1769/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 06.12.2011
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Birgit Schatz,Freundinnen und Freunde

 

betreffend Maßnahmen gegen prekäre Leiharbeit

 

BEGRÜNDUNG

 

Die Leiharbeitsbranche boomt. Heute sind LeiharbeiterInnen nicht mehr nur im Produktionsbereich und auf Baustellen, sondern quer über alle Branchen, vom Krankenhaus, über das Reinigungsgewerbe bis zur Nationalbank beschäftigt. LeiharbeiterInnen stellen bereits 2-3% aller unselbstständig Beschäftigten (etwa 75- 80 000 Personen) und schon jede 5. vom AMS angebotene Stelle ist eine Stelle bei einer Leiharbeitsfirma. LeiharbeiterInnen dienen längst nicht mehr nur zum Decken der Auftragsspitzen, sondern wachsen zunehmend auf Kosten von regulären Anstellungen, da LeiharbeiterInnen in der Regel günstiger und jeder Zeit abbaubar sind, unter „Sachkosten“ verbucht werden können  und daher auch nicht in der Personalstatistik aufscheinen.

LeiharbeiterInnen werden oft zu gefährlicheren und unbeliebten Arbeiten herangezogen, die der Stammbelegschaft nicht zugemutet werden können und bekommen häufig  keine adäquate Vorbereitung und Einschulung. Das führt u.a. dazu, dass  Arbeitsunfälle bei LeiharbeiterInnen etwa 3-mal so hoch sind wie im Durchschnitt (AUVA 2009). Weiters sind LeiharbeiterInnen in der Regel von betrieblichen Sozialleistungen und Weiterbildungen ausgeschlossen und werden von BetriebsrätInnen im Beschäftigerbetrieb nicht ausreichend vertreten. Das Ende ihrer Einsätze beim Beschäftigerbetrieb wird oft nur wenige Tage vorher oder am selben Tag angekündigt. Umfragen ergaben, dass etwa 2/3-3/4 aller LeiharbeiterInnen die Branche verlassen wollen. Das ist aber nicht so einfach, denn die sogenannte auch vom AMS gerne ausgewiesene arbeitsmarktpolitische „Brückenfunktion“ (Übergang zur Standardbeschäftigung) von Leiharbeit ist in Österreich mit 19-23% geringer als in anderen europäischen Ländern.

Österreich verfügt zwar mit dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz und einem Kollektivvertrag über ein relatives gutes Regelwerk. Prekäre Leiharbeitsverhältnisse entstehen derzeit trotzdem und zwar durch die Umgehung gültiger Regelungen und unseriöse Beschäftigungspraktiken. So bedeutet derzeit  trotz Kündigungsfristen im Kollektivertrag für etwa 60% aller LeiharbeiterInnen das Ende des Arbeitseinsatzes beim Beschäftigerbetrieb zugleich auch das Ende des Arbeitsverhältnisses bei der Leiharbeitsfirma. Kündigungsfristen werden systematisch umgangen, weil LeiharbeiterInnen durch Überlasserfirmen zu einvernehmliche Lösungen überredet werden. Die Kosten von Stehzeiten werden so vom AMS finanziert und auf die Allgemeinheit verlagert, LeiharbeiterInnen fallen um den ihn zustehenden Lohn und bekommen nur Arbeitslosengeld. Meist werden sie schon nach zwei Wochen, wieder von denselben Leiharbeitsfirmen verliehen. Der  Verwaltungsgerichtshof hat die Praxis bereits als rechtswidrig verurteilt. 

Laut § 135 Gewerbeordnung kann Arbeitskräfteüberlassern bei Verstoß gegen das Arbeitsrecht sogar die Konzession entzogen werden. Leider aber kommt der Paragraph faktisch nicht zur Anwendung da die zuständige Kontrollbehörde, die Gewerbebehörde quasi keine Kontrollen durchführt.

 

Eine Deckelung des Einsatzes von LeiharbeiterInnen in Betrieben gibt es in 9 EU-Staaten, in Österreich ist das nur bei wenigen Betrieben in der Betriebsvereinbarung  der Fall. Derzeit gibt es Eingriffsmöglichkeiten seitens des Sozialministers, wenn die  Quote der LeiharbeiterInnen in einer gesamten Branche über 10% erreicht. Dies ist aber nie der Fall, da einige Unternehmen sehr viele und andere gar keine LeiharbeiterInnen beschäftigen und die derzeitige statistische Erhebung nur auf ungenauen Stichtagserhebungen basiert.

Die aktuell notwendige Umsetzung der erneuerten EU-Leiharbeits-Richtlinie bis spätestens Ende 2011 erfordert nun notwendige Veränderungen des österreichischen Arbeitskräfteüberlassungsgestzes (AÜG) vor allem in Bezug auf die tatsächliche Bezahlung der Stehzeiten. Zugleich bietet die notwendige Novelle die Möglichkeit die Situation tausender LeiharbeiterInenn zu verbessern. Leiharbeit darf nur, so wie ursprünglich intendiert, ein Hilfssystem für produktions- und nachfrageintensive Kurzphasen sein. Die wirkliche Gleichstellung von LeiharbeiterInnen im Betrieb muss umgesetzt werden.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz wird aufgefordert,

 

 

·        sich für die Verlagerung des Kontrollorgans zur Einhaltung der Arbeitsrechte für Überlasserfirmen gemäß § 135 Gewerbeordnung  von  der Gewerbebehörde hin zur Arbeitsinspektion oder Finanzpolizei einzusetzen und


·        eine Stärkung der Informations- und Mitbestimmungsrechte im ArbVG für  Betriebsräte in Beschäftigerbetrieben bezüglich LeiharbeiterInnen und Zutritts- und Informationsrechte für BetriebsrätInnen der Leiharbeitsfirmen in Beschäftigerbetrieben festzuschreiben.

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales  vorgeschlagen.