2162/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 06.12.2012
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

der Abgeordneten Dr. Jarolim, Mag. Ikrath, Mag. Wurm, Marek

und weiterer Abgeordneter

 

betreffend den Tatbestand der sexuellen Belästigung (§ 218 StGB)

 

Eine der anerkannten Funktionen des gerichtlichen Strafrechts besteht darin, Verhalten zu steuern und gesellschaftlich anerkannte Werte und Grundhaltungen, die auch einer Veränderung unterliegen können, abzusichern.

 

Es ist daher sachgerecht, die Reichweite bestimmter Tatbestände anhand praktischer Beispiele und Lebenssachverhalte zu diskutieren. Die unterzeichnenden Abgeordneten sind sich darin einig, dass körperliche Übergriffe mit sexueller Tendenz, wie sie jüngst bekannt geworden sind, nicht zu tolerieren sind.

 

Im Bewusstsein, dass das Sexualstrafrecht in den letzten Jahren mehrfach Gegenstand von Reformen war, die Veränderungen gesellschaftlicher Werte und Rollenbilder nachvollzogen haben, sind die unterzeichnenden Abgeordneten der Ansicht, dass die Formulierung des Tatbestandes der Sexuellen Belästigung und öffentlicher geschlechtlicher Handlungen nach § 218 StGB schon mit der Überschrift des zehnten Abschnittes des Besonderen Teils des StGB gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung nicht mehr in Einklang zu bringen ist, wenn es um eindeutig sexualbezogene Berührungen des Körpers gegen den Willen der Betroffenen geht.


Den unterzeichnenden Abgeordneten ist freilich auch bewusst, dass maßgeblichen Delikten des 10. Abschnittes des Strafgesetzbuches (Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung) das Tatbestandselement geschlechtliche Handlung“ (vgl. u.a. §§ 202, 207, 207a, 207b, 212, 213, 214, 215a StGB) zugrunde liegt. Eine geschlechtliche Nötigung nach § 202 Abs. 1 StGB begeht, wer eine Person mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zur Vornahme oder Duldung einer geschlechtlichen Handlung nötigt. Gemäß § 207 Abs. 1 StGB begeht sexuellen Missbrauch von Unmündigen, wer eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vornimmt oder von einer unmündigen Person an sich vornehmen lässt.

Unter einer geschlechtlichen Handlung versteht der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung jede nach ihrem äußeren Erscheinungsbild sexualbezogene Handlung, die sowohl nach ihrer Bedeutung als auch nach ihrer Intensität und Dauer von einiger Erheblichkeit ist und damit eine unzumutbare, sozialstörende Rechtsgutbeeinträchtigung im Intimbereich darstellt (12 Os 5/09s; RIS-Justiz RS0095733). Bei der Beurteilung einer Handlung als geschlechtlich kommt es ausschließlich auf den objektiven Sexualbezug an (RS0094989, RS0078135). Ein objektiver Sexualbezug ist dann gegeben, wenn es sich um nicht bloß flüchtige sexualbezogene Berührungen der zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörigen, somit dem männlichen oder weiblichen Körper spezifisch eigentümliche Körperpartien des Opfers oder des Täters mit dem Körper der jeweils anderen Person handelt (Philipp in WK², § 202 Rz 9). Anders gesagt, liegt eine geschlechtliche Handlung nur bei einer intensiven Berührung eines primären oder sekundären Geschlechtsorgans vor (Hinterhofer SbgK, § 202 Rz 24). Dabei ist es nicht erforderlich, dass die geschlechtliche Handlung dem erregten Geschlechtstrieb des Täters entspringt (12 Os 5/09s). Im Unterschied zum Analbereich zählt die Gesäßregion seit jeher nach herrschender Rechtsprechung nicht zur unmittelbaren Geschlechtssphäre eines Menschen (10 Os 136/86; 11 Os 45/10t; RS0094997; RS0095142).

Die unterzeichnenden Abgeordneten sind der Ansicht, dass diese in ständiger Rechtsprechung gezogene Abgrenzung auch vor dem Hintergrund der gestiegenen Sensibilität gegenüber der Schutzbedürftigkeit der sexuellen Integrität und Selbstbestimmung, insbesondere von Frauen und Kindern, einer Diskussion bedarf.


Gleichzeitig ist den unterzeichnenden Abgeordneten jedoch auch bewusst, dass mit einer Erweiterung oder Ausdehnung des Begriffsverständnisses neue Abgrenzungsfragen ebenso wie die Frage der Reichweite der ultima ratio Funktion des gerichtlichen Strafrechts aufgeworfen werden. Insoweit wird das Vorhaben der Frau Bundesministerin für Justiz begrüßt, derartige grundsätzliche Fragen in der Reformgruppe zum Strafgesetzbuch zu lösen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesministerin für Justiz wird ersucht, die Frage der zeitgemäßen Ausgestaltung eines Verbots der sexuellen Belästigung unter Berücksichtigung opferbezogener Faktoren einer breiten sachlichen Diskussion zu unterziehen und auch parlamentarische Initiativen dazu zu unterstützen, dem Nationalrat ehebaldigst über das Ergebnis zu berichten und die entsprechenden legislativen Vorschläge zur Beschlussfassung vorzulegen sowie auch die von ihr eingesetzte Reformgruppe zum Strafgesetzbuch damit zu befassen, wobei das Ziel einer möglichst baldigen parlamentarischen Beschlussfassung im Vordergrund stehen soll.

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird ersucht, diesen Antrag dem Justizausschuss zuzuweisen.