1993/A XXIV. GP

Eingebracht am 13.06.2012
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ANTRAG

der Abgeordneten Eva Glawischnig-Piesczek, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Abberufbarkeit von PräsidentInnen des Nationalrates

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
geändert wird

 

Das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930, zuletzt geändert durch das
Bundesverfassungsgesetz BGBl. I Nr. 51/2012, wird wie folgt geändert:

In Art. 30 Abs. 1 B-VG wird folgender Satz angefügt:

„Präsidenten des Nationalrates können durch Beschluss des Nationalrates bei
Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen abberufen werden."

 

 

Begründung:

 

Am 28. Oktober 2008 wurde in der konstituierenden Sitzung des Nationalrates Martin Graf (FPÖ) zum 3. Präsidenten des Nationalrats gewählt. Grafs Nähe zum Rechtsextremismus war zu diesem Zeitpunkt bereits lange bekannt, in der Debatte vor der Wahl hatten die Grünen Grafs Gedankengut und sein Naheverhältnis zum Rechtsextremismus nachdrücklich dokumentiert. Das hinderte 109 Abgeordnete des Nationalrates allerdings nicht, ihm zum besten Ergebnis eines 3. Präsidenten seit Jahrzehnten zu verhelfen.


Seitdem hat sich Martin Graf wiederholt durch untragbare Aussagen und mangelnde Abgrenzung zum Rechtsextremismus disqualifiziert und eines Nationalratspräsidenten als unwürdig erwiesen. Dass er in seinem Büro mehrere Personen mit besten Kontakten in die Neonazi-Szene beschäftigte, vervollständigte dieses Bild.

In einem Kommentar, erschienen in der „Neuen Freien Zeitung" am 21. Mai 2009, tätigte der Dritte Präsident des Nationalrates, Dr. Martin Graf, unter anderem folgende Aussagen: „Verlängerter Arm des Herrn Muzicant ist der gewalttätige linke Mob auf den Straßen." und „Mit seinen Beschimpfungen schafft der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde ein Klima der politischen Brutalität, weswegen sich schon viele Bürger fragen, ob er nicht als Ziehvater des antifaschistischen Linksterrorismus bezeichnet werden sollte."

Im Mai 2012 wurde der Fall der 90-jährigen Wienerin Gertrud Meschar bekannt, die Graf beschuldigt, als Vorstand ihrer Privatstiftung zu ihrem Nachteil gehandelt zu haben. Frau Meschar wollte eine Stiftung einrichten, um ihre Versorgung zu sichern und nach ihrem Tod ihren Tierarzt sowie "Vereine, die mit Blinden- und Rettungshunden arbeiten" zu begünstigen. Tatsächlich begünstigte Graf aber offenkundig eher sich und seine Familie, in dem er die Stiftung ein Haus kaufen ließ, in dem sein Bruder ein Restaurant betreibt und in dem sich der Sitz des Vereines befindet, der – in Form seiner Mitarbeiter aus dem Präsidentenbüro - seine Homepage betreibt.

Martin Graf versuchte vergeblich, die geplante Ausstrahlung eines ORF-Berichtes am 23.5.2012 über diese Angelegenheit mittels einer einstweiligen Verfügung zu verhindern. Damit entlarvte er nicht nur sein fragwürdiges Verhältnis zum Prinzip der freien Medien, sondern nahm  in seiner Klage gegen den ORF auch jene 109 Abgeordneten in moralische Geiselhaft, die ihn 2008 gewählt hatten:

„Am 28.10. 2008 wurde er von 109 Abgeordneten des österreichischen Nationalrates (bei 156 gültig abgegebenen Stimmen) zum dritten Präsidenten des österreichischen Nationalrates gewählt. Die überwiegende Mehrheit der Abgeordneten des österreichischen Nationalrates ist der Überzeugung, dass er für diese Funktion gem. Art. 30 B-VG aufgrund seines untadeligen Rufes geeignet ist“.

Letzteres ist angesichts der Äusserungen und Verhaltensweisen von Martin Graf mehr als fraglich. Die österreichische Rechtsordnung sieht derzeit allerdings keine Möglichkeit vor, einen gewählten Präsidenten des Nationalrates abzuberufen, wenn die überwiegende Mehrheit der Überzeugung ist, dass er sich für die gewählte Funktion als nicht geeignet herausgestellt hat und nicht mehr das Vertrauen der Abgeordneten des Nationalrates genießt.

Dies soll durch den vorliegenden Antrag ermöglicht werden, wobei für eine Abberufung ein Beschluss des Nationalrates mit einer zwei Drittel-Mehrheit bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Nationalrates erforderlich sein soll. Vor der Abstimmung derartiger Anträge auf Abberufung soll es eine „Abkühlphase“ von mindestens 14 Tagen ab Einbringung geben.

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss vorgeschlagen.