1856/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 29.02.2012
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Entschließungsantrag

 

 

der Abgeordneten KO Strache, Mag Stefan

und weiterer Abgeordneter

 

betreffend den Ausbau der direkten Demokratie in Österreich

 

In ihrer Selbsteinschätzung gibt die Politik generell gerne vor, das wesentliche Instrument für die Bewältigung von Krisen zu sein. Kaum eine politische Maßnahme, kaum eine Weichenstellung, kaum eine Entscheidung im gegenwärtigen Geschehen auf allen Ebenen der Politik wird von den Verantwortlichen nicht als Antwort auf Erfordernisse, welche sich einer Krise verdanken, interpretiert. 

Im Zuge der Konzentration auf die Krisenerscheinungen und die Frage nach den Mitteln zu deren Verdrängung oder auch Bewältigung wird gerne übersehen, dass alle diese Krisen in einem direkten Zusammenhang mit einer Krise der Politik oder des Politischen insgesamt stehen.

 

Denn die Politik hat es verlernt oder verzichtet darauf, die Zwecke ihres Handelns zu hinterfragen und beschäftigt sich nur mit den Mitteln zur Umsetzung des Unhinterfragten und der Bewältigung seiner Folgen. Sie ist zur Technik verkommen. Werte sind maximal zweit oder drittrangig.

 

Der Selbstanspruch der Politik, Problemlöser und Krisenbewältiger zu sein, wird daher von den Menschen, den Bevölkerungen, die durch die Politik in ihren Interessen vertreten und ihren Bedürfnissen geschützt werden sollen, zunehmend mehr in Frage gestellt. Ja mehr noch, der vermeintliche Problemlöser wird vielfach als Problemverursacher erkannt, kritisiert und abgelehnt. Dies wird beispielsweise angesichts der Finanz und Wirtschaftskrise offenkundig.

 

Das politische System folgt mit seinen Erwartungshaltungen, Vorgaben, Maßnahmen, Rahmenbedingungen und Regelwerken einem von ihm selbst vorgegebenen ideologischen Konzept, das weitestgehend naiv auf die Selbstregulierungskräfte des freien Marktes vertraut. Dasselbe politische System versagt in seinen Kontrollmechanismen und hält sich nicht an selbst gemachte Regeln und definierte Grenzen. Dasselbe politische System trifft infolge von negativen Auswirkungen weitere einsame Entscheidungen über die Köpfe derer hinweg, die die Folgen der Entscheidungen persönlich zu tragen haben. Dasselbe

Zuweisungsvorschlag: Verfassungsausschuss


 

politische System überträgt den entstandenen Schaden auf die Masse, auf die Allgemeinheit, und überlässt den Gewinn in den Händen weniger. Dasselbe politische System tut also substantiell das Gegenteil von dem, was die Bevölkerungen von ihm erwarten. Die Folgen liegen auf der Hand: Die Probleme werden zunehmend noch grösser statt kleiner.

 

Es ist daher notwendig, den Bürgern die Möglichkeit zu geben, abseits vom Beharrungsvermögen des politischen Establishments, nach Schweizer Vorbild selbst und direktdemokratisch über Weichenstellungen für die Zukunft zu entscheiden.

 

Jede Entscheidung, die von den Mandataren im Nationalrat oder in den Landtagen abgestimmt werden kann, soll bei entsprechender Unterstützung im Rahmen des Einleitungsverfahrens und bei ausreichender Beteiligung der Wahlberechtigten auch direktdemokratisch getroffen werden können. Mehr Direkte Demokratie bedeutet auch eine intensivere Auseinandersetzung im Rahmen der politischen Diskussionskultur mit Sachthemen. Die Parteien und deren Repräsentanten werden damit angehalten, die Bürger von ihren inhaltlichen Positionen zu überzeugen.

 

Die österreichische Bevölkerung hat ein gigantisches Potenzial an Talenten, Fähigkeiten und Begabungen. Sie zeichnet sich durch Leistungsbereitschaft, Fleiß und großes Engagement aus. Sie ist voller Selbstvertrauen und hat einen feinen Sinn für Werte wie Gerechtigkeit und Respekt und ein ausgeprägtes Gespür dafür, was richtig und falsch für unser Land ist. Die österreichische Bevölkerung will die Zukunft positiv gestalten, Altlasten abbauen und mit Zuversicht und Hoffnung auf Erfolg in die kommenden Jahre und Jahrzehnte gehen.

 

Wenn wir daher von Zukunftsgestaltung sprechen, dann bedeutet das, die politischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, um ein Höchstmaß dieser Kräfte im Einzelnen und als Allgemeinheit frei machen zu können und Blockaden und Hemmnisse abzubauen, Werte offensiv als Gewinn und Maßstab für politisches Handeln anzuerkennen, statt sie als Belastung und Einschränkung zu sehen sowie die Kluft zwischen Bürgern und Politik kleiner zu machen und eine neue Basis des gegenseitigen Vertrauens zu schaffen.

 

Direkte Demokratie ist der beste Weg, um das Vertrauen in die Politik zurückzugewinnen und auch solche Maßnahmen zu realisieren, die bisher von jenen Gruppen blockiert wurden, die selbst Nutznießer eines Systems sind, das dringend reformbedürftig ist. Als erster Schritt sollen daher die verfassungsrechtlichen Grundlagen einer „Volksinitiative“ geschaffen werden. In weiterer Folge soll die Geschäftsordnung des Nationalrates im Wege eines Initiativantrages angepasst werden. Darüber hinaus ist die Einführung eines Vetoreferendums und der Volksbefragung als Minderheitenrecht geboten.

 

Daher stellen unterfertigte Abgeordnete folgenden

 

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Verfassungsausschuss


 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die einen Ausbau der direkten Demokratie in Österreich unter folgender Maßgabe beinhaltet:

 

1.    Einführung einer „Volksinitiative zur Gesetzgebung“ unter folgenden Voraussetzungen:

a.    Einleitung gemäß § 3 Volksbegehrensgesetz 1973 (Anm. Angelegenheit die durch Bundes(verfassungs-)gesetz zu regeln ist; Unterstützung von einem Promille der Wohnbevölkerung). Abweichend zu § 3 leg. cit. muss die Volksinitiative einen konkreten Gesetzestext enthalten. Klarstellung, dass auch Angelegenheiten des Art. 50 B-VG Gegenstand einer Volksinitiative sein können, z.B. die Forderung solche Verträge zu kündigen.

b.    Prüfung der Zulässigkeit binnen längstens drei Wochen ab Einbringung durch das BMI.

c.    Im Falle der Unzulässigkeit Zurückweisung oder Abweisung des Antrages. Gegen eine solche Zurück- oder Abweisung steht eine Beschwerde an den VfGH offen, dieser hat binnen sechs Wochen zu entscheiden.

d.    Im Falle der Zulässigkeit Anordnung des Eintragungsverfahrens; Sammlung von Unterstützungsunterschriften im Ausmaß von mindestens 4 % der Wahlberechtigten erforderlich.

e.    Eintragungsverfahren und Ermittlungsverfahren nach den Bestimmungen des Volksbegehrensgesetzes 1973.

f.      Nach der Vorlage an den Nationalrat unverzügliche Zuweisung an den zuständigen Ausschuss des Nationalrates durch die Präsidentin.

g.    Unverzügliche Beratung im Ausschuss und Bericht an den Nationalrat binnen einer Frist von längstens einem Monat.

h.    Beschlussfassung in der auf den Ausschussbericht folgenden Plenarsitzung; Befassung des Bundesrates; Beurkundung durch den Bundespräsidenten, Gegenzeichnung durch den BK, Kundmachung des Gesetzes im BGBl.

i.      Kommt kein Beschluss im Plenum zustande ist die Volksinitiative unverzüglich einer Volksabstimmung zu unterziehen. Das Präsenzquorum liegt bei einfachen Bundesgesetzen bei 1/3 der Wahlberechtigten, bei Bundesverfassungsgesetzen bei ½. Das Konsensquorum liegt bei einfachen Bundesgesetzen bei ½ der gültig abgegebenen Stimmen, bei Bundesverfassungsgesetzen bei 2/3.

j.      Kommt die erforderliche Mehrheit zustande, ist das Gesetz vom Bundespräsidenten zu beglaubigen, vom BK gegen zu zeichnen und im BGBl. kund zu machen.

k.    Ein durch eine Volksinitiative zustande gekommenes Gesetz kann nur im Wege einer Volksabstimmung geändert werden. Eine solche muss nicht am Ende einer neuerlichen Volksinitiative stehen, sondern kann auch vom Nationalrat – wie bisher- beschlossen oder verlangt werden.

 

 

Zuweisungsvorschlag: Verfassungsausschuss


 

2.    Einführung einer Vetovolksabstimmung unter folgenden Voraussetzungen:

a.    Die Artikel 43 und 44 B-VG sind dahingehend zu ergänzen, dass eine Volksabstimmung über einen Gesetzesbeschluss des Nationalrates nicht nur vom Nationalrat beschlossen werden kann (bei einfachen Bundesgesetzen) oder von einem Drittel der Nationalratsabgeordneten verlangt werden kann (bei Bundesverfassungsgesetzen) sondern auch von 100.000 Wahlberechtigten verlangt werden kann.

b.    Eine solche Vetovolksabstimmung ist nach den Bestimmungen des Volksabstimmungsgesetz 1972 durch zu führen.

c.    Eine solche Vetovolksabstimmung soll auch hinsichtlich der Genehmigung von Staatsverträgen gemäß Art. 50 B-VG möglich sein.

 

3.    Ausgestaltung der Volksbefragung als parlamentarisches Minderheiten- und Bürgerrecht unter folgenden Voraussetzungen:

Art. 49b B-VG ist dahingehend zu ergänzen, dass auch ein Drittel der Nationalratsabgeordneten oder 100.000 der Wahlberechtigten eine Volksbefragung verlangen können.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Verfassungsausschuss