2059/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 06.07.2012
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Hannes Weninger, Ing. Hermann Schultes, Carmen Gartelgruber,
Mag. Christiane Brunner, Mag. Rainer Widmann,

Kolleginnen und Kollegen

 

betreffend die konsequenten Umsetzung der österreichischen Anti-Atompolitik mit dem Ziel eines europaweit raschest möglichen Ausstiegs aus der Kernenergie

 

703.063 Menschen haben im vergangenen Jahr in Österreich die Petition „Abschalten! Jetzt!“ zum weltweiten Atomausstieg unterzeichnet, darunter VertreterInnen aller Parteien. Der Super-GAU von Fukushima im März 2011 hat einmal mehr gezeigt, dass Atomkraft nicht sicher ist. Es ist niemals auszuschließen, dass es durch menschliches Versagen (wie in Tschernobyl), Sicherheitsmängel oder Naturkatastrophen (wie in Fukushima) zu schweren Unfällen kommen kann, die unermessliches Leid für hunderttausende Menschen bedeuten. 1978 hat sich Österreich mit einer Volksabstimmung gegen das AKW Zwentendorf und damit gegen die Nutzung der Atomkraft zur Energieerzeugung entschieden. Österreich kann damit zum Vorbild für weltweiten Atomausstieg werden, der in Europa beginnt.

 

Grade die grenznahen Atomkraftwerke stellen eine unmittelbare Bedrohung für die österreichischen Sicherheitsinteressen dar. Als Reaktion auf Fukushima haben einige Staaten ihre Atompläne bereits revidiert. Hierzu zählen die österreichischen Nachbarstaaten Deutschland, Schweiz und Italien. Andere Regierungen versuchen weiterhin vehement Atomkraft als besonders umwelt- oder klimafreundlich darzustellen. Diesem Vorgehen und Forderungen stehen die atomkritischen Staaten in Europa bislang noch zu wenig organisiert gegenüber.

 

Im Inland müssen die Kräfte gegen die Kernenergie gebündelt werden und verstärkt zusammenarbeiten. Dies gilt für eine Koordination zwischen den Ländern und dem Bund, und eine Einbeziehung der Zivilgesellschaft und der Opposition, um gemeinsam die österreichischen Interessen gegen die Kernenergie zu vertreten.

 

In Bekräftigung des Regierungsprogramms hat der Ministerrat am 22. März 2011 einen umfassenden „Gemeinsamen Aktionsplan der österreichischen Bundesregierung“ für ein „Internationales Umdenken von der Kernenergie hin zu erneuerbarer Energie und Energieeffizienz“ beschlossen (Entschließung vom 22. März 2011 (147/E XXIV GP) „betreffend den raschest möglichen Ausstieg aus der Atomenergie“).

 

In Umsetzung dieses Aktionsplanes erfolgten bereits wichtige Schritte, wie beispielsweise:

 

Nach der Katastrophe von Fukushima wurden erstmals sämtliche Kernkraftwerksbetreiber innerhalb der EU aufgefordert, nach einheitlichen europäischen Kriterien die Sicherheitsreserven der Standorte und Anlagen zu überprüfen. Mittlerweile haben alle betroffenen EU-Mitgliedstaaten fristgerecht ihre nationalen Fortschrittsberichte vorgelegt. Auch die Schweiz und die Ukraine haben Berichte erstellt.

 

Der Umweltminister setzte die in der Entschließung 147/E XXIV GP angestrebte engere Kooperation mit anderen atomkritischen Staaten innerhalb und außerhalb der Europäischen Union unverzüglich um und lud am 25. April 2011 in Wien zu einem informellen Treffen von Staaten die auf Kernenergie verzichten. Die Ergebnisse dieses Treffens wurden in einer Ministerdeklaration festgehalten und dem EU-Umweltministerrat am 21. Juni 2011 von Österreich präsentiert.

 

Es wurde in Umsetzung der Entschließung 147/E XXIV GP gemeinsam mit den Bundesländern auf der Tagung der Landesumweltreferenten am 9. und 10. Juni 2011 in Innsbruck vereinbart, die Kräfte gegen die Kernenergie zu bündeln und verstärkt zusammen zu arbeiten sowie alljährlich Bund-Länder-Koordinationsgespräche auf politischer Ebene abzuhalten. Für das erste derartige Koordinationsgespräch haben die zuständigen Dienststellen der Länder rechtliche Möglichkeiten geprüft. Die Koordination zwischen den Ländern und den Bundesstellen muss erhalten und ausgebaut werden, um gemeinsam die österreichischen Forderungen gegen die Kernenergie zu vertreten.

 

Österreich forderte in Erklärungen anlässlich der vom IAEO Generaldirektor einberufenen Konferenz zur Nuklearen Sicherheit von 20. bis 24. Juni 2011 ernsthafte Anstrengungen zur Verbesserung der Sicherheit. Konsequenterweise brachte Österreich daher gleich zwei formelle Vorschläge zu umfassender und verpflichtender Kontrolle von Kernkraftwerken weltweit sowie zu erhöhter Transparenz und verbesserten Beteiligungsmöglichkeiten ein. Der von der IAEO im September angenommene Aktionsplan zur Nuklearen Sicherheit, der auch dem Generalsekretär der Vereinten Nationen in New York übermittelt wurde, ist ein erster Schritt zur internationalen Umsetzung der Österreichischen Forderungen, dem dringend weitere folgen müssen. Es muss auf internationaler Ebene eine vollständige Anwendung höchster Sicherheitsstandards überprüfbar gemacht werden. Sämtliche internationale Gremien sind hierfür zu nutzen.

 

Rechtsmittel zur frühzeitigen Information über geplante Kernkraftwerke in der EU müssen von der Kommission besser im Sinne der Informationsweitergabe genutzt werden. Österreich sollte dadurch mehr Möglichkeiten erhalten, seinen berechtigten Forderungen zum Schutz der eigenen Umwelt sowie der Gesundheit und Sicherheit der Bevölkerung Ausdruck verleihen, und so Einfluss auf geplante KKW in Europa nehmen zu können.

 

Die Frage der Endlagerung abgebrannter Brennelemente und hochradioaktiver Abfälle ist eine zentrale Frage bei der Nutzung der Kernenergie. Österreich hat auch auf europäischer Ebene wiederholt deutlich gemacht, dass die ungelöste Entsorgungsproblematik der energetischen Nutzung der Kernenergie entgegensteht. Unbeschadet dessen drängt Österreich auf eine sichere, umwelt- und sozialverträgliche Lagerung.

 

Die Richtlinie 2011/70/Euratom des Rates vom 19. Juli 2011 über einen Gemeinschaftsrahmen für die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle, die am 22. August 2011 in Kraft getreten ist, ist ein erster, notwendiger Schritt in die richtige Richtung. Die Richtlinie definiert Mindeststandards für die Sicherheit und Nachhaltigkeit im Bereich des Atommülls in verbindlicher Form und behandelt erstmals überhaupt in ihrer Gesamtheit eine Bewirtschaftung von Atommüll. Das bringt weitere Kontrolle und Sicherheit.


Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

 

EntschlieSSungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht, die Intention der Petition „Abschalten! Jetzt!“, eingebracht von den Klubobleuten von SPÖ, ÖVP, den Grünen und der FPÖ und unterstützt vom BZÖ aufzugreifen, sowie sich zur Durchsetzung des „Gemeinsamen Österreichischen Aktionsplans Internationales Umdenken von der Kernenergie“ für folgende Punkte einzusetzen:

 

·        Sofortige Abschaltung aller Reaktoren unter Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Rechtsmittel, die aufgrund ihres Alters, ihrer Bauart, ihrer Lage oder ihres Zustandes als besonders gefährlich im Sinne eines von ihnen ausgehenden Risikos für Bevölkerung und Umwelt eingestuft wurden;

 

·        Weiterhin politischen Druck auf Länder auszuüben, die planen ein Kernkraftwerk zu bauen, auszubauen oder zu erneuern und Österreich nur mangelhaft darüber informieren; falls kein Ergebnis erzielt werden kann, Prüfung und Inanspruchnahme sämtlicher zur Verfügung stehender Rechtsmittel;

 

 

 

 

·        Auf europäischer Ebene nichts unversucht lassen, um zu Kostenwahrheit zu gelangen und nach Möglichkeit die Kosten für die Endlagerung dem Atomstrom einzupreisen;

 

 

 

·        Weiterhin Sicherstellung von Nuklearanlagenüberprüfungen im Rahmen der Stresstests unter Einbindung auch österreichischer Experten;

 

·        Sicherstellung einer transparenten Möglichkeit auch für Nicht- Regierungsorganisationen und Oppositionsparteien zur Stellungnahme bei den Stresstests;


 

·        Einsatz für die Entwicklung und Errichtung eines europäischen Nuklearsicherheitssystems;

 

·        Veröffentlichung der Stresstestergebnisse auf europäischer Ebene;

 

 

·        Einsatz für weitere Treffen und Beratungen von Ministern aus Staaten, die Kernenergie nicht nutzen, und Übermittlung der Ergebnisse solcher Treffen an den Rat der EU und die Europäische Kommission;

 

·        Einsatz für die Steigerung der Anzahl von Staaten, die an solchen Treffen – auch als Beobachter – teilnehmen;

 

·        Maßnahmen zur Beendigung der indirekten Subventionierung der Kernenergie durch niedrige Versicherungssummen und einheitliche Haftungsregeln für Kernkraftwerke;

 

·        Bündelung der Kräfte von Bund und Ländern gegen die Kernenergie und regelmäßige Bund-Länder Koordinationsgespräche auf politischer Ebene und eine transparente Darstellung der Ergebnisse;

 

·        Umsetzung der im IAEO Aktionsplan für Nukleare Sicherheit enthaltenen Elementen unter anderem durch Abhaltung von Seminaren mit internationaler Beteiligung zu Nuklearinformationspolitik;

 

·        Eintreten für die vollständige Anwendung einheitlicher höchster Sicherheitsstandards auf internationaler Ebene;

 

·        Einsatz für verpflichtende, regelmäßige und flächendeckende Überprüfungen der Nuklearen Sicherheit auf internationaler Ebene;

 

·        Verbesserung der Informationsrechte auch durch weitere Abschlüsse von Nuklearinformationsabkommen;

 

·        Weiterhin Nutzung aller EU Rechtsmittel zur möglichst frühzeitigen Information über Nuklearprojekte;

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Umweltausschuss vorgeschlagen.