1637/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 08.07.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

der Abgeordneten Schatz, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Definition und Aufnahme von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen in die Liste der Berufskrankheiten

 

 

Dem Tätigkeitsbericht der Arbeitsinspektorate (III-178 d.B.) zufolge soll der ArbeitnehmerInnenschutz in Zukunft weiterentwickelt und verbessert werden. Nachdem die Anzahl der Invaliditätspensionen in Folge psychischer und psychosomatischer Erkrankungen bereits seit Jahren stark ansteigt, soll nun gemäß Minister Hundstorfer die Evaluierung psychosozialer Gefährdungen und Belastungen am Arbeitsplatz vorangetrieben werden.

 

Diese Entwicklungen zeigen, dass sich die Arbeitswelt längst verändert hat – während es gelungen ist, durch verbesserte Technologien die Anzahl der Arbeitsunfälle einzudämmen, steigt auf der anderen Seite die Zahl der psychischen und psychosomatischen Erkrankungen rapide an. Stressforscher halten die Arbeitswelt für ungemütlicher als früher, der raue Wettbewerb lässt leistungsschwächere Menschen auf der Strecke. Handy und Internet verpflichten zur ständigen Verfügbarkeit. Verantwortung wird zunehmend von Vorgesetzten an MitarbeiterInnen abgegeben, vielfach ohne adäquaten Einkommensausgleich.

 

In Österreich leiden 47 Prozent der ArbeitnehmerInnen unter zu hohem Arbeitstempo. Im EU-Vergleich ist mehr als ein Viertel aller ArbeitnehmerInnen, 41 Millionen Beschäftigte, von Stress am Arbeitsplatz betroffen. Stress ist somit nach Rückenschmerzen auch das zweitgrößte berufsbedingte Gesundheitsproblem in der europäischen Union.

 

Bereits zwischen 50 und 6  Prozent der Fehlzeiten am Arbeitsplatz sind in Österreich auf Symptome von Stresserkrankungen zurückzuführen. 54 Prozent der Bevölkerung fühlen sich unter Zeitdruck. Jeder Mensch ist Belastungen und Stress ausgesetzt, doch wenn es über zu lange Zeit zu groß wird, wird die Überforderung gefährlich. In Österreich sind rund eine Million Menschen stark Burn-out-gefährdet. Die Betroffenen leiden meist unter chronischen Erschöpfungszuständen, Schlafstörungen und Depressionen.

 

Eine Berufskrankheit ist eine Krankheit, die durch die berufliche (versicherte) Tätigkeit verursacht worden ist und nach dem jeweils geltenden Recht auch formal als Berufskrankheit anerkannt ist. Zu den typischen Berufskrankheiten zählen derzeit


Lärmschwerhörigkeit, Hautkrankheiten, Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparats sowie Erkrankungen durch anorganische Stäube (Asbestose und Silikose). Psychische Erschöpfungszustände, wie das Burnout-Syndrom, psychische Störungen oder psychiatrische Erkrankungen zählen bislang nicht zu den Berufskrankheiten.

 

Bei der Anerkennung von Berufskrankheiten gilt das so genannte Listenprinzip: Die anerkannten Berufskrankheiten sind abschließend in einer amtlichen Liste aufgezählt. Krankheiten, die nicht in der Liste geführt werden, gelten – von Ausnahmen abgesehen – nicht als Berufskrankheiten und werden daher auch nicht durch die gesetzlichen Sozialversicherungsträger finanziell entschädigt.

 

Die Definition und Aufnahme von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen in die Liste der Berufskrankheiten gemäß § 177 Abs. 1 des österreichischen Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) ist trotz der bereits seit längerem andauernden Veränderungen in der Arbeitswelt immer noch ausständig. Die so genannte Generalklausel im ASVG (gem. § 177 (2)), welche Ausnahmen von der Liste zulässt, ist von ihrem Ansatz her ebenfalls veraltet, z.B. wird der Faktor „Stress“ komplett ausgeblendet.

 

Das österreichische ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (AschG) sieht eine Gefahrenevaluation mit dem Ziel der Prävention von Berufskrankheiten vor. Berufskrankheiten entstehen auf Grund von gesundheitsschädigenden Arbeitsbedingungen und Arbeitsstoffen im Betrieb. Wenn diese und die gefährdeten Dienstnehmer erfasst und periodisch kontrolliert werden, können die Verantwortlichen das Risiko von gefährlichen Krankheiten abschätzen und dagegen vorbeugen. Dazu gehören die Untersuchung der Arbeitsbedingungen, die Untersuchung der gefährdeten Arbeitnehmer sowie organisatorische, technische und persönliche Schutzmaßnahmen im Betrieb. Auch im Bereich dieser Prävention werden psychosozialer Belastungen und Gefährdungen derzeit noch nicht berücksichtigt.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz wird ersucht, auf Grund der bereits seit längerem veränderten Arbeitsprozesse die Überarbeitung der Bestimmungen für Berufskrankheiten und deren Prävention voranzutreiben und insbesondere

 

·        die Liste der Berufskrankheiten im ASVG (gem. § 177 (1)) um psychische/psychosomatische Erkrankungen erweitern;

 

·        die so genannte Generalklausel im ASVG (gem. § 177 (2)) um Faktoren, welche die psychische Gesundheit beeinträchtigen (wie z.B. Stress) zu ergänzen.

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales vorgeschlagen.