1586/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 15.06.2011
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Entschliessungsantrag

 

der Abgeordneten Glawischnig-Piesczek, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Schaffung eines generellen Rauchverbots in den Räumen der Gastronomie

 

„Rauchen fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu“ steht seit 2003 auf den Zigarettenverpackungen. Tabakrauch schadet allen Personen, die Rauch einatmen (müssen), also auch PassivraucherInnen, dies wurde bereits 1985 von der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe („MAK-Kommission“[1]) der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) veröffentlicht.

Jährlich sterben 600.000 Menschen durch Passivrauchen[2]. Ein internationales Expertengremium hat im Jänner 2011 eine Studie veröffentlicht, die das globale Ausmaß des Passivrauchens bewertet. Erstmals wurde unter Berücksichtigung der Daten von 192 Staaten der Erde - inklusive Österreichs – berechnet, dass pro Jahr weltweit rund 600.000 Todesfälle durch Passivrauchen verursacht werden. Dabei waren Frauen die am meisten geschädigte Bevölkerungsgruppe: 47 Prozent der Todesfälle durch Passivrauchen ereigneten sich bei Frauen, 28 Prozent bei Kindern.

In Kopfzahlen ausgedrückt sind das etwa 165.000[3] Kinder, das entspricht der Zahl aller Kinder in Tirol und Vorarlberg.

 

Auch das Gesundheitsministerium[4] ist sich im Klaren darüber, dass Tabakrauch mehr als 4.000 Chemikalien, darunter viele krebserzeugende und giftige Substanzen, enthält, und viele Krankheits- und Todesursachen auf die gesundheitsschädigende Wirkung des Tabakrauchs zurückzuführen sind: Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs, chronische Bronchitis und obstruktive Atemwegserkrankungen, erhöhte Fehlgeburtenrate u. v. m., um nur die bekanntesten zu nennen. Laut der Homepage des BMG sterben in Österreich etwa 14.000 Personen jährlich an den Folgen des Tabakkonsums.

 

In Österreich rauchen 29% der Menschen ab 16 Jahren, das sind 1,9 Mio. Menschen[5]. Schwere Tabakabhängigkeit ist eine Krankheit (ICD-10, 17.2), laut EU-Anti-Smoking-Climate 2001 ist Österreich mit Deutschland Schlusslicht beim Problembewusstsein[6]. Vor diesen Fakten die Augen zu verschließen ist unverantwortlich und hat mit Diskriminierung und Stigmatisierung von RaucherInnen nichts zu tun.

Nach den Schätzungen der Statistik Austria sterben 3.200 RaucherInnen jährlich an Lungenkrebs, über 30.000 Menschen an den Folgen tabakassoziierter Krankheiten wie Herz-Kreislauf- und Gefäßerkrankungen, Herzinfarkt, zahlreiche Krebsarten, etc[7].

Die Übergangsfrist der Tabakgesetznovelle für den Umbau von Betrieben der Gastronomie ist mit Ende Juni 2010 ausgelaufen, seither ist klar geregelt, dass in  Lokalen über 50m² ein klar abgetrennter RaucherInnenraum bestehen muss, wenn   das Lokal nicht als NichtraucherInnenlokal geführt wird. Für die Kontrollen der Vollziehung des TabakG sind die Bezirksverwaltungsbehörden zuständig. Ein Erlass[8] an die Landeshauptleute, mit welchem diese zu einer einheitlichen Verfahrens- und  Strafpraxis angehalten werden, wurde vom BMG am 21.06.2010 herausgegeben. Diesem folgend habe sich gezeigt, dass die NichtraucherInnenschutzvorschriften für die Gastronomie bislang nicht zufriedenstellend umgesetzt werden. Das gelte auch für in Einkaufszentren liegende Lokale. Zudem ist die Strafpraxis der Behörden uneinheitlich: ob und in welcher Höhe Strafen in erster Instanz verhängt werden, ist sehr unterschiedlich.

 

Nicht nur Volksanwalt Peter Kostelka ärgert sich über die „folgenlosen Rauchverbote“ bzw. die „Nicht-Anwendung des Tabakgesetzes“[9], die zu enorm vielen Beschwerden führen, sondern auch die vielen KritikerInnen des „zahnlosen“ Gesetzes, wie etwa Gerald Maurer, Chef der Universitätsklinik für Kardiologie an der MedUni Wien am AKH. Er meinte etwa in einer Aussendung: "Die Einführung eines generellen Rauchverbots reduziert die Herzinfarktrate drastisch, innerhalb des ersten Jahres um zehn bis 20 Prozent. (...) Anscheinend reagieren bei uns die Politiker nicht so sehr auf Fakten als auf Lobbyismus. Österreich ist eine 'Insel der seligen Raucher'." Dies könne auch an der Qualität der Politiker liegen[10].

 

Passivrauchen ist definitiv krebserzeugend[11]. Tabakrauch macht schlechte Luft und steht an 1. Stelle der Luftverunreinigungen in Innenräumen. Zwei Stunden im verrauchten Raum wirkt wie eine gerauchte Zigarette[12]. EU-Staaten mit strengem (generellen) Rauchverbot in der Gastronomie sind u.a. Irland (seit 29.3.2004), Belgien (seit 1.1.2010), Bulgarien (seit 1.7.2010), Frankreich (seit 1.1.2008), Island (seit 1.6.2007), Italien (seit 10.1.2005),  Norwegen (seit 1.6.2004), England (seit 1.7.2007), Wales (2.4.2007), Schottland (1.3.2006), Nordirland (30.7.2007).

 

Zuletzt wurde in Ungarn ein generelles Rauchverbot beschlossen[13]. Demnach darf ab 1. Jänner 2012 in Restaurants, Bars, Theatern, am Arbeitsplatz, in öffentlichen Verkehrsmitteln, an Haltestellen sowie auf Spielplätzen nicht mehr geraucht werden, um die Volksgesundheit weiter zu verbessern.

 

Eine erste Bilanz für die Gastronomie in Österreich: Die alte Wiener Kaffeehaustradition ist trotz der  Rauchverbote nicht gefährdet. Das Kaffeehaus überlebt, so auch Berndt Querfeld, Klubobmann der Kaffeesieder, einer der strengsten Kritiker der Novelle: „Es wird kein Kaffeehaus-Sterben geben. Aber es wird Dolchstoßlegenden geben. Kaffeehausbesitzer, die aus diversen Gründen zusperren mussten oder wollten, hat es immer gegeben – und die werden halt jetzt sagen, dass das neue Tabakgesetz schuld sei[14].“ 

 

Interessant sind die Ergebnisse diverser Umfragen im Vergleich: 55 % der ÖsterreicherInnen waren „voll und ganz“ oder „eher“ für ein generelles Rauchverbot  in Lokalen, so eine Meinungsumfrage[15] im Jänner 2010. Diese entstand etwa zur selben Zeit, als die Daten der Ergebnisse der Evaluierung des Tabakgesetzes, die BM Stöger in einer Pressekonferenz am 8.04.2010 gemeinsam mit der Geschäftsführerin des IFES präsentierte, erhoben wurden. Laut dieser Studie seien nur 19 % der Befragten für ein generelles Rauchverbot. Tatsächlich hatte sich auch in dieser Studie (wie in Österreich bei vorangegangenen, europaweiten Umfragen) eine Mehrheit für ein Rauchverbot ergeben, was vermutlich dem Auftraggeber nicht passte, sodass die üblichen 4 Antwortkategorien (sehr bzw. eher dafür oder dagegen) in nur 3 Kategorien geändert wurden. Mit dieser Zusammenfassung von „eher nein und eher ja“ Antworten gelang die Schaffung einer großen Mittelgruppe, die bei der Präsentation der Ergebnisse einfach weggelassen wurde, sodass man nur mehr über entschiedene Rauchgegner sprechen musste und diese als Minorität bezeichnen konnte.zu.

 

Das WHO-Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakkonsums wurde am 21. Mai 2003 beschlossen und von Österreich am 15.9.2005 ratifiziert. Es trat am 14.12.2005 in Kraft. „Eindämmung des Tabakkonsums“ ist definiert als „eine Reihe von Strategien zur Verminderung des Angebots, der Nachfrage und des Schadens mit dem Ziel der Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung durch Unterbindung oder Vermeidung des Konsums von Tabakerzeugnissen und des Passivrauchens.“ Auch beim Artikel 5.3 und beim Artikel 8 ist Österreich seit 14.12.2010 vertragsbrüchig.     

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Der Bundesminister für Gesundheit wird aufgefordert, dem Nationalrat bis spätestens 1. Dezember 2011 eine Novelle des Tabakgesetzes zur Beschlussfassung vorzulegen, die in den Räumen der Gastronomie ein generelles Rauchverbot vorsieht.

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gesundheitsausschuss vorgeschlagen.



[1] http://www.dfg.de/dfg_profil/gremien/senat/gesundheitsschaedliche_arbeitsstoffe/index.html

[2] APA0412 5 CA 0368 XA Mo, 17.Jän 2011

[3] http://www.wissenschaft-online.de/artikel/1055647

[4] http://bmg.gv.at/home/Schwerpunkte/Drogen_Sucht/Tabak_Rauchen/Massnahmen_zum_NichtraucherInnenschutz

[5] Gesundheitsbefragung 2006/2007 (Statistik Austria)

[6] Institut für Sozialmedizin der Universität Wien; Prof Michael Kunze

[7] Krebsmortalität in Österreich 2010, Gesundheitsstatistik 2008 (Statistik Austria)

 

[8]http://bmg.gv.at/cms/home/attachments/9/9/8/CH1041/CMS1157723700705/erlass_des_bmg_-_verstoesse_gegen_die_nichtraucherschutzbestimmungen_fuer_die_gastronomie_%282%29.pdf

[9] Der Standard, Printausgabe vom 29. April 2011, S 10

[10] APA0236 5 CI 0435 XI Mo, 21.Feb 2011

[11]http://www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/gremien/senat/arbeitsstoffe/passivrauchen_und_mak.pdf

[12] Gesundheitsbefragung 2006/2007, Arbeitskräfteerhebung 2007, Statistische Nachrichten 11/2000 (Statistik Austria)

 

[13] APA0525 5 CA 0154  Di, 26.Apr 2011

[14] http://www.ak-vorarlberg.at/bilder/d131/AKZnueneRauchen.pdf

[15] http://www.meinungsraum.at/data/File/Presseaussendung_meinungsraum.at_Nichtraucherschutz.pdf