird ersucht, ehestmöglich eine öffentlich ausgeschriebene, unabhängige historische Aufarbeitung der Verurteilungen von Justizopfern des Austrofaschismus, insbesondere auch jene, die wegen Handlungen zur Verteidigung der Demokratie und des Rechtsstaats verurteilt wurden, zu veranlassen und zu fördern sowie nach Vorliegen der Forschungsergebnisse für die Herbeiführung von Nichtigkeitsbeschlüssen auf Basis von teilweisen Einzelfallprüfungen der Verurteilungen durch das austrofaschistische Regime zu sorgen.

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuss vorgeschlagen.