1689/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 12.10.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Daniela Musiol, Wolfgang Pirklhuber, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Direkte Demokratie

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Zwingende Volksabstimmung nach ausreichend unterstütztem Volksbegehren und Vetoreferendum

 

Österreich gehört gemäß dem Ratingbericht zu direktdemokratischen Verfahren und Praktiken 2002 des Initiative & Referendum Institute Europe zu den „Vorsichtigen“ und landet damit in der dritten von sechs Kategorien. Dies ist insbesondere dem Umstand geschuldet, dass das Volk zwar begehren kann, also Anliegen an das Parlament herantragen kann, aber eine Volksabstimmung über einen Gesetzesvorschlag (auch einen des Volkes) nicht erzwingen kann. Damit liegt es allein in den Händen des Nationalrats, ob ein Volksbegehren, sei es auch noch so hoch unterstützt, umgesetzt wird. Viele UnterstützerInnen von Volksbegehren wurden dergestalt schon frustriert, viele BürgerInnen Österreich fühlen sich ohnmächtig gegenüber den gewählten RepräsentantInnen. Eine Ohnmacht, die im Verein mit den aktuellen Skandalen, in eine grundsätzliche Demokratiefeindlichkeit münden kann. Das Bundes-Verfassungsgesetz sollte daher seinem ersten Artikel – „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“ - auch echte Angebote zur Mitwirkung folgen lassen.

 

BürgerInnen sollen ein Gesetz  initiieren und - bei entsprechend hoher Unterstützung – auch darüber abstimmen können. Eine solche „Volksgesetzgebung“ darf den Grund- und Menschenrechten nicht widersprechen und muss der Zuständigkeitsverteilung zwischen der Europäischen Union und Österreich folgen. Mit einem amtlichen Abstimmungsbuch und anderen Instrumenten muss eine sachliche Auseinandersetzung und ein Informationsgleichgewicht sichergestellt werden. Die Zahl der UnterstützerInnen, die eine Volksabstimmung auslösen, sollte sich  an den Hürden der repräsentativen Demokratie orientieren (wie zB der für den Einzug im Nationalrat notwendigen Stimmenanzahl). Abhängig soll diese Zahl auch davon sein, wie sehr die Unterstützungsleistung gegenüber dem Status quo erleichtert wird. Derzeit müssen UnterstützerInnen vor dem Gemeindeamt die Unterschrift leisten, Unterstützungen online oder per Brief sind nicht möglich. Ebenso sollte eine Volksabstimmung aus Anlass eines Volksbegehrens erst ab einer bestimmten Mindestteilnahme verbindlich sein. Dieses direkt-demokratische Instrument sollte auch für die Landesebene vorgesehen werden.


BürgerInnen sollen weiters das Recht haben, auf Bundes- und auf Landesebene innerhalb einer bestimmten Frist eine Volksabstimmung über einen gefassten Gesetzesbeschluss auszulösen (Vetoreferendum). Wird der Gesetzesbeschluss in der Volksabstimmung nicht mit der unbedingten Mehrheit der abgegebenen Stimmen bestätigt, so tritt er nicht in Kraft. Hinsichtlich der notwendigen Zahl an Unterstützungen und den inhaltlichen Voraussetzungen gilt das oben Gesagte.

 

Derartige Änderungen des Bundes-Verfassungsgesetzes müssten gemäß Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. 6. 2001 (G 103/00) einer Volksabstimmung unterzogen und von der unbedingten Mehrheit der gültig abgegebenen Stimmen bestätigt werden.

 

Die Grünen haben bereits 1987 einen Antrag für eine durch Volksbegehren ausgelöste Volksabstimmung eingebracht (Antrag der Abg. Blau-Meissner und Freunde, Nr 68/A vom 4. Juni 1987). Ebenso wurde im Österreich-Konvent 2003 – 2005 mittels Textvorschlägen ein Ausbau direkt-demokratischer Rechte (siehe www.konvent.gv.at) gefordert.

 

Andere verfassungsrechtliche Erweiterungen direkt-demokratischer Rechte

 

Das Volksbegehren muss derzeit eine durch Bundesgesetz zu regelnde Angelegenheit betreffen. Volksbegehren sollen sich auch auf Vollzugsakte richten können, dh auf die Erlassung einer Verordnung, allenfalls auch regionale Verordnungen wie etwa einen Maßnahmenplan nach dem Immissionsschutzgesetz-Luft und auf Einzelakte. Es versteht sich von selbst, dass derartige Begehren nur gesetzeskonforme Vollzugsakte verlangen können. Mit dem Beitritt zur Union ist für die Mitglieder der Bundesregierung eine weitere Handlungsebene hinzukommen, die Mitwirkung an der europäischen Normsetzung im Europäischen Rat und im Rat. Auch auf dieses Handeln sollten sich Volksbegehren beziehen können. Dies alles wird gleichermaßen auch für Volksbefragungen gefordert. Klargestellt wird, dass über derartige Volksbegehren, die keinen Gesetzestext zum Gegenstand haben, keine Volksabstimmung ausgelöst werden kann.

 

Seit Einführung der Volksbefragung 1988 wurde noch keine solche durchgeführt. Das Ergebnis der Volksbefragung ist unverbindlich. Sie kann derzeit nur von den Regierenden ausgelöst werden (Beschluss des Nationalrats auf Antrag von NR-Abgeordneten oder der Bundesregierung). BürgerInnen sollen eine Volksbefragung initiieren können, um diese Schieflage zu beenden.

 

Die Anfechtung von Ergebnissen von Volksabstimmungen, Volksbegehren und Volksbefragungen beim Verfassungsgerichtshof ist derzeit nur für die direktdemokratischen Instrumente auf Bundesebene vorgesehen. Auch wenn der Verfassungsgerichtshof solche Anfechtungen auch für die Landes- und Gemeindeebene zugelassen hat, ist eine explizite Regelung in der Verfassung wünschenswert. Da der Rechtsschutz für die InitiatorInnen von direkt-demokratischen Instrumenten in den Ländern völlig unterschiedlich geregelt ist, sollte das Bundes-Verfassungsgesetz ein Mindestniveau sicherstellen.

 

Andere (einfachgesetzliche) Verbesserungen des Volksbegehrens

 

Wie schon oben erwähnt, soll die Unterstützung von Volksbegehren und die Teilnahme an Volksbefragungen erleichtert werden. Während im Wahlrecht 2007 die Briefwahl zugelassen wurde, müssen die BürgerInnen bei Volksbegehren und Volksbefragungen jedenfalls vor dem Gemeindeamt erscheinen. Die Brief- und auch die online-Unterstützung sollte ermöglicht werden.

 


Wir fordern seit Jahren, dass Menschen unabhängig von der Staatsbürgerschaft dort politisch mitentscheiden können, wo sie leben. Das muss auf Wahlen (etwa das kommunale Wahlrecht für MigrantInnen) aber auch auf direkt-demokratische Instrumente zutreffen. EU-BürgerInnen sollten jedenfalls so weit wie möglich zu direkt-demokratischen Instrumenten Zugang haben.

 

In der Schweiz ist es Initiativen auf Bundesebene erlaubt, 18 Monate die notwendigen 100.000 Unterschriften zu sammeln. In den deutschen Bundesländern beträgt die (amtliche) Eintragungsfrist  für Volksbegehren zwischen 14 Tagen und 6 Monaten (Stand Oktober 2006, nach Gerald Häfner, Erfahrungen, Stand und Perspektiven der direkten Demokratie in Deutschland und Österreich, in: Jos Verhulst & Arjen Nijeboer, Direkte Demokratie (2007)).  Gemäß dem österr. Volksbegehrensgesetz beträgt die Frist nur 8 Tage. Die Eintragungsfrist sollte aber  mindestens vierzehn Tage betragen.

 

Volksbegehren sind eine Bereicherung der Demokratie. Die Regierenden müssen diese Herausforderungen konstruktiv annehmen und das Volk auch in die Lage versetzen, sich zu artikulieren und zu vernetzen sowie über ihr Begehr zu informieren. Den InitiatorInnen des Volksbegehrens sollte daher eine entsprechende Kostenrückerstattung im Verhältnis zur Zahl der Unterstützungen analog zur Wahlkampfkostenerstattung zustehen. Formen der (partiellen) Rückerstattung (bzw. Vorfinanzierung) im Falle von Initiativen und Abstimmungen  existieren in einer Reihe von Staaten, u.a. in Spanien, Polen, Schweden und in einzelnen Bundesländern Deutschlands. Auch in Österreich gibt es eine Kostenrückerstattung für erfolgreiche VB. Dieser Pauschalbetrag  macht über € 10.000,-- aus, unabhängig davon wie viele Unterstützungen das VB erreicht hat.

 

Der Wert direktdemokratischer Instrumente hängt wesentlich von einer sachlichen Berichterstattung und Diskussion ab. Aus diesem Grund sollten Instrumente entwickelt werden, um die sachliche Berichterstattung in den Medien zu befördern. Jedenfalls sollte bei Volksabstimmungen generell eine Pro und Contra-Broschüre nach dem Schweizer Vorbild (Abstimmungsbuch) verpflichtend werden. Ähnliches muss für das Volksbegehren und die Volksbefragung geschaffen werden.

 

Vorgaben für das Gesetz zur Europäischen Bürgerinitiative

 

Die Verordnung über die Bürgerinitiative vom 16. Feber 2011 gilt ab 1. April 2012. Bis zu diesem Zeitpunkt muss auch für Österreich ein Begleitgesetz beschlossen und in Kraft gesetzt werden. Aus grüner Sicht sollte die Sammlung von Unterschriften möglichst einfach sein und für die InitiatorInnen – wie auch bei Volksbegehren derzeit schon bestehend – ein Kostenersatz vorgesehen werden. Die Vorgaben der VO zur Sicherung des Datenschutzes sollten effektiv umgesetzt werden.

 

Im Zuge der Behandlung der entsprechenden Regierungsvorlagen wird auch die Geschäftsordnung des Parlaments zu ändern sein, um die online-Unterstützung der parlamentarischen Bürgerinitiative (§§ 100 ff GOGNR) sowie die verpflichtende Beiziehung der VertreterInnen einer ausreichend unterstützten parlamentarischen Bürgerinitiative zu den parlamentarischen Beratungen vorzusehen.

 

Die Grünen treten weiters dafür ein, dass auch auf europäischer Ebene Volksabstimmungen vorgesehen werden.

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 


ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und die Bundesministerin für Inneres, wird aufgefordert

 

1.            zur Erweiterung der direkt-demokratischen Instrumente dem Parlament einen Entwurf zur Novellierung des Bundes-Verfassungsgesetzes vorzulegen,

 

a)            damit auf Bundes- und auf Landesebene ausreichend unterstützte Volksbegehren in Form eines Gesetzestextes zwingend einer Volksabstimmung unterzogen werden müssen, wobei sicherzustellen ist, dass die Grund- und Menschenrechte sowie die Zuständigkeitsverteilung zwischen Europäischer Union und Österreich beachtet werden;  für die Verbindlichkeit der Volksabstimmung ist ein Mindestteilnahmequorum festzulegen,

b)            damit auf Bundes- und auf Landesebene BürgerInnen das Recht erhalten, innerhalb einer bestimmten Frist die Abhaltung einer Volksabstimmung über einen gefassten Gesetzesbeschluss zu verlangen (Vetoreferendum), wobei sicherzustellen ist, dass die Grund- und Menschenrechte sowie die Zuständigkeitsverteilung zwischen Europäischer Union und Österreich beachtet werden;  für die Verbindlichkeit der Volksabstimmung ist ein Mindestteilnahmequorum festzulegen,

c)            damit Volksbegehren auch auf Vollzugsakte (unter Beachtung der Gesetze) bzw auf die Positionierung Österreichs im Europäischen Rat und im Rat gerichtet werden können,

d)             damit Volksbefragungen auch vom Volk initiiert werden können und sich auch auf Vollzugsakte beziehen können,

e)            um die Anfechtung von Ergebnissen von Volksabstimmungen, Volksbegehren und Volksbefragungen der Landes- und Gemeindeebene vor dem Verfassungsgerichtshof explizit in das Bundes-Verfassungsgesetz aufzunehmen und

f)             um einen effektiven Rechtsschutz bei Ablehnung der Einleitung direkt- demokratischer Instrumente der Gemeinde- und Landesebene (durch die Behörde) sicherzustellen,

 

2.            zur Umsetzung der vorhin umrissenen Verfassungsnovelle auf einfachgesetzlicher Ebene sowie zur erleichterten Inanspruchnahme direkt-demokratischer Instrumente und zur Förderung einer sachlichen Auseinandersetzung dem Nationalrat einen Entwurf zur Novellierung des Volksabstimmungsgesetzes, des Volksbegehrensgesetzes und des Volksbefragungsgesetzes vorzulegen,

 

a)             damit Volksbegehren und Volksbefragungen auch per Brief und online durchgeführt werden können,

b)            damit zu Volksbegehren und –befragungen auch EU-BürgerInnen mit Wohnsitz in Österreich zugelassen werden,

c)            um die Auflagefrist für Volksbegehren von derzeit acht auf vierzehn Tage zu verlängern,

d)            um die finanzielle Unterstützung von Volksbegehren und Volksbefragungen (für Initiierung und Information) zu verbessern,

e)            um eine faire und ausreichende Berichterstattung über Volksabstimmungen, Volksbegehren und Volksbefragungen zu befördern und

f)             um für Volksabstimmungen ein amtliches Abstimmungsbuch (mit sachlichen Pro und Contra-Informationen unter Mitwirkung der InitiatorInnen) sicherzustellen,

 

3.            beim Entwurf für ein Gesetz zur Europäischen Bürgerinitiative sicherzustellen, dass

 

a)            die Sammlung der Unterschriften möglichst einfach ist,

b)            wirksame Garantien zum Schutz von Daten sichergestellt werden und

c)            eine finanzielle Unterstützung für die Einbringung einer europäischen Bürgerinitiative und die Sammlung der Unterschriften sowie die Information über das Begehren vorgesehen wird.

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss vorgeschlagen.