1592/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 15.06.2011
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

des Abgeordneten Dr. Walser, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Anpassung der Leistungsbeurteilungsverordnung (LBVO)

 

Die Abschaffung der Ziffernoten zumindest in der Volksschule ist mehr als überfällig. Die Leistungsbeurteilungsverordnung (LBVO) stammt aus dem Jahr 1974 (mit der letzten Änderung aus dem Jahr 1997). Entsprechend veraltet ist sie. Wichtige Neuerungen der Pädagogik und Didaktik finden keinen Wiederhall in der Verordnung, etwa eine Anpassungen in den Bereichen Kompetenzorientierung und moderne Leistungsfeststellungsmethoden oder Transparenz und Beurteilungs-gerechtigkeit.

 

Die LBVO gibt die Rahmenbedingungen für die Möglichkeiten und Grenzen der Beurteilung und Bewertung von SchülerInnenleistungen vor. Dies geschieht in einer klaren Unterscheidung zwischen Leistungsfeststellung einerseits und Informationsfeststellung andererseits, sowie in der expliziten Auflistung von Formen der Leistungsfeststellungen („Feststellung der Mitarbeit der Schüler im Unterricht, mündliche Prüfungen, mündliche Übungen, Schularbeiten, schriftliche Überprüfungen (Tests, Diktate), besondere praktische Leistungsfeststellungen und besondere graphische Leistungsfeststellungen“).

 

Die wichtige Unterscheidung von Leistungs- und Informationsfeststellung ist nicht präzise formuliert und gibt Anlass für Missverständnisse. Es muss eine klare Trennung zwischen Zeiten geben, in denen SchülerInnen Fehler machen dürfen, um aus ihnen zu lernen, und jenen Zeiten, in denen es um das möglichst fehlerfreie Erbringen von Leistungen geht. Dem Ziel der Diagnostik der SchülerInnenleistungen geschuldete Verfahren, die den Lehrenden helfen sollen, ihren Unterricht anzupassen, müssen von Formen der Wissens- und Kompetenzüberprüfung zur Leistungsfeststellung klar getrennt sein.

 

Darüber hinaus schränkt die taxative Aufzählung einzelner zu benotender Formate den Handlungsspielraum der LehrerInnen ein. Damit wird der Freiraum für eine individuellere Gestaltung der Leistungserbringung der SchülerInnen, wie er auf Grund einer Individualisierung der Lernprozesse nötig ist, eingeschränkt.

 

LehrerInnen können ihr Angebot an SchülerInnen, wie diese das Ergebnis des Lernprozesses dokumentieren, durch die engen Vorgaben der LBVO nicht erweitern. Die kognitive, soziale und emotionale Entwicklung von SchülerInnen wird durch die gängige Benotungspraxis nicht gefördert. Um Freude an eigenen Lernfortschritten


erleben zu können und mit Begeisterung den eigenen Horizont zu erweitern, sind moderne pädagogisch-didaktische Konzepte notwendig. Diese verlangen nach einem größeren Spielraum in der Verwendung von Leistungsfeststellungen und Benotungen, wie zum Beispiel:

·      2-Phasen-(Schul)Arbeiten

·      Portfolio

·      Pensenbuch

·      Kommentierte direkte Leistungsbeurteilung (KDL)

·      Lernziel-Orientierte-Beurteilung (LOB)

·      Kooperatives Arbeiten (Gruppenarbeiten)

 

Manche dieser alternativen Formen sind aber, wenn sie zur Benotung herangezogen werden sollen, derzeit nur mit Ausnahmegenehmigungen oder im Rahmen eines Schulversuchs möglich. Es ist daher nötig, die LBVO so anzupassen, dass diese Formen der Leistungsbeurteilung im Rahmen des Unterrichts ohne weitere Genehmigungen angewandt werden können. Um eine Koordinierung der Methoden zu gewährleisten und eine Überforderung der SchülerInnen durch eine Vielzahl unterschiedlicher Anforderungen zu vermeiden, reicht eine Entscheidung am Schulstandort selber aus. Diese kann vom KlassenlehrerInnenteam oder letztverantwortlich durch die Direktion erfolgen.

 

Da des Weiteren noch nicht absehbar ist, welche Formen der Leistungsbeurteilung durch neue Erkenntnisse in der Pädagogik und Didaktik entwickelt werden, soll die LBVO nicht mehr wie bisher eine taxative Auflistung beinhalten, sondern vielmehr den Rahmen für Möglichkeiten der Leistungsbeurteilung abstecken. Dafür sind Grundsätze der modernen Pädagogik zu berücksichtigen, wie sie etwa in den Broschüren „Förderliche Leistungsbeurteilung“ von Thomas Stern oder „Prüfungskultur“, herausgegeben von der Arbeitsgruppe Prüfungskultur des Projekts IMST, angeführt werden.

 

Auch stammt die LBVO noch aus einer Zeit, in der die Orientierung weg von reinem „Faktenwissen“ hin zu Kompetenzmodellen großteils noch nicht begonnen hat. Aus der Zeit ihrer Entstehung ist auch die Tatsache zu erklären, dass die LBVO keine Anklänge an die Bildungsstandard-Überprüfung oder die teilzentrale schriftliche Reifeprüfung enthält. Gerade aber für diese bedeutenden Herausforderungen an PädagogInnen muss sich die LBVO an Kompetenzmodellen orientieren (wie sie z.B. auch den Bildungsstandards zugrunde liegen). Nicht zuletzt sind es die Ansprüche der Industrie und der Wirtschaft,  die sowohl Teamfähigkeit als auch ein verstärktes Durchhaltevermögen der ArbeitnehmerInnen  erwarten.  Neue Formen der Leistungserbringung der Lernenden können auf diese Anforderungen besser reagieren.

 

Ebenso muss in einer modernen LBVO die Vorgabe für eine aussagekräftige und transparente Beurteilung der SchülerInnenleistungen enthalten sein. Dafür sind entsprechende Vereinbarungen zwischen den Lehrkräften und den SchülerInnen am Anfang jedes Schuljahres verpflichtend vorzuschreiben. Diese „Beurteilungs-Vereinbarungen“ müssen so gestaltet werden, dass sie eine echte Orientierungshilfe und Handlungsanleitung für SchülerInnen sind – die jetzt teilweise übliche Praxis von Prozentwertungsangaben für Schularbeiten, Tests, Mitarbeit etc. sind dafür sicher nicht ausreichend. Vielmehr müssen zumindest die Stoffgebiete, die erwarteten Kompetenzstufen und die  möglichen Formen der Überprüfung der Erreichung dieser Kompetenzstufen enthalten sein.


In der LBVO finden sich auch die Notendefinitionen. Diese sind schon jetzt mit den angewandten Leistungsbeurteilungen bei genauer Auslegung nicht kompatibel. Viele Testformate bieten Lernenden gar nicht die Möglichkeit, in einem  „weit über das Wesentliche hinausgehendem Ausmaß“ (Definition für ein „sehr gut“) Leistung zu erbringen.

Darüber hinaus ist auch aus einschlägigen Studien bekannt, dass die auf Ziffernnoten reduzierte Beurteilung von SchülerInnenleistung keineswegs einheitlich erfolgt. Ein und dieselbe SchülerInnenarbeit wird von unterschiedlichen Lehrkräften sehr unterschiedlich bewertet (das kann von „Sehr gut“ bis „Nicht genügend“ reichen).

 

Schulnoten haben in vielen Bereichen auch negative Rückwirkungen auf das Lernen, sie führen zu einem verstärkten „learning to the test“, fördern die extrinsische über die intrinsische, sachorientierte Motivation, befördern oberflächliche Lernstrategien und sind vor allem für lernschwache SchülerInnen häufig eine Entmutigung. Daher ist der Einsatz dieser fünfstufigen Skala weitestgehend und so lange wie möglich zu vermeiden und jedenfalls in der Volksschule gänzlich zu streichen. Selektive Prozeduren und Noten sollen, wenn unbedingt nötig, erst dann eingesetzt werden, wenn es um Berechtigungen für weiterführende Bildungswege (also an den Nahtstellen des Bildungssystems) und Zertifikate geht. Wobei derartige Nahtstellen innerhalb des Bildungssystems möglichst zu vermeiden sind und der derzeitige Übergang von der Volksschule in die Sekundarstufe I keine solche Nahtstelle darstellen soll.

 

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass in der LBVO durchgehend die männliche Form (Schüler, Lehrer) verwendet wird. Eine Anpassung an eine gendergerechte Formulierung ist mehr als überfällig.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, die derzeit gültige Leistungsbeurteilungsverordnung im Sinne der Begründung anzupassen, und dabei insbesondere folgende Punkte zu beachten:

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Unterrichtsausschuss vorgeschlagen.