2028/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 04.07.2012
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Alexander Van der Bellen, Alev Korun, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Menschenrechtslage in der Türkei

 

 

BEGRÜNDUNG

Die Menschenrechtslage in der Türkei ist seit Jahren prekär. Insbesondere das Recht auf Pressefreiheit sowie das Recht auf Meinungsfreiheit werden wiederholt verletzt, die Lage von JournalistInnen und oppositionellen PolitikerInnen ist zum Teil prekär. Derzeit befinden sich 63 JournalistInnen und SchriftstellerInnen in Haft, 2.000 ­Gerichtsverfahren sind anhängig und 4.000 ­Ermittlungsverfahren beschäftigen Polizei und ­Staatsanwaltschaft. Mehrere PolitikerInnen befinden sich in der Türkei mit Bezug auf das Anti-Terror-Gesetz in Untersuchungshaft.

 Im Jahresbericht 2012 hält Amnesty International dazu fest:

„Im Jahr 2011 wurden zahlreiche Strafverfolgungsmaßnahmen eingeleitet, die das Recht des Individuums auf freie Meinungsäußerung bedrohten. Vor allem kritische Journalisten und politisch aktive Kurden, die sich über die Lage der Kurden in der Türkei äußerten oder die Armee kritisierten, mussten mit unfairer Strafverfolgung rechnen. In den Verfahren, die das Recht auf freie Meinungsäußerung bedrohten, bezog sich die Anklage teilweise auf verschiedene Artikel des Strafgesetzbuchs, in sehr vielen Fällen wurde jedoch auch Bezug auf die Antiterrorgesetze genommen.

Prominenten Personen, die offen ihre Meinung äußerten, wurde nach wie vor Gewalt angedroht. Im November traten neue Bestimmungen in Kraft, die befürchten ließen, dass die Behörden künftig willkürliche Beschränkungen gegen Websites verhängen könnten.“ 

Zu den politisch aktiven KurdInnen, die unter Strafverfolgung aufgrund ihres politischen Engagements leiden, zählt auch die 1995 mit dem Bruno Kreisky Preis für Verdienste um die Menschenrechte ausgezeichnete kurdische Abgeordnete zum türkischen Parlament Leyla Zana, die im Mai 2012 erneut wegen ihres Einsatzes für die Rechte der kurdischen Minderheit zu einer Haftstrafe von 10 Jahren verurteilt wurde. Zana war bereits 1994 wegen Landesverrats und Unterstützung einer terroristischen Organisation zu 15 Jahren Haft verurteilt worden – sie hatte bei ihrer Vereidigung zum Parlament einige Worte kurdisch gesprochen, und sich auch später in Reden und Schriften für die Verteidigung der Rechte der kurdischen Minderheit eingesetzt.


Auch unter den festgenommenen JournalistInnen befinden sich viele, die sich mit der Kurden-Frage auseinandersetzen. Im Oktober 2011 wurden 50 Menschen unter dem Vorwurf festgenommen, zu Strukturen der sogenannten KCK (Vereinigung kurdischer Gemeinschaften) zu gehören. Gegen 44 von ihnen, darunter Ragıp Zarakolu, Inhaber des "Belge"-Verlages, und die Professorin für Politikwissenschaft, Büşra Ersanlı, wurde Untersuchungshaft verhängt. Bereits Anfang Oktober wurden im gleichen Zusammenhang 137 Personen festgenommen, allein in Istanbul wurde gegen 97 von ihnen Untersuchungshaft verhängt, darunter gegen Deniz Zarakolu, Sohn von Ragıp Zarakolu und Geschäftsführer des "Belge"-Verlages, der für seine mutige kritische journalistische und verlegerische Arbeit unter anderem 2008 den internationalen Preis für Publikationsfreiheit erhielt. Unter den Festgenommenen sind auch drei Vertreter kurdischer Medien: Aydin Yildiz ist Reporter der "Dicle"-Nachrichtenagentur, Kazim Şeker ist Redakteur der Tageszeitung "Özgür Gündem", und Tayyip Temel ist Chefredakteur der Tageszeitung "Azadiya Welat".

Darüber hinaus bestehen weiterhin Vorwürfe über Folter und andere Misshandlungen an Gefangenen. Laut Amnesty International ratifizierte die Türkei zwar im September 2011 das Fakultativprotokoll zum UN-Übereinkommen gegen Folter und ebnete damit den Weg für eine unabhängige Überwachung der Haftanstalten. Es gab aber bis Ende 2011 noch keine entsprechende Gesetzgebung, um die erforderlichen Mechanismen im Land umzusetzen. Auch andere versprochene präventive Maßnahmen wie ein unabhängiges Verfahren für Beschwerden gegen die Polizei oder eine Ombudsstelle existierten noch nicht.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf bilateraler und europäischer Ebene

1. für die Menschenrechte in der Türkei, insbesondere das Recht auf Presse- und Meinungsfreiheit,

2. für den Schutz von JournalistInnen in der Türkei,

3. für eine Freilassung der auf Grund von menschenrechtswidriger Strafverfolgung inhaftierten JournalistInnen und PolitikerInnen und

4. für eine rasche Umsetzung des Fakultativprotokolls zum UN-Übereinkommen gegen Folter in der Türkei einzusetzen.

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Außenpolitischen Ausschuss  vorgeschlagen.