1719/A XXIV. GP

Eingebracht am 28.10.2011
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

 

der Abgeordneten Gerhard Huber, Mag. Ewald Stadler

Kolleginnen und Kollegen

 

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 und das Agrar­verfahrensgesetz geändert werden

 

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesgesetz, mit dem das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 und das Agrarverfahrens­gesetz geändert werden

 

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Artikel 1

Änderung des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951

 

Das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951, wiederverlautbart mit BGBl. Nr. 103/1951, zuletzt geändert durch Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 87/2005, wird wie folgt geändert:

 

1. In § 15 Absatz 2 lautet lit. d:

„d) das Gemeindegut, insoweit es in agrargemeinschaftlicher Nutzung steht.“

 

2. § 22 Absatz 2 lautet:

„(2) Der Gemeinde steht neben dem ihr etwa nach Abs. 1 zustehenden Anspruch ein Anteilsrecht an dem agrargemeinschaftlichen Besitz auch dann zu, wenn sie über eine ihr etwa nach Abs. 1 zustehende Berechtigung hinaus an der Benutzung teilgenommen hat; das Anteilsrecht gebührt in Höhe der tatsächlichen durchschnittlichen Benutzung durch die Gemeinde.“

 

3. An § 23 werden folgende Absätze 4 und 5 angefügt:

„(4) Aus dem Eigentum am agrargemeinschaftlich genutzten Grundstück kann kein Anteilsrecht an der Agrargemeinschaft abgeleitet werden; eine andere Vereinbarung der Parteien ist möglich.

(5) Rechtskräftig regulierte Anteilsrechte werden in ihrem Bestand durch Änderungen in den Verhältnissen an einer berechtigten Liegenschaft nicht berührt.“


 

4. Nach § 23 wird folgender § 23a samt Überschrift eingefügt:

Ansprüche der Parteien nach atypischer Eigentumsregulierung.

§ 23a. (1) Hat die Agrarbehörde im Regulierungsverfahren neben dem Eigentumsrecht einer Agrargemeinschaft rechtskräftig einen Substanzwertanspruch einer Ortsgemeinde festgestellt, so ist der Anspruch im Lastenblatt des Grundbuches zu verbüchern.

(2) Die Durchführung des Regulierungsverfahrens in Anwendung des Zuständigkeitstat­bestandes gemäß § 15 Abs. 2 lit. d (bzw. einem Ausführungsgesetz dazu) begründet den Substanz­wertanspruch nicht.

(3) Der Substanzwertanspruch ist ein Schuldrecht. Die Ausgestaltung ist dem Agrarbehörden­bescheid zu entnehmen, der dieses Recht hervorgebracht hat.

(4) Insoweit der Bescheid keine anderweitige Regelung trifft, gilt Folgendes: Der Substanzwert­anspruch gewährt der berechtigten Gemeinde einen Anspruch auf 50 vH der Gegenleistung für den Fall der Substanzverwertung. Substanzverwertung erfordert einen Eigentümerwechsel.

(5) Die Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuches über den originären Eigentumserwerb durch den redlichen Nichtberechtigten gelten für das Verhältnis zwischen der Agrargemeinschaft als Eigentümerin und der substanzberechtigten Ortsgemeinde sinngemäß.

(6) Der Substanzwertanspruch erlischt durch Nichtausübung während der Verjährungszeit (§ 1485 ABGB). Die Verjährungsfrist wird durch Einbringung eines Antrags auf Feststellung des Substanz­wertanspruches bei der Agrarbehörde unterbrochen.

(7) Wird Liegenschaftsvermögen, das mit dem Substanzwertanspruch belastet ist, auf Mit­glieder der Agrargemeinschaft aufgeteilt, ohne dass die Ortsgemeinde ihren Substanzwertanspruch geltend macht, erlischt der Substanzwertanspruch am aufgeteilten Vermögen mit Rechtskraft des Teilungsbescheides; sinngemäß gleiches gilt für Veräußerungsgeschäfte; diesfalls erlischt der Anspruch mit der gültigen Errichtung des Vertrages.

(8) Das Nähere regelt die Landesgesetzgebung.

 

5. § 31 Absatz 1 lautet:

„(1) Gegenstand des Ermittlungsverfahrens ist die Feststellung der Grenzen des Gebietes und mangels Übereinkommens die Einschätzung und Bewertung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke, die Feststellung der Parteien und ihrer Anteilsrechte, die Feststellung des Eigentümers des agrarge­meinschaftlichen Grundstücks. Dies gilt insbesondere auch für Grundstücke gemäß § 15 Abs. 2 lit. d, welche im Eigentum einer Agrargemeinschaft, der Ortsgemeinde oder eines Dritten stehen können. Im Übrigen findet § 12 Abs. 2 und 3 sinngemäß Anwendung.“

 

6. In § 34 lauten die Absätze 4 und 5:

„(4) Diese Zuständigkeit der Agrarbehörden erstreckt sich insbesondere auch auf Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken und über die Gegen­leistungen für die Benutzung solcher Grundstücke. Im Regulierungsverfahren muss über die Eigentums­verhältnisse an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken entschieden werden; dies mit eigenständigem Bescheid.

(5) Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind von den Agrarbehörden die Normen, welche sonst für diese Angelegenheiten gelten (z.B. die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes, des Wasser- und Forstrechtes), anzuwenden. Das bürgerliche Recht kennt das Eigentum nur als Vollrecht und ungeteilt; das Eigentumsrecht umfasst die Substanz und die Nutzung.“


 

7. § 35 Absatz 1 lautet:

„(1) Den Agrarbehörden steht auch außerhalb eines Verfahrens nach § 34 die Entscheidung zu, ob in einem gegebenen Falle eine Agrargemeinschaft im Sinne dieses Gesetzes vorhanden ist, auf welches Gebiet sie sich erstreckt, wer Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Grundstücke ist, ferner die Entscheidung über den Bestand oder Nichtbestand sowie den Umfang von Anteilsrechten an agrar­gemeinschaftlichen Grundstücken, über die Frage, ob Gemeindegut oder Gemeindevermögen vorliegt, über den Substanzwertanspruch der Ortsgemeinde sowie in Verfahren nach § 58a.“

8. Nach § 58 wird folgender § 58a samt Überschrift eingefügt:

Übergangsbestimmungen zum Bundesgesetz BGBl. I Nr. XXX/2012.

58a. (1) Insofern agrargemeinschaftliches Eigentum im Agrarbehördenverfahren zu Gunsten des Bundes, eines Landes oder einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes mit dauernden unab­lösbaren Lasten nach Art des geteilten Eigentums belegt wurde, beispielsweise mit dem Substanzwert­anspruch zu Gunsten einer Ortsgemeinde, besteht ein Anspruch auf Aufhebung dieser Lasten. Der Anspruch kann auch für bestimmte Grundstücke oder von Teilen davon geltend gemacht werden.

(2) Gründet eine Last am Regulierungsgebiet im Sinn des Abs. 1 auf entgeltwerten Rechtsposi­tionen, insbesondere Eigentum, oder auf einem Konsens der Beteiligten im Regulierungsverfahren über diese Last, so erfolgt die Aufhebung gegen angemessene Entschädigung, anderenfalls ohne eine solche.

(3) Ein Tatbestand zur entschädigungslosen Aufhebung liegt insbesondere dann vor, wenn die Last bzw. der Substanzwertanspruch ohne nachweisliche Erörterung in der Agrarbehördenverhandlung und ohne Protokollierung einer Belehrung der Parteien im Verhandlungsprotokoll per Behördenbescheid festgestellt wurde.

(4) Das ehemalige Eigentum als Voraussetzung eines Entschädigungsanspruches gemäß Abs. 2, kann nicht auf der historischen Agrarbehördenentscheidungen gründen. Maßgeblich sind aus­schließlich die nach Zivilrecht zu beurteilenden Rechtsverhältnisse im Zeitpunkt vor dem Einschreiten der Agrarbehörde.

(5) Zur Entscheidung über die Aufhebung der Last und die Höhe der Entschädigung ist die Agrarbehörde zuständig. Das in § 23a festgesetzte Wertverhältnis ist der Bemessung der Entschädi­gung im Fall der Aufhebung des Substanzwertanspruchs sinngemäß zu Grunde zu legen. Die näheren Bestimmungen trifft die Landesgesetzgebung.

(6) Für entgeltliche Rechtsgeschäfte über Liegenschaftsvermögen einer Agrargemeinschaft, welche vor dem 11. Juni 2008 abgeschlossen wurden, gilt die unwiderlegliche Vermutung, dass der Erwerber gutgläubig keine Kenntnis von der Belastung des Eigentums mit dem Substanzwertanspruch hatte.

(7) Wurde substanzwertbelastetes Liegenschaftsvermögen per Bescheid der Agrarbehörde auf Mitglieder der Agrargemeinschaft aufgeteilt oder einem agrarbehördlichen Zusammenlegungsverfahren unterzogen, ohne dass die Ortsgemeinde ihren Substanzwertanspruch in diesem Verfahren geltend gemacht hätte, so ist der Substanzwertanspruch mit Rechtskraft des Behördenbescheides, mit dem die Eigentumsverhältnisse als Verfahrensergebnis festgestellt wurden, erloschen.

(8) Gemäß Art. 15 Abs. 6 B-VG wird die Frist für die Landesgesetzgebung zur Umsetzung dieser Grundsätze mit sechs Monaten ab Kundmachung dieses Gesetzes im Bundesgesetzblatt bestimmt.“

 


Artikel 2

Bundesgesetz, mit dem das Agrarverfahrensgesetz geändert wird

 

Das Agrarverfahrensgesetz – AgrVG. 1950, BGBl. Nr. 173/1950, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 57/2002, wird wie folgt geändert:

 

Der bisherige Text des § 14 erhält die Absatzbezeichnung „(1)“; § 14 Abs. 1 wird folgender Absatz 2 angefügt:

„(2) Feststellungsbescheide der Agrarbehörde klären und entscheiden eine bestehende Rechtslage. Eine Anknüpfung der Agrarbehördenentscheidung im Teilungs- oder Regulierungsver­fahren beim Zuständigkeitstatbestand gemäß § 15 Abs. 2 lit. d Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 (bzw der entsprechenden Norm des Landesausführungsgesetzes) entfaltet keine Rechtskraftwirkung hin­sichtlich der Eigentumsverhältnisse in der Vergangenheit.“


Begründung

 

 

Seit Hunderten von Jahre bestehen in Österreich Agrargemeinschaften – historisch meist als „Gemeinden“ bezeichnet –, die erfolgreich ihre Liegenschaften gemeinsam bewirtschaften. Erst jüngst ist es durch (wie die Antragsteller meinen) höchstgerichtliche Fehlentscheidungen dazu gekommen, dass Ortsgemeinden sich Hoffnung machen können, historisch unverdientermaßen zu Eigentümern der agrargemeinschaftlichen Liegenschaften zu werden.

 

Die Wissenschafter oa.Univ.-Prof. Dr. Gerald Kohl, Univ.-Doz. Dr. Bernd A. Oberhofer und em. o.Univ.-Prof. Dr. Peter Pernthaler haben sich jüngst mit ihrem umfassenden Werk „Agrargemeinschaften in Tirol, Beiträge zur Geschichte und Dogmatik“ um dieses Rechtsgebiet besonders verdient gemacht und damit dem Bundesgesetzgeber den Weg geebnet, um gerade noch rechtzeitig die Rechtslage ent­sprechend den bisher bestehenden Rechtsverhältnissen eindeutig festzuschreiben. Mit diesem Antrag soll daher vor allem für die notwendige parlamentarische Behandlung dieses wichtigen Problembereichs die notwendige Grundlage vorgelegt werden, um eine rasche Rechtssetzung zu ermöglichen.

 

 

KURZFASSUNG:

 

Warum muss das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1051 nach VfSlg 9336/1982 saniert werden?

 

1. Das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 als „Torso“: Mit Erk VfSlg 9336/1982 wurde das FlVerfGG 1951 (BGBl 103/1951) zum Torso; dies durch die Aufhebung des zentralen Anwendungstat­bestandes der „agrarischen Operation“ gem Art 12 Abs 1 Z 3 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), des Tatbestandes „Gemeindegut“. Die undifferenzierte Einbeziehung der Sachverhalte, die vom Tatbestand „Gemeindegut“ erfasst werden, würde zu gleichheitswidrigen Ergebnissen führen, so die seinerzeitige Begründung.

 

2. Das „Gemeindegut“ als Haupt-Anwendungsfall der agrarischen Operation: Das „Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung“ sollte nach dem klaren Willen des historischen Gesetzgebers der agrarischen Operation unterliegen. Der Reichsrahmengesetzgeber des Jahres 1883 hat diese Frage breit erörtert. Das Gesetz würde seinen Zweck verfehlen, wenn das „Gemeindegut“ nicht der agrari­schen Operation unterworfen wäre. Sämtliche Teilungs- und Regulierungsgesetze der Länder aus den Jahren 1884 bis 1921 definieren das „Gemeindegut“ als einen Anwendungsfall der agrarischen Opera­tion – ebenso das Bundesgesetz betreffend Grundsätze der Flurverfassung vom 2. August 1932 BGBl 256/1932 und alle Ausführungsgesetze der Länder dazu. Das System des Flurverfassungsrechts ist dem Grunde nach wieder herzustellen; die erforderlichen Unterscheidungen (Anforderung aus VfSlg 9336/1982) wurden berücksichtigt.

 

3. Eine Gesetzesreparatur ist seit 1982 überfällig: Der Bundesgrundsatz-Gesetzgeber hätte sich schon 1982 mit der entstandenen Gesetzeslücke auseinandersetzen müssen. Weil dies unterblieben ist, hat das Recht der Agrargemeinschaften seit und durch das Erkenntnis VfGH Slg 9336/1982 eine Ent­wicklung zu Wirrnissen in Verkenntnissen und problematischen landesgesetzlichen Regelungen genom­men. Politische Agitation hat die Novelle zum Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 2010 erzwungen und die Erk des VwGH vom 30. Juni 2011 (Grundsatz-Erk Zl 2010/07/0091) hervorgebracht. Auf der Grundlage von VfSlg 9336/1982 und 18.446/2008 wurde - abgehoben von jeder Gesetzesgrundlage - neues Recht geschaffen. Die verfassungsrechtlich unhaltbare Unterscheidung beim landwirtschaftlichen Liegenschaftseigentum zwischen „Substanz“ und Nutzung (Verstoß gegen Art 7 StGG 1867!) steht bei dieser Judikatur Pate.


 

4. Es droht ein österreichweiter juristischer Flächenbrand: Aufgrund der Erk des VwGH vom 30. Juni 2011 (Grundsatz-Erk Zl 2010/07/0091) droht ein „juristischer Flächenbrand“. Dieser hat bereits hunderte Tiroler Agrargemeinschaften erfasst; dieser kann jederzeit auf andere Bundesländer übergreifen, insbes. NÖ, OÖ, Steiermark und Vlbg. Die in Tirol ablaufenden „Rekommunalisierungsbemühungen“ gegen hunderte Agrargemeinschaften richten sich inhaltlich gegen tausende Agrargemeinschaftsmitglieder. Diese setzen sich zu Recht zur Wehr, weil die Unteilbarkeit des Eigentums seit dem Staatsgrundgesetz 1867 unter Verfassungsschutz steht. Mit Deregulierungsgesetz 2006, BGBl 113/2006, wurden die Bestimmungen des ABGB zum geteilten Eigentum wegen Bedeutungslosigkeit aufgehoben. Diese Unterscheidung kann nicht zu Lasten der Agrargemeinschaftsmitglieder weiter gelten!

 

5. Der Tiroler Landesgesetzgeber agiert auf Risiko des Bundes: Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst und das Landwirtschaftsministerium haben mit Note vom 2.11.2009 und weiters vom 18.11.2009 im Vorbereitungsstadium zur Tiroler Flurverfassungsgesetznovelle 2010 darauf hinge­wiesen, dass die Agrargemeinschaftsmitglieder enteignet würden; mit Note vom 9. Februar 2010, GZ BKA-654.127/001-V/2/2010, wurde diese Konsequenz namens der gesamten Bundesregierung aufgezeigt. Sollten sich die Bedenken der Bundesregierung bewahrheiten, würde international die Republik wegen der Entschädigung der Mitglieder verantwortlich. Eine auf Jahre angelegte juristische Auseinandersetzung wegen angeblicher historischer Eigentumsansprüche der Ortsgemeinden würde auf ein NULL-SUMMEN-SPIEL hinaus laufen. Die Republik Österreich hätte alle Mitglieder zu entschädigen!

 

 

Warum ein Bundesgesetz?

 

„Bodenreformrecht, insbesondere agrarische Operationen“ ist gem Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG in Grundsatzgesetzgebung Bundessache, in Ausführungsgesetzgebung Landessache (und im Vollzug Angelegenheit der Agrarbehörden).

 

Die Bundesverfassung 1921 hat somit im Wege der Kompetenzartikel entschieden, dass diese Rechtsmaterie dem Grunde nach vom Bundesgesetzgeber zu regeln ist. Die „Verwerfungen“ im Bodenreformrecht, welche heute jede zweite Tiroler Ortsgemeinde in einen „juristischen Kampfplatz“ verwandeln, sind durch die Aufhebung des Tatbestandes „Gemeindegut“ in § 15 Abs 2 lit d Grundsatzgesetz 1951 ausgelöst; die Sanierung hat durch verfassungskonforme Wiederherstellung des Systems der Flurverfassung dem Grunde nach zu erfolgen. Das Beispiel des Tiroler Landesgesetzgebers (TFLG-Novelle 2010) zeigt darüberhinaus, dass der Landesgesetzgeber mit dieser Materie überfordert ist. Mit Blick auf den politischen Druck, den ein Demagoge wie Fritz Dinkhauser unter Mithilfe der Tiroler Tageszeitung aufbauen konnte, wurden – trotz zweimaliger Warnung aus den Ministerien (BMLFUW-LE.4.1.7/0025-I/4/2009 vom 2.11.2009 und BMLFUW-LE.4.1.7/0025-I/4/2009 vom 2.11.2009) sowie zuletzt namens der gesamten Bundesregierung (BKA-654.127/001-V/2/2010 vom 9.2.2010) – bedenkenlos Regelungen geschaffen, welche tausende Agrargemeinschaftsmitglieder enteignen.

 

 

Was ist der „Kern-Regelungsgegenstand“ der Gesetzesnovelle?

 

a) Wiederherstellung des Systems des Teilungs- und Regulierungsrechts dem Grunde nach: Das „Gemeindegut“ war Regelungsgegenstand nach Flurverfassungsrecht 1883 sowie nach allen Landesgesetzen, erlassen zwischen 1884 bis 1921 und gem Grundsatzgesetz 1932 und 1951.

 

b) Berücksichtigung und Hervorhebung der erforderlichen Differenzierungen (Forderung gem VfSlg 9336/1982): Dies durch Klarstellung des Grundsatzes, dass nur Gemeinschaftseigentum der Nutzungsberechtigten nach Flurverfassungsrecht geteilt oder als Agrargemeinschaft umgegründet werden kann.


c) Regelung des „Substanzwertanspruches der Ortsgemeinde“: Bundesgesetzliche Regelungen für den von den Höchstgerichten VfGH und VwGH entgegen der lex lata entwickelten („erfundenen“) „Substanzwertanspruch der Ortsgemeinden“, müssen dieses unmittelbar aus der Bundesverfassung abgeleitete „Phänomen“ in ein gesetzliches Korsett bringen, welches mit dem verfassungsrechtlich zu schützenden Rechtspositionen der Agrargemeinschaftsmitglieder in Einklang gebracht werden kann.

 

d) Klarstellung der Rechtsposition des Mitgliedes einer Agrargemeinschaft: Die Mitglieder sind Inhaber einer Rechtsposition, welche dem Eigentumsschutz gem Art 1 1. Zusatzprotokoll zum MRK unterliegt.

 

 


Zur Notwendigkeit der Novellierung des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 nach VfSlg 9336/1982

 

Eckpunkte:

 

Ø  „Juristischer Flächenbrand“ Österreichweit

Ø  Fehlentwicklungen in der Interpretation des Bodenreformrechts

Ø  Höchstgerichtserkenntnisse schaffen völlig neues Recht

Ø  Enteignung zehntausender Stammliegenschaftsbesitzer

Ø  Stillstand des Liegenschaftsverkehrs in den Landgemeinden

Ø  Unzählige Rechtsstreitigkeiten betreffend „Rückabwicklung“

Ø  Zehntausende Kläger gegen die Republik Österreich nach EMRK

Ø  Vermutliche Entschädigungspflicht der Republik

Ø  Bilanz wird bei den Finanzausgleichsverhandlungen gezogen!

Ø  Der Bund wird den „Prozess-Gemeinden“ die Rechnung präsentieren.

Ø  Wahrscheinliche Bilanz: „Außer Spesen nichts gewesen!“

Ø  Sanierungsmöglichkeit auf „einfach-gesetzlicher“ Ebene

 

 

1. Anlass für die Gesetzesnovelle ist die durch politische Agitation erzwungene Novelle zum Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 2010, welche die Rechtssätze der Erk. VfGH Slg 18.446/2008 und Slg 9336/1982 in eine problematische Richtung lenkt und 14 Erk des VwGH vom 30. Juni 2011 (Grundsatz-Erk Zl 2010/07/0091) hervorgebracht hat, welche in der Zusammenschau mit VfSlg 9336/1982 und VfSlg 18.446/2008 weit tragende Konsequenzen für die Rechtsverhältnisse der Ortsgemeinden zu den Agrargemeinschaften haben; dies österreichweit!

 

Ursache sind Fehlentwicklungen in der Interpretation des Bodenreformrechts, welche auf dem Boden missverständlicher Rechtssätze des Erk VfSlg 9336/1982 eingerissen sind. Der Bundesgesetzgeber hätte auf das Erk VfSlg 9336/1982, mit welchem der Zuständigkeitstatbestand gem § 15 Abs 2 lit d des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 („Gemeindegut“) beseitigt wurde, schon lange reagieren müssen. Der Forderung des Verfassungsgerichtshofes nach notwendiger Differenzierung auf einfach gesetzlicher Ebene kann leicht entsprochen werden.

 

Mangels klarstellenden Einschreitens des Bundesgrundsatzgesetzgebers haben sich Fehlentwicklungen verstärken. Es ist der Eindruck entstanden, dass wesentliche Rechtssätze aus dem Erk VfSlg 9336/1982 die historische oder aktuelle Rechtslage wiedergeben würden. Dies betrifft insbesondere den zentralen Rechtssatz aus VfSlg 9336/1982, wonach „Gemeindegut“ undifferenziert in der Gemeindeordnung geregelt sei und deshalb zwingend als Eigentum der Ortsgemeinden zu gelten hätte.

 

2. In Konsequenz der Auslegung des Verwaltungsgerichthofs in den genannten Erk vom 30. Juni 2011 droht Österreichweit ein „juristischer Flächenbrand“. In allen Fällen, in denen die historische Agrarbehörde in Anwendung des Zuständigkeitstatbestandes nach § 15 Abs 2 lit d FlVerfGG 1951 (bzw eines Ausführungsgesetzes dazu) entschieden hat, soll agrargemeinschaftliches Eigentum entstanden sein, welches mit Ansprüchen der Ortsgemeinde belastet ist.

Diese Ansprüche sollen auf den „Substanzwert“ der agrargemeinschaftlichen Liegenschaften gerichtet sein.

 

Diese behaupteten Ansprüche gehen unmittelbar zu Lasten der anteilsberechtigten Mitglieder dieser Agrargemeinschaften, welche vom „Substanzwertanspruch“ des Staates (der jeweiligen Ortsgemeinde) in ihrem Leben noch nie etwas gehört oder gesehen haben.


 

3. Aus einer Analyse der Erk des Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Juni 2011 ergibt sich, dass die in VfSlg 9336/1982 gründende Fehlentwicklung im Flurverfassungsrecht eine Eigendynamik entwickelt hat, deren Konsequenzen unabsehbar sind. Der behauptete, das agrargemeinschaftliche Vermögen belastende Anspruch der Ortsgemeinde („Substanzwertanspruch“) soll nach dieser Judikatur alleine und ausschließlich an den Sachverhalt geknüpft sein, dass die historische Agrarbehörde die Regulierungsentscheidung unter Inanspruchnahme der Zuständigkeitsnorm gemäß § 15 Abs 2 lit d FlVerfGG 1951 getroffen hat. Die Behördenentscheidung in einer Zuständigkeitsfrage soll danach die Hauptfrage präjudizieren, wessen Eigentum die jeweilige agrargemeinschaftliche Liegenschaft gewesen ist.

 

Nach diesen Erk des VwGH vom 30.6.2011 soll durch die Anknüpfung bei der Zuständigkeitsnorm des § 15 Abs 2 lit d FlVerfGG 1951 (bzw des entsprechenden Landesausführungsgesetzes) unwiderlegbar, rechtskräftig und den VwGH bindend, entschieden sein, dass die agrargemeinschaftliche Liegenschaft vor dem Einschreiten der Agrarbehörde öffentliches Eigentum (Gemeindeeigentum) war. Die Vorfragenbeurteilung zur Zuständigkeit greift nach dieser Interpretation in den Spruch des Bescheides über die Hauptsache ein.

 

Der Entscheidung in der Hauptsache, mit der darüber abgesprochen wurde, wer wahrer Eigentümer der betreffenden agrargemeinschaftlichen Liegenschaft ist (und war), wird damit zwangsläufig ein anderer Sinn und Inhalt gegeben. Die Entscheidung über die Hauptsache, mit der der wahre Eigentümer festgestellt werden sollte, wird damit zwangsläufig zu einer solchen Entscheidung der Agrarbehörde, mit der (angeblich) öffentliches Eigentum in Verwaltung der Ortsgemeinde in das Eigentum einer Agrargemeinschaft übertragen wurde. Eine solche „verfassungswidrige Eigentumsübertragung“ war und ist im Agrarrecht nie vorgesehen gewesen - weder nach historischem Recht, noch nach geltendem Recht. Die Agrarbehörde hatte und hat vielmehr festzustellen und zu entscheiden, wer wahrer Eigentümer einer agrargemeinschaftlich genutzten Liegenschaft war und ist.

 

4. Rechtsgrundlagen dieser Auslegung sind

a) die unhaltbare Aussage im Rahmen der Begründung des Erk VfSlg 9336/1982, dass das Gemeinderecht der Länder zwingend alles Gemeindegut zum Eigentum der Ortsgemeinde stemple;

b) die im Erk VfSlg 18.446/2008 entwickelte These, wonach die Regulierung von Gemeindegut unter Inanspruchnahme des Zuständigkeitstatbestandes gem § 15 Abs 2 lit d FlVerfGG 1951 Gemeinschaftseigentum der Ortsgemeinde und der übrigen Mitglieder der Agrargemeinschaft („organisiert als Agrargemeinschaft“) entstehen ließ;

c) die im Erk VfSlg 18.446/2008 entwickelte weitere These, wonach dieses Gemeinschaftseigentum, so beschaffen sei, dass die Anteilsverhältnisse daran geänderten Entwicklungen anzupassen seien, wobei nur der Anteil der öffentlichen hand (der politischen Ortsgemeinde) vergrößert wird („Einbahnstraße“).

 

Zu a). Der These, dass die Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut durch die Gemeindeordnungen präjudiziert seien, hält der Bundesgesetzgeber entgegen, dass die gem Art 12 B-VG gebotene Ausdifferenzierung des Gemeindeguts in agrargemeinschaftlicher Nutzung aus dem allgemeinen Gemeindegutsbegriff im Erk Slg 9336/1982 nicht beachtet wurde. Mit Inkrafttreten des FlVerfGG 1932 haben die Gemeindeordnungen das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung dem Vollzugsbereich der Flurverfassung zugeordnet.

 

Zu verweisen ist nur auf den klaren Wortlaut der Bestimmungen des § 117 Tiroler Gemeindeordnung 1935, des § 61 Abs 3 des Steirischen Gesetzes vom 6. Juli 1948 über die Änderung der Gemeindeordnung, LGBl 52/1948 oder des § 67 Oö Gemeindeordnung 1948, Anlage 1 zum Gesetz vom 7. Juli 1948 LGBl 22/1949 – s Anhang: „Die Regelungen der Landesgesetze“. Besondere hervorzuheben ist der Wortlaut der Spezialbestimmung des § 91 Abs 4 Vorarlberger Gemeindegesetz 1965 (LGBl 45/1965): „Die Gemeinde als Trägerin von Privatrechten ist verpflichtet, Gemeindegut, dessen rechtliche und wirtschaftliche Verhältnisse noch nicht nach den Bestimmungen des II. Hauptstückes des Flurverfassungsgesetzes LGBl Nr 4/1951, geordnet sind, vorläufig nach den Bestimmungen des Flurverfassungsgesetzes weiter zur verwalten.“

 

Wenn man beispielsweise die Tiroler Verhältnisse nachvollzieht, so sind diese zusammenzufassen wie folgt:

Mit Blick auf das Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz 1935, schuf der Tiroler Landesgesetzgeber in der Gemeindeordnung 1935, LGBl 1935/36, folgende Regelungen:

aa) Die Bestimmungen über das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung wurden als Übergangsrecht bis zum Inkrafttreten des Flurverfassungs-Landesgesetzes geregelt (Artikel III. LGBl 1935/36);

bb) Über die Aufteilung von agrargemeinschaftlich genutztem Gemeindegut entscheidet nicht die Landesregierung, sondern die Agrarbehörde in Anwendung des Flurverfassungsgesetzes (§ 79 TGO 1935);

cc) Über Ansprüche auf Nutzungen des Gemeindeguts beschließt zwar im Allgemeinen der der Gemeindetag. Bei agrargemeinschaftlichen Grundstücken iSd Flurverfassungslandesgesetzes entscheiden im Streitfalle jedoch die Agrarbehörde (§ 114 Abs 3 TGO 1935);

dd) die Regelung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Gemeindeguts in agrargemeinschaftlicher Nutzung wird dem Vollzugsbereich des Flurverfassungslandesgesetzes zugewiesen (§ 117 TGO 1935).

ee) Schließlich wurde im 9. Hauptstück der TGO 1935, welches sich dem Aufsichtsrecht über die Gemeinden widmet, angeordnet, dass die Veräußerung, Belastung und Verteilung des Gemeinde-(Fraktions)Guts, insoweit es sich um agrargemeinschaftliche Grundstücke handle, im Flurverfassungslandesgesetz geregelt ist (§ 164 Abs 2 zweiter Satz TGO 1935).

ff) Alle späteren Gemeindeordnungen haben ausdrücklich klargestellt, dass deren Regelungen betreffend das Gemeindegut im Allgemeinen das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung, welches der Flurverfassung zu Regelung zugewiesen ist, nicht betreffen (zB § 82 TGO 1949; zuletzt § 74 TGO 2001 LGBl 2001/36: „Verhältnis zu den Vorschriften in den Angelegenheiten der Bodenreform. Im Übrigen werden durch dieses Gesetz die Vorschriften in den Angelegenheiten der Bodenreform nicht berührt.“) Weil das Bodenreformrecht gem Art 12 B-VG in den Grundsätzen Bundeskompetenz ist und weil die Rechtsverhältnisse am Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung dem Kompetenztatbestand Bodenreformrecht zugewiesen sind, sind diese Regelungen konsequent und verfassungsrechtlich geboten.

Mit Blick auf die Verfassungslage (Art 12 B-VG) und mit Blick auf den Wortlaut der Gemeindeordnungen kann der Gesetzgeber nicht hinnehmen, wenn Höchstgerichte die Rechtssätze formulieren, dass


 

a)       Gemeindegut ausschließlich in der Gemeindeordnung geregelt sei[1];

b)       Gemeindegut aufgrund Regelung in der Gemeindeordnung zwingend Eigentum der Ortsgemeinde sein müsse[2].

 

Diese Rechtssätze steht im Widerspruch zum Kompetenzartikel gem 12 B-VG; diese Rechtssätze ignorieren den Wortlaut des Gemeinderechts; diese Rechtssätze stehen im Widerspruch zu obersten Grundsätzen des Rechts über die Teilung und Regulierung von Gemeinschaftsliegenschaften.

 

Nur zur Illustration sei eine Note des Bundeskanzleramtes aus dem Jahr 1935 an den Landeshauptmann von Tirol nachstehend wiedergegeben.

 

Bundeskanzleramt, Zl 156.486-6 (ex 1935). Gemeindegut und Flurverfassungs-Grundsatzgesetz B 256/1932, An die Landeshauptmannschaft für Tirol in Innsbruck

 

Gegen den Gesetzesbeschluss des Tiroler Landtages vom 26. April 1935 betreffend eine neue Gemeindeordnung für Tirol, wurden vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft Einwendungen erhoben, weil derselbe in seinen das Gemeindegut betreffenden Vorschriften Bestimmungen enthielt, die mit dem Flurverfassungs-Grundsatzgesetz (Bundesgesetz vom 2. August 1932, B.256) nicht in Einklang stehen. Denn gemäß § 15 Abs 2 Punkt d, Flurverfassungs-Grundsatzgesetz sind die einer gemeinschaftlichen Benützung nach den Bestimmungen der Gemeindeordnungen unterliegenden Teile des Gemeindegutes Ortschafts-, Fraktionsgutes) als agrargemeinschaftliche Grundstücke anzusehen, welche den Bestimmungen der Bundes- und Landesflurverfassungsgesetzes über die Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken, die von den Bestimmungen der Gemeindeordnungen über das Gemeindegut vielfach abweichen, unterliegen. So steht die Entscheidung, ob eine Liegenschaft eine agrargemeinschaftliche Liegenschaft ist (§ 17 Bundes-Grundsatz-Gesetz), wie auch ob agrargemeinschaftliches Gemeindegut oder Gemeindevermögen vorliegt (§ 35 Bundes-Grundsatz-Gesetz), dann über den Bestand und Umfang von Anteilsrechten (§ 35 Bundes-Grundsatz-Gesetz), schließlich die Genehmigung der Veräußerung, Belastung und Teilung von agrargemeinschaftlichen Grundstücken (§ 18 Bundes-Grundsatz-Gesetz) jederzeit den Agrarbehörden zu. Weiters obliegt den Agrarbehörden ausschließlich die Teilung und Regulierung agrargemeinschaftlicher Grundstücke, zu welch letzteren auch die Aufstellung von Wirtschaftsplänen und Verwaltungssatzungen gehört (§ 33 B-GG). In der Tat stehen diese agrargesetzlichen Bestimmungen mit den Bestimmungen der Gemeinde-Ordnung über die Gemeindefinanzverwaltung, welchen bisher als Teil des Gemeindeeigentums auch der in agrargemeinschaftlicher Nutzung stehende Teil des Gemeindegutes unterlag, in Widerspruch. Zwecks Abgrenzung der Zuständigkeit wurde der Vorschlag gemacht, den gemäß den Flurverfassungsgesetzen als Gegenstand einer Agrargemeinschaft geltenden Teil des Gemeindegutes nicht mehr in den Gemeindeordnungen, sondern ausschließlich in den Landesflurverfassungsgesetzen zu behandeln, da ja dieser Teil des Gemeindegutes für den Gemeindehaushalt ohnehin nahezu gar keine Rolle spielt. Dieser Vorschlag wurde vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vor Allem mit der Begründung abgelehnt, dass die Agrarbehörden bei ihrer derzeitigen Organisation nicht in der Lage wären, die ihnen in diesem Falle notwendig zufallenden zahlreichen Aufgaben zu erfüllen. Auch legte das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft großen Wert darauf, die bisherigen materiellrechtlichen Bestimmungen über das Recht und das Maß der Teilnahme an den Nutzungen dieses agrargemeinschaftlichen Teiles des Gemeindegutes auch weiterhin in der Gemeindeordnung zu belassen, und zwar einerseits wegen des Hinweises auf die Gemeindeordnungen in § 15, Abs 2, Punkt d, Flurverfassungs-Gesetz, vor allem aber um eine längere vacatio legis zu vermeiden, da nicht abzusehen ist, wann die Landesflurverfassungsgesetze in Kraft treten werden.

 

Das Bundeskanzleramt beehrt sich, im Einvernehmen mit den Bundesministerien für Land- und Forstwirtschaft und für Finanzen zwecks Abgrenzung der Zuständigkeit der Agrarbehörden einerseits, der Gemeinde- und der Gemeindeaufsichtsbehörden andererseits, in dieser Sache folgenden Vorschlag zu empfehlen:

1.) Der nach dem Flurverfassungs-Grundsatzgesetz als Agrargemeinschaft geltende Teil des Gemeindegutes ist von der Gemeindefinanzverwaltung auszunehmen; am einfachsten wohl dadurch, dass man bei der Definition des Gemeindeeigentums (bzw des Gemeindevermögens und Gemeindegutes) diese gemäß § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungs-Grundsatzgesetz (B 256/1932) agrargemeinschaftliche Liegenschaften ausdrücklich ausnimmt.

2.) Die materiellrechtlichen Bestimmungen über das Recht und Maß der Teilnahme an den Nutzungen dieser nunmehr gemäß § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz als agrargemeinschaftliche Grundstücke geltenden ehemaligen Teile des Gemeindegutes wären als eigener Abschnitt (Hauptstück) in der Gemeindeordnung zu belassen. Es wäre aber zu beachten, dass künftig hinsichtlich dieser Agrargemeinschaft die Gemeinde nicht mehr die Stellung einer Behörde, sondern lediglich eines Beteiligten hat.

 

In dem Abschnitt der Gemeindeordnungen über Recht und Maß der Teilnahme an den Nutzungen der gemäß § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz agrargemeinschaftlichen Liegenschaften wäre am Schluss folgender Paragraph anzufügen: „Die Bestimmungen dieses Gesetzes über das Gemeindeeigentum (oder „über das Gemeindevermögen und Gemeindegut“) finden auf die gemäß § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz BGBl Nr 256/1932, als agrargemeinschaftliche Grundstücke geltenden einstigen Teile des Gemeindegutes nur insoweit Anwendung, als sie mit dem Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz BGBl Nr 256/1932 und dem Flurverfassungs-Landes-Gesetz nicht im Widerspruch stehen.“

1. August 1935, Für den Bundesminister: Ruber

 

Weil die reformatorische Gestaltung des Gemeindeguts in agrargemeinschaftlicher Nutzung eindeutig dem Kompetenzartikel 12 B-VG unterliegt („Bodenreformrecht insbesondere agrarische Operationen), ist die Behauptung, die Gemeindeordnungen würden die Eigentumsverhältnisse an solchen agrargemeinschaftlichen Liegenschaften regeln, ab dem Inkrafttreten der Kompetenzartikel der heutigen Bundesverfassung, schlicht  f a l s c h . Dem Gemeindegesetzgeber fehlte schlicht die Gesetzgebungskompetenz und wollte der Gemeindegesetzgeber diese Rechtsverhältnisse auch gar nicht regeln (siehe Anhang: Die Regelungen der Landesgesetze).

 

Zu b). Das auf VfSlg 9336/1982 aufbauende Erk VfSlg 18.446/2008 definiert weitere Rechtssätze, deren Nachvollziehbarkeit in Frage steht. Was soll es etwa bedeuten, wenn ausgeführt wird, dass im Regulierungsverfahren gemeinsames Eigentum der Ortsgemeinde und der Anteilsberechtigten entstanden sei, welches als Agrargemeinschaft organisiert ist?[3]

Ein solches Ergebnis des Regulierungsverfahrens wurde behauptet, obwohl die Agrarbehörde festgestellt hatte, dass die Agrargemeinschaft Eigentümerin der betreffenden Liegenschaft sei. Entgegen einem klaren Spruch der historischen Agrarbehörde, lautend auf „Eigentum der Agrargemeinschaft“, soll „gemeinsames Eigentum der Ortsgemeinde und der Anteilsberechtigten“ entstanden sein? Dass mit derartigen Rechtssätzen eine Unklarheit in den Rechtsverhältnissen an agrargemeinschaftlichen Liegenschaften entsteht, welche den rechtsstaatlichen Anforderungen im Bodenrecht geradezu spotten, ist nahe liegend.

 

Gem § 38 Abs 1 Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz hatte die Agrarbehörde zu entscheiden, in wessen Eigentum eine agrargemeinschaftliche Liegenschaft steht. Gleichlautende Bestimmungen finden sich in den Flurverfassungsgesetzen der anderen Bundeslänger (zB § 38 Abs 1 Niederösterreichisches Flurverfassungsgesetz 1934 LGBl 1934/208). Es ist bekannt, dass in einer bedeutsamen Anzahl von Fällen entschieden wurde, dass das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung Eigentum der Ortsgemeinde ist. Warum soll dieselbe Entscheidung in den Fällen, in denen entschieden wurde, dass das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung Eigentum der Agrargemeinschaft sei, in Wahrheit (nur) Gemeinschaftseigentum der Ortsgemeinde und der Nutzungsberechtigten hervorgebracht haben? Warum führt die Agrarbehördenentscheidung, die ausdrücklich in den Rechtswirkungen dem Gerichtsurteil gleichgestellt ist (§ 14 AgrVG), im einen Fall zu Eigentum der Ortsgemeinde, im anderen Fall – entgegen dem Wortlaut der Entscheidung („Eigentum der Agrargemeinschaft“) – zu Gemeinschaftseigentum der Ortsgemeinde und der Anteilberechtigten? Im Erk VfSlg 18.446/2008 wird dieses schwer nachvollziehbare Ergebnis der historischen Agrarbehördenentscheidung nicht näher begründet. Eine Auslegung der historischen Agrarbehördenentscheidung entgegen ihrem offenkundigen Wortlaut ist in der Tat nicht nachvollziehbar.

 

Im Erk VfSlg 18.446/2008 werden offensichtlich zivilrechtliche Verhältnisse innerhalb einer Agrargemeinschaft beschrieben, wenn dort Folgendes ausgeführt wird: Wenn die Agrarbehörden in den Sechziger Jahren also das Eigentum am Gemeindegut auf die Agrargemeinschaft übertragen haben, war das […] im Blick auf das Ergebnis aber offenkundig verfassungswidrig. Ist dieser Akt jedoch - wie hier - rechtskräftig geworden, ist Gemeindegut entstanden, das nun atypischerweise im gemeinsamen Eigentum der Gemeinde und der Nutzungsberechtigten steht und als Agrargemeinschaft organisiert ist (vgl. VfSlg. 17.779/2006).“ (Pkt II. Z 1 der Entscheidungsbegründung). Dieser allgemein formulierte Rechtssatz wird in Tirol so verstanden, dass Agrarbehörden „atypisches Eigentum“ geschaffen hätten; „atypisches Eigentum“, welches freilich der Österreichischen Zivilrechtsordnung unbekannt ist und zusätzlich in Widerspruch mit der verfassungsrechtlich begründeten Institutionsgarantie des Eigentums zu stehen scheint (Art 5 StGG 1867).

 

Vollends unverständlich wird die generelle Formulierung eines solchen Rechtssatzes, wenn man mit Blick auf die Gesamtzusammenhänge der Rechtsordnung den Regelungen des Agrarverfahrensrechts gebührende Beachtung schenkt. Danach sind die Entscheidungen der Agrarbehörde in Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitswirkung dem zivilrechtlichen Urteil ausdrücklich gleichgestellt (§ 14 AgrVG 1950). Weil das so ist, stellt sich die Frage: Wie konnte entgegen dem Wortlaut des Spruchs der zuständigen Behörde „gemeinsames Eigentum einer Ortsgemeinde und der Nutzungsberechtigten“ entstehen, welches „als Agrargemeinschaft organisiert“ ist? Der Spruch der zuständigen Behörde mit urteilsgleicher Wirkung lautete auf „Eigentum der Agrargemeinschaft“. Die körperschaftlich eingerichtete Agrargemeinschaft ist unzweifelhaft juristische Person. Gemeinsames Eigentum einer Ortsgemeinde und der Nutzungsberechtigten, welches als Agrargemeinschaft organisiert ist, bedeutet eine juristische Neuentwicklung, die mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit als oberste Grundlage im Bodenrecht unvereinbar ist. Die Agrargemeinschaft ist juristische Person. Die Agrargemeinschaft ist kraft Rechtskraftwirkung als Eigentümerin im Rechtssinn anzuerkennen. Vor vielen Jahrzehnten geschaffene Rechtsverhältnisse erfordern freilich auch nach dem Vertrauensschutzgedanken Beachtlichkeit.

 

Zu c). Schwer nachvollziehbar ist auch der weitere Gedankenduktus des Erk VfSlg 18.446/2008: Wegen geänderter Verhältnisse seit der Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse soll heute eine Anpassung der Anteilverhältnisse an unzähligen Agrargemeinschaften geboten sein. Dies deshalb, weil dem Substanzwertanspruch der Ortsgemeinde zum Durchbruch verholfen werden müsse?[4]

 

Der Gesetzgeber hat Bedenken grundsätzlicher Art gegen die im Erk VfSlg 18.446/2008 angedachte Änderung der Anteilsrechte, weil diese zusätzlichen Anteilsrechte der Gemeinde nur auf Kosten der übrigen Anteilberechtigten gewonnen werden können. Der Gerichtshof ging selbst vom Gemeinschaftseigentum der Ortsgemeinde und der übrigen Anteilsberechtigten aus. Die Anteilsrechte an einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft wurden durch eigene Bescheide, meist auf der Grundlage eines Parteienübereinkommens rechtskräftig gestaltet. Auf welcher Grundlage will man die Anteile der übrigen Mitglieder am gemeinschaftlichen Eigentum ändern?

Bereits Raschauer hat darauf hingewiesen, dass vor Erlassung eines Regulierungsplanes ein Bescheid betreffend die Anteilsrechte zu erlassen war (Raschauer, Rechtskraft und agrarische Operation, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol, 279). Bescheide über die Anteilsverhältnisse würden jedoch keiner nachträglichen Änderungsmöglichkeit unterliegen. Wie lässt sich das mit dem Rechtssatz aus VfSlg 18.446/2008 vereinbaren, dass das für das Gemeindegut wesentliche Substanzrecht der Gemeinde als (möglicherweise im Ausmaß wechselnder) Anteil an der Agrargemeinschaft zur Geltung gebracht werden müsse?

Raschauer sieht als Ergebnis zwei Anteilsverzeichnisse und weist als Ausweg aus dem Dilemma, dass der vom Verfassungsgerichtshof aufgezeigte Weg voraussetzen würde, dass „der rechtskräftige Bescheid gem § 54 Abs 2 TFLG die Regulierung des Eigentumsrechtes nicht berücksichtigen wollte.“

 

Der Gesetzgeber sieht diese durch die Sachverhaltsgrundlage des Erk VfSlg 18.446/2008 indizierte Lösung des Dilemmas nicht. Der Gesetzgeber kann nicht davon ausgehen, dass „der rechtskräftige Bescheid gem § 54 Abs 2 TFLG die Regulierung des Eigentumsrechtes nicht berücksichtigen wollte.“ Der Gesetzgeber setzt vielmehr voraus, dass die Agrarbehörde als Landesbehörde gerade auch den im Landesgesetz gegründeten Auftrag vollzogen hat, über die Eigentumsverhältnisse am jeweiligen Gemeindegut (in agrargemeinschaftlicher Nutzung) zu entscheiden (§ 38 Abs 1 TFLG 1935; § 38 Abs 1 NÖFLG 1934 usw). Die agrarbehördliche Entscheidung über die Nutzungsanteile (Anteilsberechtigung) und die agrarbehördliche Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse stehen nach dem klaren Konzept des Bodenreformrechts in keinerlei Zusammenhang. Die Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft richten sich nach den Nutzungsverhältnissen (= Bodenreformrecht); die Entscheidung über das Eigentum ist eine reine Zivilrechtsfrage – freilich in der ausschließlichen Zuständigkeit der Agrarbehörde. Die Agrarbehörde hat nach Zivilrecht zu entscheiden: Titulus und Modus = Eigentumstitel und Einhaltung der Form. Sollte sich erweisen, dass im Grundbuch falsche Eigentümerbezeichnungen einverleibt waren, war das Grundbuch richtig zu stellen.

 

Albert Mair, langjähriger Leiter der Tiroler Agrarbehörde, hat diese Entscheidungsverpflichtung gerade auch im Fall der Regelung der Rechtsverhältnisse am Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung besonders hervorgehoben. Albert Mair, Probleme der Regulierung des Gemeindegutes, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol, 17: „Spätestens wenn das Regulierungsverfahren am Gemeindegut so weit fortgeschritten ist, dass der Regulierungsplan erlassen werden kann, hat sich der Agrarjurist mit der Frage des Eigentums am Regulierungsgebiet endgültig auseinanderzusetzen.“

 

Wenn und soweit im Zuge des Regulierungsverfahrens über die Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung entschieden wurde, besteht keinerlei Grundlage wegen angeblicher Nichtberücksichtigung der „Substanz“ (?) die Anteilsrechte anders festzusetzen oder der Ortsgemeinde ein neues Anteilsrecht „Substanzwertanspruch“ zuzugestehen. Zum einen ist das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung keinesfalls durch die Gemeindeordnungen als zwingend als Eigentum der Ortsgemeinde definiert, zum anderen verlangt die rechtskräftige Entscheidung Beachtung.

 

4. Der Substanzwertanspruch der Ortsgemeinden wurde vom VwGH auch für agrargemeinschaftliches Vermögen behauptet, hinsichtlich dessen die politische Ortsgemeinde im Zuge des Regulierungsverfahrens die ausdrückliche Erklärung abgegeben hat, auf ein Anteilsrecht an der Agrargemeinschaft zu verzichten.


 

Im Fall von Agrargemeinschaft Lermoos (Erkenntnis VwGH Zl 2010/07/0092) war dieser Verzicht sogar im Rahmen eines zwei Agrargemeinschaften betreffenden Parteienübereinkommens erklärt worden und die Verzichtserklärung war Teil eines Gegenleistungsverhältnisses: Im Gegenzug für den Verzicht bei der einen Agrargemeinschaft, war der Ortsgemeinde ein höherer Anteil in dem anderen Regulierungsverfahren zugestanden worden (Agrargemeinschaft Schober-Häselgör, Zl 2010/07/0090). Laut Interpretation des VwGH hätte sich der Verzicht nur auf Wald- und Weide-Nutzung bezogen. Die zusätzliche Rechtsposition aus dem Substanzwertanspruch sei sozusagen bei der Abmachung allseits vorausgesetzt und zu Grunde gelegt worden.

In seiner praktischen Konsequenz inakzeptabel ist dieses Auslegungsergebnis deshalb, weil man bei AGM Lermoos rund 50 Jahre lang von diesem „Substanzwertanspruch“ nichts gehört und nichts gewusst hat. Anteile an Agrargemeinschaften wurden unter Berücksichtigung eines „ungeschmälerten Wertes“ gehandelt; wegen kluger Wirtschaftsführung werden bei Agrargemeinschaft Lermoos jährlich Überschüsse erwirtschaftet; Ausschüttungen wurden getätigt - in Summe bis dato ca 700.000,-- EURO an die 110 Mitglieder (einschließlich der Ortsgemeinde als Eigentümerin von Stammsitzen in rund 50 Jahren). Das Anteilsrecht wurde ca 50 Jahre lang nicht anders behandelt als ein Genossenschaftsanteil. Dieses Anteilsrecht soll sich „über Nacht“ nicht mehr auf den „Substanzwertanteil“ beziehen?

 

5. Der Gesetzgeber hat auf diese Situation zu reagieren. Ca 10.000 bis 15.000 anteilberechtigte Tiroler Familien könnten betroffen sein oder mehr. Hinzu kommen jedenfalls die Anteilberechtigten im Bundesland Vorarlberg (alleine die Agrargemeinschaft Nenzing zählt ca 600 Anteilsberechtigte). Es ist davon auszugehen, dass auch in den Bundesländern Salzburg, Kärnten, Steiermark, Oberösterreich und Niederösterreich unter Anwendung des Zuständigkeitstatbestandes gemäß § 15 Abs 2 lit d FlVerfGG 1951 bzw des entsprechenden Tatbestandes im jeweiligen Landesgesetz Agrargemeinschaften reguliert wurden. (Im elektronischen Grundbuch von Niederösterreich sind ca 570 Agrargemeinschaften ausgewiesen.)

 

Jedenfalls nach Auffassung der Bundesregierung beharren die Anteilsberechtigten zu Recht auf Eigentumsschutz (siehe die Stellungnahme der Bundesregierung im Gesetzwerdungsprozess der TFLG-Novelle 2010 vom 9.2.2010, GZ BKA-654.127/001-V/2/2010, und zwei gemeinsame Stellungnahmen des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst und des Landwirtschaftsministeriums aus eben diesem Anlass, zuletzt BMLFUW-LE.4.1.7/0032-I/4/2009 vom 02.11.2009).

 

Zusätzlich drohen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit historischen Aufteilungen von Gemeinschaftsliegenschaften unter den Stammliegenschaftsbesitzern, welche ebenfalls „nur“ auf Bescheiden der Agrarbehörde als Landesbehörde beruhen. Der Gesetzgeber vermag keinen strukturellen Unterschied zu erkennen zwischen Bescheiden, welche agrargemeinschaftliche Liegenschaften im Sinn des § 15 Abs 2 lit d FlVerfGG 1951 der Aufteilung unterzogen haben und solchen, mit denen solche Liegenschaften als Eigentum einer Agrargemeinschaft festgestellt wurden.

Schließlich könnten die Streitigkeiten auch die entgeltlichen Erwerber von agrargemeinschaftlichem Liegenschaftsvermögen treffen. In Tirol wird behauptet, dass die Ansprüche der Ortsgemeinden auf den Substanzwert schon seit Jahrzehnten bekannt gewesen seien (fehlende Gutgläubigkeit!).

 

Politische Agitatoren können mit medialer Unterstützung mit diesem Thema überall in Österreich eine „Streitkultur“ in Form eines „juristischen Flächenbrands“ erzeugen. Die Anteilsberechtigten, deren „Aktien“ um den Substanzwertanteil „bereinigt“ werde sollen, wehren sich; alle Transaktionen betreffend „gemeindegutsbelastetes“ Liegenschaftsvermögen werden wegen Rechtsunsicherheit auf unabsehbare Zeit blockiert.

 

6. Es bestehen erhebliche Zweifel daran, dass der Sachverhalt, welcher im Erkenntnis VfSlg 18.446/2008 beurteilt wurde (Feststellungen im erstinstanzlichen Bescheid vom 9.11.2006), auch nur für Tiroler Verhältnisse repräsentativ ist.

Dazu stellte der Landesagrarsenat Tirol, LAS-889/28-06 vom 16.10.2008 (Folgeentscheidung nach VfSlg 18.446/2008), folgendes fest: „Gemäß § 56 AVG hat der Erlassung eines Bescheides, abgesehen von den hier nicht in Frage kommenden Ausnahmen, die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes, soweit er nicht von vorn herein klar gegeben ist, nach den §§ 37 und 39 voranzugehen. Gemäß § 37 AVG ist es Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Diese elementaren Verfahrensgrundsätze wurden bei Erlassung des angefochtenen Bescheides vom 09.11.2006 gröblich missachtet. Dem Bescheid vom 09.11.2006 ging kein geeignetes Ermittlungsverfahren voraus, weder zur Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes, noch im Hinblick auf das Gebot des rechtlichen Gehörs der Parteien.“

 

Im Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 02.11.2009, AgrB-R451/286, Seite 62 wurde Folgendes festgestellt: „Rücksichtlich dieser Sach- und Rechtslage muss erkannt werden, dass der Bescheid der Agrarbehörde I. Instanz vom 09.11.2006, AgrB-R741/362-2006, im Begründungsteil, wie er auch im Erkenntnis des VfGH vom 11.06.2008 wiedergegeben ist, einen unrichtigen Kern aufweist. Die Regulierungsergebnisse zum Gemeindegut Trins zeigen nämlich, dass die im Bescheid vom 09.11.2006 erhobenen Prämissen, es sei bei Gemeindegutsregulierungen (insgesamt und überall) nur um die Regelung der Holz- und Weidenutzung gegangen und weiters, dass sich diese „Tatsache“ in allen agrarbehördlichen Regulierungsakten spiegle (vgl. Zitat „dies kann in den Gemeindegutsregulierungsakten so nachgelesen werden“) nicht zutreffend sind“.

 

8. Mit den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Juni 2011 wird ein „Substanzwertanspruch“ der Ortsgemeinden „geschaffen“, welcher vom Sachverhalt, den der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 18.446/2008 beurteilt hat, vollkommen losgelöst und abstrahiert ist. Die hoch problematische Sachverhaltsgrundlage (insbesondere der Gedanke, die historische Agrarbehörde wollte nicht das Eigentumsrecht feststellen, sondern „nacktes Recht“[5]) wird völlig ausgeblendet. Die Erkenntnisse der Höchstgerichte in ihrem Zusammenwirken schaffen neues Recht.

 

Der falsche Rechtssatz im Erk VfSlg 9336/1982 (Gemeindegut sei zwingend Eigentum der Ortsgemeinde), in Verbindung mit den zur unrichtigen Sachverhaltsgrundlage im Bescheid vom 9.11.2006 entwickelten Rechtssätzen in VfSlg 18.446/1008, im Verbindung mit dem Rechtsstandpunkt des VwGH, wonach die historischen Eigentumsverhältnisse präjudiziert seien, wenn nach dem Zuständigkeitstatbestand gem § 15 Abs 2 lit d FlVerfGG 1951 judiziert wurde, bilden die Elemente für den oben beschriebenen „juristischen Flächenbrand“.

Wann immer die historische Agrarbehörde im Anwendungsbereich des Tatbestandes gemäß § 15 Abs 2 lit d FlVerfGG 1951 entschieden hat, sollen Substanzwertansprüche der Ortsgemeinden entstanden sein.

 

Dabei blendet auch der VwGH in den genannten 14 Erk vollkommen die Frage aus, wie sich diese Substanzwertansprüche der Ortsgemeinde zu den bescheidmäßig, regelmäßig aufgrund von Parteienübereinkommen festgestellten Anteilsrechten der Nutzungsberechtigten verhalten sollen.

 

9. Möglicherweise 100.000 betroffene Anteilsberechtigte Österreichweit, welche über Jahrzehnte nichts gehört und nichts gewusst haben, dass die Ortsgemeinde „substanzberechtigt“ sein soll, werden zu Recht Eigentumsschutz einfordern.

Dies muss den Bundes-Gesetzgeber auf den Plan rufen, der im Sinn der Wahrung von Rechtssicherheit und Rechtseinheitlichkeit sowie zum Schutz von Rechtspositionen, die in Regulierungsverfahren (konstitutiv) festgestellt wurden (Rechtsposition der Ortsgemeinden genauso, wie der übrigen Beteiligten), einzuschreiten hat. Dies, als Reaktion auf die Erkenntnisse VfSlg 9336/1982 sowie VfSlg 18.446/2008 iVm den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Juni 2011 (Leit-E Zl 2010/07/0091), welche neues Recht schaffen und die Anteilsberechtigten um ihren Substanzanteil enteignen. Dies ohne Grundlage im Gesetz, ohne Entschädigung und ohne Verfahren – schlicht aufgrund einer im rechtsfreien Raum entwickelten Dogmatik vom Gemeindegut, welche im Österreichischen Rechtsverständnis nicht gedeckt ist.

 

Dies ist gerecht, weil Anteilsrechte, welche unter Umständen seit vielen Jahrzehnten als Anteile am ganzen agrargemeinschaftlichen Vermögen behandelt, verstanden und gehandelt wurden (der anhängige Beschwerdefall VfGH B 217/11, Agrargemeinschaft Schildalpe geht beispielsweise auf eine Beurteilung der Eigentumsverhältnisse durch die Agrarbehörde im Jahr 1927 [!] zurück), mit genau diesem Verständnis vom Schutz der Rechtsordnung erfasst werden. Diese Anteilsrechte können nicht heute aufgrund einer theoretischen Dogmatik vom „Gemeindegut“, die für keinen der Betroffenen nachvollziehbar ist und vom Österreichischen Rechtsverständnis nicht einmal gedeckt ist, der „Substanzanteile“ entkleidet werden. Die Gemeindeordnungen konnten und wollten die Rechtsverhältnisse am Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung nicht präjudizieren (Art 12 B-VG; FlVerfGG 1932). Die Prämissen der gesamten Judikaturlinie seit VfSlh 9336/1982 sind nicht zutreffend.

 

Das Einschreiten des Bundes-Gesetzgebers ist auch in hohem Maße ökonomisch, weil Rechtspositionen, welche die Ortsgemeinden unter beträchtlichem Beratungsaufwand allenfalls erstreiten, mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Republik Österreich in einem Verfahren gemäß der EMRK entschädigt werden müssten. Mit Erk des VfGH vom 21.09.2010 B1470/09 vom 21.09.2010 wurde der Menschenrechtsschutz für das Anteilsrecht ausdrücklich bestätigt (vgl schon Öhlinger, Agrargemeinschaftliche Anteilsrechte und der Eigentumsschutz, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol, 281). Die Bundesregierung steht selbst auf dem Standpunkt, dass die Rechtsposition der Anteilsberechtigten schutzwürdig ist.

 

Gleichzeitig konkurrieren die Ortsgemeinden mit den anderen Gebietskörperschaften um die beschränkten Mittel im Rahmen des allgemeinen Finanzausgleichs. Die Idee, die Ortsgemeinden zu Lasten der anteilsberechtigten Mitglieder von Agrargemeinschaften (teilweise) zu finanzieren, macht vor diesem Hintergrund keinen Sinn; dies einmal ganz abgesehen davon, dass die Ortsgemeinden Verfahrenskosten auf sich nehmen, um diese Rechtspositionen zu gewinnen. Wenn die Republik die Anteilsberechtigten entschädigen muss, entsteht bestenfalls ein Null-Summenspiel. Spätestens im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen wird Bilanz zu ziehen sein. Dies mit dem voraussichtlichen Ergebnis: „Außer Spesen nichts gewesen!“

 

Es ist anzunehmen, dass bei der Entwicklung der (vermeintlichen) Rechtspositionen der Ortsgemeinden aus dem Zusammenwirken der Erk VfSlg 9336/1982, 18.446/2008 und VwGH 30.6.2011 Zl 2010/07/0091 die unmittelbare, eigentumsrechtliche Betroffenheit der einzelnen, seit Jahrzehnten anteilberechtigten Mitglieder, nicht ausreichend mitbedacht wurde. Das Erk VfSlg 18.446/2008 betont sogar noch eine besondere Position der Mitglieder als gemeinsame Eigentümer mit der Ortsgemeinde: Das gemeinsame Eigentum sei als Agrargemeinschaft organisiert.

Wie soll der Gedanke der Anteilsänderung zu Ende geführt werden? Bei einer Ausgangslage, die als gemeinsames Eigentum der Ortsgemeinden und der Anteilsberechtigten beschrieben wird, kann nicht der Anteil der Ortsgemeinden am „gemeinsamen Kuchen“ bei der Substanz auf 100% ausgedehnt und der Anteil der der Miteigentümer an der Substanz auf NULL reduziert werden!


 

Keines der Erk, weder des VfGH, noch des VwGH, setzt sich substanziert mit den Mitgliederrechten auseinander. Insbesondere das Erk VfSlg 18.446/2008, dessen Gedankenduktus beim gemeinsamen Eigentum der Ortsgemeinde und der Mitglieder  anknüpft, vernachlässigt in der weiteren Argumentation die Mitgliederrechte völlig. Weil das Eigentumsrecht bekanntlich „die Substanz“ mitumfasst (§ 354 ABGB) und die Anteilberechtigten offensichtlich Miteigentümer sind (VfSlg 18.446/2008: gemeinsames Eigentum [!]), entsteht ein juristisches Dilemma, wenn der Weg, den die Judikatur hier beschritten hat, weitergegangen wird.

 

10. Es werden juristische Auseinandersetzungen heraufbeschworen, welche – je länger diese Problematik ungelöst bleibt – zunehmende volkswirtschaftliche Bedeutung erlangen. So sollen in der Gemeinde Mieming bald 20 Bauwerber auf Bauplätze warten, die jedoch nicht verkauft werden, weil die Verwendung des Verkaufserlöses im „Dreieck Teilwaldberechtigte – Ortsgemeinde – Agrargemeinschaft“ juristisch unlösbar ist. In der Gemeinde Mutters soll ein Hotelbetrieb auf gewidmetem Agrargemeinschaftsgrund entstehen, welcher nicht verkauft wird, weil unklar ist, ob der Verkaufserlös der Ortsgemeinde oder der Agrargemeinschaft zusteht. Dies vor dem Hintergrund, dass die Regulierung von Agrargemeinschaft Mutters 1945 [!] abgeschlossen wurde und dass die Ortsgemeinde kein Anteilsrecht besitzt. (Seit über 60 Jahren hat die Ortsgemeinde einen Substanzwertanteil auch nie geltend gemacht.) Diese Beispiele ließen sich fortsetzen.

Volkswirtschaftliche Relevanz wird diese Rechtsunsicherheit entwickeln, weil das `juristische Gefecht´ erst begonnen wurde. Drei Jahre waren nötig, um in der Judikatur eine klare Linie zu entwickeln, welche Liegenschaften mit dem Substanzwertanspruch (angeblich) belastet sind. Die bisher stattgefundenen Auseinandersetzungen der Ortsgemeinden mit den Agrargemeinschaften selbst, welche die 14 Erk des VwGH 30.6.2011, Leit-E Zl 2010/07/0091, hervorgebracht haben, sind offensichtlich Vorgeplänkel, weil erst jetzt die anteilberechtigten Mitglieder auf den Plan gerufen werden. Parallel droht ein juristischer Grabenkampf in zweierlei Hinsicht: Einschlägige Medien, welche die Auseinandersetzung gegen die Agrargemeinschaften stark forcieren, fordern die Aufrollung sämtlicher Rechtsgeschäfte der Gemeindegutsagrargemeinschaften; gleichzeitig sollen regulierte Anteile an diesen einer „Bedarfsprüfung“ unterworfen werden. Anteilsrechte, welche quer durch das Land teilweise um viel Geld gehandelt wurden, sollen (zu Gunsten der Ortsgemeinde?) erlöschen, wenn „ein Bedarf“ weggefallen ist. Die Qualität des Anteilsrechts als Eigentum im Sinn der EMRK ist freilich nicht davon abhängig, ob und gegebenenfalls wie der Eigentümer eine Großvieheinheiten über den Winter bringt, ob der Landwirt ist oder nicht usw.

 

Zusätzlich zu einer unter Umständen Jahrzehnte andauernden Blockade von nötigen Liegenschaftstransaktionen wegen fehlender Rechtssicherheit, droht schließlich langfristig eine Zerschlagung des funktionierenden Systems der Agrargemeinschaften. Die Agrargemeinschaften verwalten seit vielen Jahrzehnten erfolgreich nutzungsbelasteten Grund und Boden einschließlich umfangreicher Forstwegenetze, sie erhalten Kapellen genauso sowie touristischer Einrichtungen speziell auch auf Almliegenschaften.

Die Vergangenheit hat erwiesen, dass Modelle, wo die Ortsgemeinde die Gemeinschaftsliegenschaften als Eigentümerinnen verwalten, hohe laufende Abgänge schaffen, welche die Budgets der Ortsgemeinden belasten (Ortsgemeinde Sölden als Beispiel).

 

11. Selbst die im Tiroler Landesgesetz 2010 umgesetzte Idee, wonach agrargemeinschaftliche Liegenschaften unter dem Titel „Gemeindegut in Gemeindehand“ zwangsweise für öffentliche Interessen („Infrastrukturmaßnahmen“) mobilisiert werden sollen, wird an einer fehlenden Landeskompetenz für derartige Zwecke scheitern.

Weder sind derartige Maßnahmen durch das FlVerfGG 1951 gedeckt, noch entsprechen solche Maßnahmen dem Kompetenztatbestand „Bodenreform“ gem Art 12 B-VG im Allgemeinen. Ein Bundesgesetz zur (weitgehend) entschädigungslosen Enteignung von „Gemeindegutsagrargemeinschaften“ ist freilich undenkbar, zumal die historische Agrarbehörde das Eigentum der Agrargemeinschaft (rechtskräftig) festgestellt hat. Das Raumordnungs- und Flächenwidmungsrecht bietet ausreichende Instrumente (zB Widmungsvereinbarungen) um dem Bedarf an Liegenschaften für öffentliche Infrastruktureinrichtungen gerecht zu werden. Hinzu kommt das Mehrheitsprinzip bei Entscheidungen der Vollversammlung insbesondere auch bei Liegenschaftsgeschäften. Für spezielle Enteignungsnormen zu Lasten von Agrargemeinschaften ist unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes kein Platz.

 

Auch andere unter dem Druck populistischer Agitation erzwungene Reaktionen des Tiroler Landesgesetzgebers gegen Agrargemeinschaften stehen in offenem Widerspruch mit Österreichischer Rechtstradition und bis dato vermeintlich gesicherten Rechtspositionen. Verwiesen wird auf die Abhandlung von Peter Pernthaler, Verfassungsrechtliche Probleme der TFLG-Novelle 2010.

 

12. Wie soll die Sanierung des Flurverfassungsrechts nach VfSlg 9336/1982 bewerkstelligt werden? Das Erk VfSlg 9336/1982 baut darauf auf, dass auch das „Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung“ dem Kompetenz-Tatbestand „Bodenreformrecht, insbesondere agrarische Operationen“ gem Art 12 Abs 1 Bundesverfassungsgesetz unterliegt (ausführlich Pernthaler, Eigentum am Gemeindegut, ZfV 2010, 375 ff). Das Erk beanstandet die undifferenzierte Einbeziehung des Gemeindegutes in das Bodenreformrecht, weil das Erk darauf gründet, dass die Gemeindeordnungen der Länder die Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut zwingend definieren würden. Dass die Gemeindeordnungen der Länder für das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung gar keine Regelungskompetenz in Anspruch nehmen, wurde offenkundig übersehen. Dem Erk VfSlg 9336/1982 ist deshalb voll und ganz entsprochen, wenn klargestellt wird, dass ausschließlich das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung dem Bodenreformrecht unterliegt und dass die Agrarbehörde in jedem konkreten Fall – entsprechend der klaren Intention des Bodenreformgesetzgebers nach Möglichkeit im allseitigen Einvernehmen aller Beteiligten – zu prüfen und zu entscheiden hat, wessen Eigentum die agrargemeinschaftlich genutzten Liegenschaften sind und waren.

 

Zusammenfassung:

 

I. Das Einschreiten des Bundes-Grundsatzgesetzgebers ist dringend geboten; dies vor allem im Interesse des Schutzes der Rechtssicherheit und des Eigentumsrechts. Eigentumseingriffe zu Gunsten der Ortsgemeinden, welche mittelfristig vom Bund zu entschädigen wären, können in niemandes Interesse sein. Dies umso weniger, wenn als Folge dieses juristischen „Gefechts“ der Anteilsberechtigten gegen die Ortsgemeinden alle Rechtsgeschäfte von und mit Agrargemeinschaften und ihren Mitgliedern auf unabsehbare Zeit zum Erliegen kommen.

 

Mittelfristig gilt es einer Zerschlagung eines erfolgreichen Systems privatautonomer Verwaltung von Gemeinschaftsvermögen landwirtschaftlichen Ursprungs mit allen negativen Begleiterscheinungen speziell auch tourismuswirtschaftliche Interessen negativ betreffend, wirksam vorzubeugen.

 

II. Als Begleitmaßnahme wird der Bundesregierung dringend empfohlen, die nötige Aufklärung in den betroffenen Gemeinden zu forcieren. Offenkundig ist, dass der in Tirol ausgebrochene Agrarstreit nur eine Wiederholung von Auseinandersetzungen darstellt, welche in der Regel im 19. Jhdt ausgefochten wurden. Julius Weiske, Universitätsprofessor an der juristischen Fakultät der Universität Leibzig (+ 1877), hat in seiner Abhandlung aus dem Jahr 1849 (!) „Über Gemeindegüter und deren Benutzung durch die Mitglieder nach den Bestimmungen der neuen Gemeindegesetze“, die Verhältnisse trefflich erfasst, wenn er Folgendes forderte:

 

„…so erachten wir, dass zu förderst die Gemeinden selbst über die Natur und Beschaffenheit ihrer Gemeindegüter aufgeklärt werden müssen. Gegenwärtig [1849!] fasst in der Regel jedes Mitglied diese Güter unter dem Gesichtspunkte auf, der ihm der vorteilhafteste ist. Die zum Beispiel, die kein Vieh halten, sagen, die Gemeindeweide, von der wir keinen Vorteil haben, ist auf andere Weise zu nutzen, sei es zum Besten der Gemeindekasse oder zu dem aller Mitglieder. Sie meinen überhaupt, was einmal Gemeindegut sei, könne, da sie alle Gemeindeglieder seien, nicht zu dem Privatvorteil einer bloßen Klasse von Gemeindegliedern verwendet werden. Die Alpberechtigten dagegen betrachten die Gemeindegüter, deren Nutzungen sie seither allein gezogen haben, nicht als Vermögensteil der neu geschaffenen politischen Gemeinde; sie halten dieselben in Gefühle ihres historischen Rechtes für Güter, die ihnen, den Berechtigten, gemeinsam zustehen, und zwar selbst dann, wenn sie einen gewissen Anteil des Ertrages der Gemeindekasse zufließen lassen. Häufig sind aber auch die den Gemeinden vorgesetzten Behörden hinsichtlich der Natur der Gemeindegüter mit sich selbst nicht im Klaren. Sie gehen von den römisch-rechtlichen Lehren aus und kennen die historische Bedeutung der Gemeindegüter bei uns nicht.“ (Weiske, aaO Seite 9 f)

 

Weiske weiter:

 

„So wären denn die Gemeinden darüber aufzuklären, wie diese Güter entstanden sind, wie die jetzt bevorzugt erscheinenden Mitglieder die rechtlichen Nachfolger derer sind, welche, als sie die ganze Flur in Besitz nahmen, die jetzt sog. Gemeindegüter ungeteilt ließen, um sie gemeinschaftlich oder nach bestimmt festgesetzten Anteilen für sich zu benutzen.

Dabei muss man in Erwägung ziehen, dass die, welche jene Einrichtung trafen, ebenso gut, wenn es ihr Interesse erfordert hätte, jene ungeteilt gebliebenen Grundstücke sich hätten zuteilen und zu ihren Äckern oder Privatgütern schlagen können.

Wäre dies geschehen, so würde niemand behaupten: Da wir jetzt alle wirkliche Gemeindeglieder, gleichberechtigt und gleich verpflichtet sind, so darf auch kein Mitglied ein größeres Gut, mehr Wald usw. als ein anderes haben.“ (Weiske, aaO, Seite 10).

 

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Anhang: Die Regelungen der Landesgesetze

 

Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung in den Gemeindeordnungen

 

 

a) § 61 Abs 3 des Steirischen Gesetzes vom 6. Juli 1948 über die Änderung der Gemeindeordnung, LGBl 52/1948:

 

„§ 61. Gemeindegut. (1) Sachen, welche zum Gebrauche eines jeden Gemeindemitgliedes einer Gemeinde dienen, bilden das Gemeindegut. Insbesonders gehören zum Gemeindegut Grundstücke, welche von allen oder nur von gewissen Gemeindemitgliedern einer Gemeinde oder einer Ortschaft zur Deckung ihres Guts- und Hausbedarfes gemeinschaftlich oder wechselseitig benützt werden.

(2) …

(3) Nach den aufgrund des Artikels 12, Abs (1), Punkt 5, der Bundesverfassung 1929 erlassenen Gesetzen unterliegt das in Abs (1) bezeichnete Gemeindegut den Bestimmungen dieser Gesetze. Die Entscheidung über den Bestand des Gemeindegutes als agrarische Gemeinschaft im Sinne dieser Gesetze, über den Verkauf des Gemeindegutes oder von Teilen desselben, ferner über die Übertragung von Nutzungsrechten an andere Gemeindemitglieder und die Höhe der einzelnen Nutzungen steht den Agrarbehörden zu.

(4) Die Gemeindebehörde hat darauf zu achten, dass die Nutzungen der Gemeindemitglieder nicht über den notwendigen Guts- und Hausbedarf hinaus in Anspruch genommen werden und diese Nutzungen der nachhaltigen Bewirtschaftung des Grundstückes, insbesondere bei Waldungen, entsprechen. Nötigenfalls ist die Entscheidung der Agrarbehörde einzuholen.“


 

b) § 67 Oö Gemeindeordnung 1948, Anlage 1 zum Gesetz vom 7. Juli 1948 LGBl 22/1949:

 

„Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf jene Teile des Gemeindegutes, die als agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne des § 15, Abs (2), Punkt d, des Bundesgesetzes vom Jahr 1932, BGBl Nr 256, betreffend Grundsätze für die Flurverfassung, gelten, nur insofern Anwendung, als sie mit diesem Grundsatzgesetz und dem Ausführungsgesetze hiezu nicht im Widerspruch stehen. Bis zur Erlassung des Ausführungsgesetzes bleiben die geltenden Vorschriften in Kraft.“

 

In der Oberösterreichischen Gemeindeordnung 1965, LGBl 45/196, § 71 Gemeindegut Abs 7 wird die Unterscheidung zwischen Gemeindegut im Allgemeinen, welches der Gemeindeordnung unterliegt und Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung, welches dem Flurverfassungsrecht unterliegt, konsequent fortgesetzt. Nach dieser Bestimmung, welche in erster Linie klarstellenden Charakter hat, gilt:

 

Oö Gemeindeordnung 1965 LGBl 45/196 § 71 (7). „Die gesetzlichen Bestimmungen auf dem Gebiet der Bodenreform werden durch die Bestimmungen der Abs 1 bis 6 nicht berührt.“

 

Das Oberösterreichische LG vom 29. April 1936, Oberösterreichische Gemeindeordnung 1936 regelte das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung wie folgt:

 

§ 67 Oberösterreichische Gemeindeordnung 1936. Die Bestimmung lautet wie folgt: „Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf jene Teile des Gemeindegutes, die als agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinn des § 15, Absatz 2, Punkt d, des Bundesgesetzes vom Jahre 1932, BGBl Nr 256, betreffend Grundsätze für die Flurverfassung, gelten, nur insoweit Anwendung, als sie mit diesem Grundsatzgesetz und dem Ausführungsgesetze hiezu nicht in Widerspruch stehen. Bis zur Erlassung des Ausführungsgesetzes bleiben die geltenden Vorschriften in Kraft.“

 

Ergänzend regelte § 69 Abs 5 Oberösterreichische Gemeindeordnung 1936 Folgendes:

 

„Über Ansprüche auf Nutzungen des Gemeindegutes entscheidet der Gemeindetag. Bei agrargemeinschaftlichen Grundstücken im Sinn der Grundsätze für die Flurverfassung (BGBl Nr 256/1932), entscheiden nach Inkrafttreten des Landes-Ausführungsgesetzes im Streitfalle die Agrarbehörden.“

 

c) Gem § 102 Abs 3 Vlbg Gemeindeordnung 1935 LGBl 1935/25 wurde die Konkurrenz zwischen Gemeinderecht und Flurverfassung nicht weniger klar geregelt:

 

§ 102 Abs 3 Vlvg GO 1935 LGBl 1935/25: „Die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der als agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinn des § 15 Absatz 2 Punkt d des Bundesgesetzes betreffend Grundsätze für die Flurverfassung BGBl Nr 256/1932 geltenden Teile des Gemeindegutes, werden durch das Ausführungsgesetz zu diesem Bundesgesetz geregelt; bis dahin bleiben die bisher geltenden Vorschriften in Kraft.“

 

§ 91 Abs 4 Vlbg Gemeindegesetz 1965 ordnete deshalb folgendes an:

 

§ 91 Abs 4 Vlbg GG 1965, LGBl LGBl 1965/45. „Die Gemeinde als Trägerin von Privatrechten ist verpflichtet, Gemeindegut, dessen rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse noch nicht nach den Bestimmungen des II Hauptstückes des Flurverfassungsgesetzes, LGBl Nr 4/1951, geordnet sind, vorläufig nach den Bestimmungen des Flurverfassungsgesetzes zu verwalten.“ [6]

 


Den Gesetzesmaterialien zur Vlbg Gemeindeordnung 1965 ist dazu Folgendes zu entnehmen:

 

Der Vorarlberger Gemeindegesetzgeber geht davon aus, dass „das bisher in den §§ 72 bis 77 und 102 bis 108 der GO 1935 genannte Gemeindegut ausschließlich aus agrargemeinschaftlich genutzten Grundstücken“ bestehe. Die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse am Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung seien inzwischen im Flurverfassungsgesetz, LGBl. Nr. 4/1951, geregelt. […] Die Ordnung der Verhältnisse des Gemeindegutes im Einzelnen ist zwar schon weit fortgeschritten, aber noch nicht abgeschlossen. Um für die Übergangszeit für eine geordnete Verwaltung vorzusorgen, erweise es sich als zweckmäßig, den Gemeinden die Verpflichtung aufzuerlegen, die bisher geübte vorläufige Verwaltung bis zur Regulierung weiterzuführen. § 91 Abs 4 Vlbg Gemeindegesetz 1965 ordnete deshalb folgendes an: „Die Gemeinde als Trägerin von Privatrechten ist verpflichtet, Gemeindegut, dessen rechtliche und wirtschaftliche Verhältnisse noch nicht nach den Bestimmungen des II Hauptstückes des Flurverfassungsgesetzes, LGBl Nr 4/1951, geordnet sind, vorläufig nach den Bestimmungen des Flurverfassungsgesetzes zu verwalten.“

 

d) Die Tiroler Gemeindeordnung 1935[7] ordnete die Konkurrenz zum TFLG 1935 in § 117, § 140, 164 TGO 1935. Danach galten für die agrargemeinschaftlichen Liegenschaften des Gemeindeguts im Sinne des Flurverfassungslandesgesetzes die Bestimmungen des TFLG 1935[8]; diese Bestimmung war für das „Fraktionsgut“ sinngemäß zur Anwendung zu bringen war[9]. Die TGO 1949[10] hat an der Rechtslage, wonach agrargemeinschaftlich genutztes Gemeindegut nach den gesetzlichen Vorschriften über die Flurverfassung zu behandeln war, nichts geändert[11].

 

§ 79 Tiroler Gemeindeordnung 1935.

 

Die Verteilung des Gemeindevermögens und Gemeindeguts oder eines Teiles davon unter die Gemeindemitglieder ist in der Regel unzulässig. Ausnahmen bewilligt die Landesregierung, wenn besonders triftige Gründe vorliegen. Insoweit es sich beim Gemeindegut um agrargemeinschaftliche Grundstücke handelt, ist die Teilung im Flurverfassungslandesgesetz geregelt.

 

§ 114 (3) Tiroler Gemeindeordnung 1935.

 

Über Ansprüche auf Nutzungen des Gemeindeguts beschließt der Gemeindetag. Bei agrargemeinschaftlichen Grundstücken iSd Flurverfassungslandesgesetzes entscheiden im Streitfalle die Agrarbehörden.

 

§ 117 Tiroler Gemeindeordnung 1935.

 

„Für die Regelung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Gemeindeguts, insoweit dieses aus agrargemeinschaftlichen Grundstücken im Sinne des Flurverfassungslandesgesetzes besteht, sind die Bestimmungen des Flurverfassungslandesgesetzes maßgebend.“

 

 

§ 120 (2) Tiroler Gemeindeordnung 1935.

 

Nutzungsrechte haften an der Liegenschaft und können im Allgemeinen nur mit dieser rechtsgültig übertragen werden. (2) Für die ausnahmsweise Übertragung von Nutzungsrechten an agrargemeinschaftlichen Grundstücken sind die Bestimmungen des Flurverfassungslandesgesetzes maßgebend.


 

 

Gem § 140 TGO 1935 galt dies auch für Fraktionsgut in agrargemeinschaftlicher Nutzung.

 

§ 164 letzter Satz TGO 1935.

 

„Insoweit es sich um agrargemeinschaftliche Grundstücke handelt, wird die Veräußerung, Belastung und Verteilung des Gemeinde-(Fraktions)Guts im Flurverfassungslandesgesetz geregelt.“

 

Gemäß Artikel III (Tiroler) LGBl 1935/36 wurde folgende Übergangsregelung getroffen:

 

„Artikel III. LGBl 1935/36. Bis zum Inkrafttreten des Flurverfassungs-Landesgesetzes gelten für das Gemeindegut, insoweit es aus agrargemeinschaftlichen Grundstücken besteht, folgende Bestimmungen:

1. Über Ansprüche auf Nutzungen des Gemeindegutes entscheidet in I. Instanz der Gemeindetag.

2. Die Verteilung des Gemeinde-(Fraktions)Gutes oder eines Teiles davon unter die Gemeindemitglieder ist in der Regel unzulässig. Ausnahmen bewilligt die Landesregierung, wenn besonders triftige Gründe vorliegen.

3. Wenn und insoweit die Teilnahme an den Nutzungen des Gemeindegutes nicht schon erschöpfend durch die Übung geregelt ist, kann der Gemeindetag die Teilnahme an den Nutzungen des Gemeindegutes durch die Gemeindeglieder (§ 15) mit Beachtung der beschränkenden Vorschriften des § 119 regeln. Hiebei hat als Grundsatz zu dienen, dass jede Beeinträchtigung bestehender Rechte vermieden werden muss. Jede solche Regelung bedarf der Genehmigung durch die Landesregierung.

4. Ausnahmsweise kann die Landesregierung auf Antrag des Gemeindetags die gänzliche oder teilweise Übertragung von Nutzungsrechten auf eine andere Liegenschaft innerhalb der Gemeinde bewilligen. Die Bewilligung kann von der Erfüllung bestimmter, in Wahrung der Interessen der Gemeinde gebotener Bedingungen abhängig gemacht werden.

5. Beschlüsse des Gemeindetages über die Veräußerung, Verteilung oder Belastung von Gemeinde-(Fraktions)Gut sowie über die Regelung der Teilnahme an der Nutzung des Gemeindeguts bedürfen der Genehmigung der Landesregierung.

 

Alle späteren Tiroler Gemeindeordnungen haben ausdrücklich klargestellt, dass deren Regelungen betreffend das Gemeindegut im Allgemeinen das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung, welches der Flurverfassung zu Regelung zugewiesen ist, nicht betreffen (zB § 82 TGO 1949; zuletzt § 74 TGO 2001 LGBl 2001/36: „Verhältnis zu den Vorschriften in den Angelegenheiten der Bodenreform. Im Übrigen werden durch dieses Gesetz die Vorschriften in den Angelegenheiten der Bodenreform nicht berührt.“) Weil das Bodenreformrecht gem Art 12 B-VG in den Grundsätzen Bundeskompetenz ist und weil die Rechtsverhältnisse am Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung dem Kompetenztatbestand Bodenreformrecht zugewiesen sind, sind diese Regelungen konsequent und verfassungsrechtlich geboten.

 

 

 

In formeller Hinsicht wird eine erste Lesung binnen dreier Monate verlangt und die Zuweisung an den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft vorgeschlagen.

 

 

Wien, am 28. Oktober 2011



[1] „Unter dem Gemeindegut (Ortschaftsgut, Fraktionsgut), das § 15 Abs 2 lit d FlV-GG und § 31 Abs 2 lit d VFlVG zu den agrargemeinschaftlichen Grundstücken zählen und der Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach Maßgabe des Gesetzes unterwerfen, ist jene Erscheinung zu verstehen, die in den früheren Gemeindeordnungen im Rahmen des Reichsgemeindegesetzes 1862 und den nachfolgenden Gemeindegesetzen geregelt war (…) und im geltenden Vlbg Gemeinderecht noch als bestehend festgehalten wird.“ (VfSlg 9336/1982 Pkt III Z 1 Abs 1 der Begründung).

[2] VfSlg 9336/1982 Pkt III Z 1 Abs 3 der Begründung: „Das Gemeindegut iS der Gemeindeordnungen ist aber – und hierin ist der VfGH insbesondere auch mit der Vbg. Landesregierung einig – nicht nur formell der Gemeinde zugeordnet, sondern auch in materieller Hinsicht Eigentum der Gemeinde und nur insofern beschränkt, als es mit bestimmten öffentlich-rechtlichen Nutzungsrechten einiger oder aller Gemeindeglieder belastet ist, sodass die Substanz und also auch der Substanzwert und ein allfälliger Überschuss der Nutzungen des Gemeinde als solcher zugeordnet bleiben.“

[3] VfSlg 18.446/2008, Pkt II B Z 1 Abs 2 (Seite 15 des Originalerkenntnisses): „Wenn die Agrarbehörden in den Sechziger Jahren also das Eigentum am Gemeindegut auf die Agrargemeinschaft übertragen haben, war das durch das Vorbild der echten Agrargemeinschaften vielleicht nahe gelegt, im Blick auf das Ergebnis aber offenkundig verfassungswidrig. Ist dieser Akt jedoch - wie hier - rechtskräftig geworden, ist Gemeindegut entstanden, das nun atypischerweise im gemeinsamen Eigentum der Gemeinde und der Nutzungsberechtigten steht und als Agrargemeinschaft organisiert ist (vgl. VfSlg. 17.779/2006).“

[4] VfSlg 18.446/2008, Pkt II B Z 2 Abs 4 (Seite 17 f des Originalerkenntnisses): „Das Problem dieses Verfahrens ist vielmehr ausschließlich die im Gesetz nirgends näher bedachte Rechtslage, die durch die Feststellung des Eigentums einer Agrargemeinschaft am Gemeindegut geschaffen wurde. Das für das Gemeindegut wesentliche Substanzrecht der Gemeinde muss hier - entgegen dem ursprünglichen (gemeinderechtlichen) Konzept des Gemeindegutes, das sie als Eigentümerin vorsieht, - als (möglicherweise im Ausmaß wechselnder) Anteil an der Agrargemeinschaft zur Geltung gebracht werden können.“

[5] Bescheid der Tiroler Agrarbehörde I. Instanz vom 09.11.2006, AgrB-R741/362-2006, wörtlich zitiert nach VfSlg 18.446/2008, Seite 5 des Originalerkenntnisses: „Die Zuordnung des Eigentums am Gemeindegut an die Agrargemeinschaft als Regulierungsmaßnahme … erfolgte ohnehin als nudum jus, als nacktes Recht, weil der Regulierungsplan für Gemeindegut regelmäßig nur die damals (allein zulässige!) agrargemeinschaftliche Wald- und Weidenutzung festschrieb.“

[6]) § 91 Abs 4 Vlbg Gemeindegesetz 1965, LGBl 1965/45 (unverändert § 99 Gemeindegesetz 1985, aufgehoben durch das “Gemeindegutsgesetz 1998“, (Vlbg) LGBl 1998/49.

[7] LG vom 10. Juli 1935 LGBl 1935/36.

[8]) § 117 TGO 1935: „Für die Regelung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Gemeindeguts, insoweit dieses aus agrargemeinschaftlichen Grundstücken im Sinne des Flurverfassungslandesgesetzes besteht, sind die Bestimmungen des Flurverfassungslandesgesetzes maßgebend.“

[9]) § 140 TGO 1935: „Die Verwaltung des Fraktionsvermögens und des Fraktionsguts hat nach den für das Gemeindevermögen und das Gemeindegut geltenden Bestimmungen zu erfolgen.“

[10] LG vom 31. März 1949, LGBl 1949/24.

[11] § 82 TGO 1949: „Durch die Bestimmungen dieses Gesetzes werden die gesetzlichen Vorschriften über die Flurverfassung nicht berührt.“