1995/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 14.06.2012
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Dr. Franz-Joseph Huainigg, Ulrike Königsberger-Ludwig
Kolleginnen und Kollegen

 

betreffend Neugestaltung und Weiterentwicklung der Sachwalterschaft durch ein Pilotprojekt zur unterstützten Entscheidungsfindung

 

Das bald 30 Jahre alte Sachwalterrecht hatte sich zum Ziel gesetzt, die Entmündigungsordnung durch flexible Regelungen zu ersetzen. Mit der Reform konnten einige Verbesserungen in der Rechtsfürsorge und im rechtlichen Schutz erreicht werden. Aufgrund der demografischen Entwicklung und der „Verrechtlichung“ des alltäglichen Lebens stieß das Sachwalterrecht jedoch im Lauf der Jahre an seine Grenzen. 2006 wurde daher versucht, den damit verbundenen Qualitätsverlusten durch das Sachwalterrechts-Änderungsgesetz Rechnung zu tragen. Auch wenn diese Änderungen mit der Zulassung der Angehörigenvertretung und der Einführung der Vorsorgevollmacht international Vorreiter im Bereich der Rechtsfürsorge waren, wird die geltende Rechtslage den Erwartungen und Ansprüchen der Betroffenen nicht immer gerecht. Sie steht auch in einem Spannungsfeld mit der 2008 von Österreich ratifizierten UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, nach der die betroffenen Menschen in allen Bereichen und damit auch in ihrer Rechts- und Handlungsfreiheit gleichberechtigt sein sollen.

 

Vielfach erleben Menschen mit intellektueller Behinderung die Sachwalterschaft nach wie vor als negativ und „entmündigend“. Ein Grund  für das aktuelle Unbehagen an diesem Rechtsbereich ist auch die häufig hohe Anzahl an Personen, die von einem Sachwalter betreut werden. In größeren Städten scheinen die Beschränkungen der Höchstzahl von 25 Personen pro Sachwalter nicht recht zu greifen. Das dürfte wiederum zu Defiziten bei der Betreuung durch entsprechend qualifizierte, sozial- und behindertenpädagogisch ausgebildete Personen führen. Immer wieder sehen sich auch Angehörige durch den gerichtlich bestellten Sachwalter an den Rand gedrängt.

 

Den betroffenen Menschen und ihren Interessenvertretern ist es ein Anliegen, das Sachwalterrecht hin zu einem Modell der unterstützten Entscheidungsfindung weiter zu entwickeln. In diesem, in einigen Ländern schon praktizierten Modell werden Entscheidungen auf gleicher Augenhöhe und unter Einbeziehung des sozialen Umfeldes im Rahmen von personenzentrierten Planungsprozessen (person-centred planning) vorbereitet und getroffen. Eine solche Entwicklung entspräche auch dem Prinzip des Sachwalterrechts, nach dem solche Eingriffe in die Entscheidungsautonomie von Menschen nur dann zulässig sind, wenn keine alternativen Möglichkeiten zur Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der betroffenen Menschen zur Verfügung stehen. Es muss freilich noch geklärt werden, inwieweit in diesem Modell der notwendige rechtliche Schutz der betroffenen Menschen sichergestellt werden kann. Auch sollten die Aspekte der rechtlichen Fürsorge mit den Aufgaben der den Ländern obliegenden Sozial- und Behindertenhilfe abgeglichen werden. Und letztlich bedarf es valider Erfahrungswerte, um Aussagen darüber zu treffen, in welchen Fällen solche Lösungen zur Sicherung der Rechtsfürsorge für geistig beeinträchtigte Menschen nicht in Betracht kommen.

 

Das Modell der unterstützten Entscheidungsfindung sollte in diesem Sinn nach Bereitstellung entsprechender Mittel und unter Einbindung der für Angelegenheiten der Sozial- und Behindertenhilfe zuständigen Länder im Rahmen eines vom Bundesministerium für Justiz initiierten Pilotprojektes möglichst ab 2013 erprobt werden.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesministerin für Justiz wird ersucht, ein Pilotprojekt zur unterstützten Entscheidungsfindung als Weiterentwicklung der Sachwalterschaft zu entwickeln und durchzuführen. Dazu soll im Justizministerium unter Einbeziehung insbesondere von Behinderten-Organisationen und -Vertretungen, der Universität Wien, des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, der Sachwaltervereine sowie der Länder eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden, die auf der Basis der Erfahrungen aus Kanada und Schweden und der haushaltsrechtlichen Bereitstellung entsprechender Mittel Grundlagen für das Pilotprojekt erarbeitet.“

 

 

In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Antrag dem Justizausschuss zuzuweisen