1482/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 30.03.2011
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Schatz, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Abschaffung der Freien Dienstverträge

 

Die Rahmenbedingungen von Erwerbsarbeit in Österreich haben sich beginnend mit den 1990ern massiv verändert. Die seit damals betriebene Flexibilisierung des Arbeitsrechtes schuf die Möglichkeit für neue, billigere Arbeitsverhältnisse mit geringerem arbeits- und sozialrechtlichem Schutz. So entstanden unter Mitwirkung der Sozialpartner sogenannte atypische Beschäftigungsformen wie die Freien Dienstverträge.

Ca. 1,5 % aller unselbständig Beschäftigten sind als Freie DienstnehmerInnen tätig, ihre Zahl ist seit Mitte der 1990er-Jahre stark angestiegen – auf 54.000 (2009)[1] und dürfte ohne Gegenmaßnahmen auch in Zukunft noch weiter wachsen.

Nach Angaben der GPA hat sich – neben der legalen Anwendung – auch der Missbrauch diesem neuen Beschäftigungstitel stark verbreitet; die GPA-djp geht davon aus, dass 75 % aller Freien Dienstverhältnisse Umgehungsverhältnisse sind. D. h. die Rahmenbedingungen der Leistungserbringung entsprechen eigentlich der von klassisch unselbstständiger Arbeit, trotzdem wird „nur“ ein billigerer Freier Dienstvertrag abgeschlossen.

Die Umgehung von Anstellungen durch (wissentlich) falsch angewendete Arbeitsverträge ist sehr schwer nachzuweisen. Für betroffene ArbeitnehmerInnen bleibt bisher nur die individuelle Klagemöglichkeit, die viele nicht ergreifen, aufgrund von Informationsmangel oder Angst, weil sie den Verlust ihrer Beschäftigung oder ihres Aufenthaltstitels fürchten.

Während einige ArbeitnehmerInnen eine atypische Beschäftigung als Möglichkeit einer selbstbestimmteren Arbeit wählen, sind andere dazu gezwungen, eine nicht existenzsichernde, äußerst unsichere und prekäre Beschäftigung auszuüben. Nur wenige Junge ohne Versorgungspflichten kommen mit diesem Arbeits- und Lebensmodell auch zurecht. Aber es sind hauptsächlich in der Gesellschaft und am Arbeitsmarkt benachteiligte Gruppen wie Frauen nach der Karenz, MigrantInnen und gering Qualifizierte, die atypisch arbeiten müssen. In letzter Zeit nimmt zudem auch die Zahl an höher Qualifizierten (AkademikerInnen) zu, die unfreiwillig unter solchen Bedingungen erwerbstätig sind.


Am Arbeitsmarkt benachteiligte Personen arbeiten nur in Freien Dienstverträgen, weil es für sie keine anderen Alternativen gibt. Obwohl diese Personen vielfach unter vergleichbaren oder sogar identen Bedingungen und mit vergleichbarer/identer Leistung wie ihre klassisch angestellten KollegInnen arbeiten, gilt für sie das Arbeitsrecht (5 Wochen Mindesturlaub, Entgeltfortzahlung bei Krankheit, kollektivvertraglicher Mindestlohn, etc.) nicht automatisch. Im Regelfall fallen freie DienstnehmerInnen nicht unter das Regime der Kollektivverträge und die dort geltenden Ansprüche (Mindestlohn, 13. und 14. Monatsbezug, etc.). Einkommen und Umsatzsteuer sind vom Freien Dienstnehmer selbst abzuführen. Immer wieder erfahren einzelne Betroffene erst im Nachhinein, dass sie unter solchen Bedingungen beschäftigt wurden bzw. welche Nachteile ihnen aus einem Freien Dienstvertrag erwachsen.

Die Konsequenzen der Freien Dienstverträge sind häufig individuelle und gesellschaftliche (durch die Unterwanderung des wohlfahrtsstaatlichen Solidarsystems) Nachteile. Will man diese verhindern und trotzdem selbstgewollte Flexibilität von Arbeitsbedingungen im Interesse der ArbeitnehmerInnen ermöglichen, muss endlich die längst überfällige Neudefinition des ArbeitnehmerInnenbegriffes stattfinden. Flexibilisierung braucht faire Rahmenbedingungen, ein neuer ArbeitnehmerInnenbegriff kann diese schaffen.

Es geht also bei der Forderung nach Abschaffung der Freien Dienstverträge nicht um ein Zurück zu starren Anstellungsverhältnissen, sondern um die Streichung eines Titels der Lohn- und Sozialdumping massiv erleichtert. 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz werden aufgefordert, dem Nationalrat ehestens, jedoch längstens bis 31. Oktober 2011, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der die Abschaffung der Freien Dienstverträge vorsieht.

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales vorgeschlagen.

 



[1]              Quelle: Statistik Austria, Mikrozensus Arbeitskräfteerhebung.