1602/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 16.06.2011
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

des Abgeordneten Pirklhuber, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Verbot von Glyphosat und POEA  (polyethoxyliertes  Tallowamin)

 

 

Glyphosat ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Unkrautbekämpfungsmittel. Glyphosat ist ein nicht-selektives Blattherbizid mit systemischer Wirkung, das über grüne Pflanzenteile aufgenommen wird. Es wird gegen einkeim- und zweikeimblättrige Unkräuter im Acker-, Wein- und Obstbau, beim Anbau von Zierpflanzen, auf Wiesen, Weiden und Rasenflächen sowie im Forst verwendet. UmweltschützerInnen  warnen seit Jahren vor den Gefahren, die von dem giftigen Präparat ausgehen.  Wissenschaftliche Erkenntnisse in Bezug auf Oberflächen- und Sickerwässer und damit nachfolgend in Bezug auf das Grundwasser legen eine Neubewertung der Glyphosatanwendung nahe.

Im Rahmen des EDISSOC-Projektes wurden 2008 Glyphosatkonzentrationen im Sickwasser gemessen, die bis zum 80fachen über dem Trinkwasser-Grenzwert lagen. Im Bericht wird festgehalten: „Der Nachweis von Glyphosat im Sickerwasser zeigt jedoch, dass die Substanz prinzipiell von Agrarflächen ins Grundwasser gelangen kann (leaching). Im Hinblick auf die Exposition gegenüber anderen Umweltchemikalien und den weitgehend unerforschten Kombinationswirkungen von Chemikaliengemischen sollte die Exposition auf Basis des „precautionary principle“ so gering wie möglich gehalten werden.“[1] Die Datenlage legt nahe, dass bei andauernder und großflächiger Anwendung von Glyphosat letztlich die Grundwasserkörper sehr stark Gefahr laufen, über den Trinkwassergrenzwert von 0,1 μg kontaminiert zu werden und somit für die Trinkwasservorsorge verloren zu gehen.

 

In den letzten Jahren fanden sich zahlreiche Hinweise auf negative Wirkungen von Glyphosat auf trächtige Ratten, die Spermienbildung bei Kaninchen und auf die Nieren von Mäusen (zitiert in Benachour et al. 2007). Dosisabhängig wurden  vermehrt  DNA-Strangbrüche  und  Zellkernveränderungen bei Erythrocyten von Goldfischen beobachtet (Cavas & Könen 2007). Marc et al. (2004) beschrieben


negative Effekte auf die DNA-Synthese und Zellteilung bei  Seeigel-Embryonen  durch  Roundup3plus.  In  Zelllinien  (rat  hepatoma  tissue  culture)  führte  niedrigdosierte Glyphosat-Behandlung zu Veränderungen der Lysosomen  und  der  Mitochondrienmembranen  sowie zu morphologischen und funktionellen Veränderungen der Zellkerne (Malatesta et al. 2008). Zell- und gentoxische Effekte fanden sich auch in Studien mit menschlichen Zellen, so wurden vermehrt Chromosomen-Aberrationen nachgewiesen (Monroy et al. 2005, Lioi et al. 1998).

Glyphosat,   POEA   (und   AMPA)   schädigen menschliche Zellen und führen zu deren raschem Absterben,  selbst  bei  Konzentrationen,  wie  sie  in  der agronomischen   Praxis   auftreten   können;   außerdem wurden   anti-östrogene   und   anti-androgene   Effekte beschrieben, die zu endokrinen Störungen führen (Benachour  et  al.  2007,  Benachour  &  Seralini  2009,  Gasnier  et  al.  2009).

DNA-Fragmentierung, Schrumpfung und Fragmentierung der Zellkerne wurden beobachtet. Die Hemmung des Enzyms Aromatase  das  Androgene in Östrogene umwandelt und daher eine zentrale Rolle bei der Östrogen-Produktion und damit bei der Keimzellbildung und Fortpflanzung spielt, wird als besonders  problematisch gesehen. Unter  den getesteten Roundup-Versionen (R450, R400, R360, R7.2) erwiesen sich R400 und POEA als besonders toxisch. Glyphosat allein war in  der Regel weniger  toxisch, was auf eine durch die POEA (bzw. Formulierungsmittel) induzierte zusätzliche Toxizität hinweist, die mit der durch POEA erleichterten Aufnahme von Glyphosat durch die Zellmembranen in Verbindung gebracht wird. Für die Autoren der genannten Arbeiten steht Roundup damit im Verdacht, die menschliche Fortpflanzung und Embryonalentwicklung zu stören, zudem würden toxische Effekte und hormonelle Wirkungen der Formulierungen bislang unterschätzt.  Glyphosat steht darüber hinaus im Verdacht, bestimmte Krebserkrankungen wie das Non-Hodgkin-Lymphom (Krebserkrankung des lymphatischen Systems) zu  fördern (Eriksson et al. 2008) und die Entstehung von Hauttumoren zu begünstigen (George et al. 2010). Glyphosat beeinträchtigt selbst bei niedrigen Dosen die Embryonalentwicklung von Fröschen und Küken erheblich. Behandelte Embryos zeigten eine abnorme Entwicklung und  Missbildungen insbesondere im Kopfbereich und Nervensystem (Paganelli et al. 2010) und (Carrasco et al. 2010)

 

Aus Gründen des Schutzes der Umwelt, der Biodiversität und der Gesundheit des Menschen ist es dringend geboten, den Einsatz von Glyphosat und POEA  (polyethoxyliertes  Tallowamin) zu verbieten. Dies gilt auch für den Haus und Gartenbereich sowie für Verkehrswege im weitesten Sinne (Straßen, Wege und Plätze, Feldwege, Gleisanlagen, Flughäfen).

Nach Berichten des Deutschen Naturschutzbundes hat die Universität Leipzig Futtermittel für Nutz- und Haustiere untersucht und darin Rückstände von Glyphosat gefunden. Es ist derzeit vollkommen unklar, welche Mengen an Glyphosat, AMPA und Tallowamin die österreichischen KonsumentInnen über die unterschiedlichen Pfade der Nahrungskette konsumieren. Um eine angemessene Vorsorge zu treffen und Risiken für die menschliche Gesundheit zu minimieren, ist  ein Screening auf Rückstände an Glyphosat, AMPA und Tallowamin in Fleisch, Milchprodukten, Eiern, aber auch Futtermittelimporten erforderlich.

 


Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung insbesondere der Bundesminister für Land und Forstwirtschaft werden ersucht, im Sinne des Vorsorgeprinzips,

 

1)   Eine Neubewertung des Einsatzes von glyphosat-hältigen Pflanzenschutzmitteln in der österreichischen Landwirtschaft und im öffentlich Raum auf Basis der neuen Erkenntnisse durchzuführen

 

2)   Die Auswirkungen glyphosat-hältiger Pestzide, sowie deren Abbauprodukt AMPA auf Futtermittel, insbesondere importiertem Soja zu evaluieren und deren Auswirkungen im Rahmen der Tiermast zu überprüfen

 

3)   Den besonderen Einfluss von Zuschlagstoffen, wie POEA  (polyethoxyliertes  Tallowamin) zu analysieren und einer Risikobewertung zuzuführen, sowie 

 

4)   Bis zum Vorliegen dieser Untersuchungen und Neubewertungen ein Verbot Glyphosat-hältiger Pflanzenschutzmittel in Österreich auszusprechen.

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft vorgeschlagen.

 



[1] Einfluss unterschiedlicher Bodenbearbeitungssysteme auf Kohlenstoffdynamik, CO 2-Emissionen und das Verhalten von Glyphosat und AMPA im Boden Effects of Different Soil management Systems on Carbon Sequestration, CO 2  Emissions and Behaviour of Glyphosate and AMPA in Soils ,„EDISSOC”, Abschlussbericht, S. 283