1979/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 13.06.2012
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

der Abgeordneten Christiane Brunner, Freundinnen und Freunde

 

betreffend vollständige Umsetzung der Aarhus-Konvention

 

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Die Aarhus-Konvention, welche bereits im Juni 1998 unterzeichnet wurde, räumt BürgerInnen Informationsrechte (1), Mitwirkungsrechte in Genehmigungsverfahren (2) und die gerichtliche Durchsetzung von Umweltrecht im Fall der Verletzung desselben durch Behörden oder Dritte (3) ein. Während die ersten beiden  Säulen im Wege von Richtlinien durch die Europäische Union umgesetzt und damit vorgezeichnet wurden, kam es bei der dritten Säule zu keiner Einigung über den Richtlinienvorschlag der Kommission von 2003. Die meisten Staaten, darunter auch Österreich, verweigerten die Diskussion einerseits unter Berufung auf das Subsidiaritätsprinzip andererseits unter pauschalem Hinweis, es gäbe ohnehin Rechte der Öffentlichkeit.

 

Die Kommission gab einen Bericht zur Umsetzung von Art 9 Abs 3 der Konvention in Auftrag. Der Österreich betreffende Teil von 2007 (Univ.-Prof. Dr. Rudolf Feik) hielt in der Zusammenfassung  ein klares Umsetzungsdefizit fest (http://www.unece.org/fileadmin/DAM/env/pp/compliance/C2010-48/Correspondence/Submissions%20commun%2011.10.2010/Annex_10_MilieuStudy2007Austria_Final_Report.pdf):


Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums fand im Juni 2008 eine Vertragsstaatenkonferenz statt. Die Grünen verlangten aus diesem Grunde eine aktuelle Aussprache im Umweltausschuss, welche dann am 19. 6. 2008 stattfand.

 

Die Parlamentskorrespondenz berichtete u.a. (Nr 592, 23. GP): „Abgeordnete Ruperta Lichtenecker (G) monierte, dass die Frage des Zugangs zu Gerichten in Umweltsachen (3. Säule) noch ungelöst sei und wollte dazu die Vorstellungen des Ministers hören.“ ….“Auch wenn Österreich bei der Umsetzung der Konvention schon sehr weit sei, müsse das Tempo bei der "3. Säule" erhöht werden, erklärte Umweltminister Pröll in Beantwortung der Fragen. Er sei an den Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts mit der Bitte um Beurteilung der damit verbundenen rechtlich hoch komplexen Fragen herangetreten. "Die Umsetzung wird geschehen", sagte der Minister, "aber zuerst müssen wir das rechtlich ausloten." Er hoffe aber, dass die Stellungnahme des Verfassungsdienstes in den nächsten Wochen, jedenfalls aber im Sommer, vorliegen werde.“

 

Im Juli 2009 wurden dann von Univ.-Profin MMaga Drin Schulev-Steindl die vom BMLFUW beauftragte Studie „Rechtliche Optionen zur Verbesserung des Zugangs zu Gerichten (Access to justice) im österreichischen Umweltrecht gemäß der Aarhus-Konvention (Artikel 9 Abs 3) vorgelegt. Die Studie schlägt ein Umweltrechtsbehelfsgesetz auf Bundes- und auf Landesebene vor, womit insbesondere Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Rechtsinstrumente, um gegen Umweltrechtsvorstöße vorgehen zu können, eingeräumt werden sollen. (http://www.wiso.boku.ac.at/fileadmin/_/H73/H736/Schulev-Steindl/Endb-AarhusKV_Adobe.pdf).

 

Ein entsprechender Ministerialentwurf blieb jedoch aus. Aus diesem Grunde reichte das Koordinationsbüro der österreichischen Umweltorganisationen (ÖKOBüro) am 13. März 2010 eine Beschwerde beim Aarhus Convention Compliance Comittee (ACCC) in Genf ein. Das BMLFUW beauftragte einen Wirtschaftsanwalt mit der Vertretung, also dem Vorbringen des Ökobüro entgegenzutreten, obwohl die Schulev-Steindl-Studie, die es selbst beauftragt hatte, bereits klaren Handlungsbedarf Österreichs aufgezeigt hatte.

 

Im März 2012  wurde die Entscheidung des ACCC zugestellt (ACCC/C/2010-48,  http://www.unece.org/fileadmin/DAM/env/pp/compliance/C2010-48/Findings/C48_FindingsAdvUnedCopy.pdf). „Demnach ist Österreich dazu verpflichtet, Umweltorganisationen (UO) in allen Umweltmaterien Rechtsmittelbefugnisse („Verbandsbeschwerde“) im Hinblick auf Handlungen, Entscheidungen und Unterlassungen von Privatpersonen und Behörden einzuräumen, um der Verpflichtung des Art 9 Abs 3 nachzukommen (Rn 81). Während das ACCC zur Kenntnis nimmt, dass es im Rahmen von UVP und IPPC-Verfahren sowie bei der Umwelthaftung Rechtsmittel für UO gibt, wird klargestellt, dass dies in allen anderen Bereichen eben nicht der Fall ist. …Das ACCC stellte jedenfalls klar, dass weder das Zivilrecht noch die Umweltanwaltschaften ausreichen, um Art 9 Abs 3 zu entsprechen. Die Verpflichtung zur Einführung von Rechtsschutz für UO beschränkt sich, wie sich aus dem Wortlaut des Abkommens und der Entscheidung des ACCC ergibt, nicht auf Genehmigungsverfahren, sondern umfasst auch die Prüfung von Plänen und Programmen, die Einhaltung von Bescheidauflagen, UVP-Feststellungsverfahren oder andere Handlungen oder Unterlassungen von Privatpersonen und Behörden, die gegen Umweltrecht verstoßen.“ (Thomas Alge, Aarhus-Entscheidung: Österreich unter Handlungsdruck, Rdu 3/2012).

 

Sofern Österreich den Empfehlungen des ACCC nicht folgt, wird die Vertragsstaatenkonferenz den „non compliance“- Status Österreichs in zwei Jahren bestätigen. Auch für die EU-Kommission sind die ACCC-Entscheidungen von Relevanz und könnte sich daraus ein Vertragsverletzungsverfahren ergeben.

 

Der Handlungsbedarf in Zusammenhang mit dem Umweltinformationsgesetz wird eigens thematisiert werden.

 

Es ist beschämend, dass Österreich 14 Jahre nach Unterzeichnung noch immer nicht die Aarhus-Konvention vollständig umgesetzt hat.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft und die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, dem Nationalrat bis 30. 11. 2012 zur Umsetzung von Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention eine Regierungsvorlage für ein Bundesumweltrechtsbehelfsgesetz vorzulegen, das unter möglichster Ausnutzung der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Kompetenzen als auch der Zivilrechtskompetenz des Bundes Umweltorganisationen und Bürgerinitiativen  effektive Rechtsbehelfe gegen Umweltrechtsverstöße der Behörde oder Privater einräumt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Umweltausschuss  vorgeschlagen.