2195/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 30.01.2013
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Parlamentarische Materialien

Notwendige Reformen des Zivildienstes in Österreich

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Notwendige Reformen des Zivildienstes in Österreich

 

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Bei der Volksbefragung zur Wehrpflicht am 20. Jänner 2013 sprachen sich rund 60% der wahlberechtigten TeilnehmerInnen für die Beibehaltung der Wehrpflicht aus. 80% der WehrpflichtbefürworterInnen gaben an, dass für sie der Zivildienst das wichtigste Argument war, um für die Wehrpflicht zu stimmen. Es wurde deutlich, welche Wertigkeit der Zivildienst in den Köpfen der BürgerInnen hat. Jedoch finden seit Jahren kaum Verbesserungen im System des Zivildienstes statt. Die rechtliche und finanzielle Situation der Zivildiener spiegelt nicht die – durch das Votum vom 20. Jänner 2013 bestätigte – Wertschätzung der Zivildienstleistenden wider.
Auch wenn das Ergebnis der Volksbefragung respektiert und umgesetzt gehört, so darf auch nicht vergessen werden welche Kritikpunkte es am System Wehrpflicht und Zivildienst gibt. Der Zivildienst ist weiterhin der Wehrersatzdienst, der junge taugliche Männer verpflichtet, einen 9-monatigen Dienst abzuleisten. Die Regelung dafür ist sehr restriktiv. Auch wenn die Auswahl der Trägerorganisation sehr flexibel gehandhabt wird und dies große Zustimmung bekommt, die Sanktionsdrohungen und Strafandrohungen für die Zivildiener zeichnen den Zwangsdienst aus.
Das Recht auf Privatsphäre, gerade wenn es um die persönliche Gesundheit geht, gilt für Zivildiener im Krankenstand nicht, sie müssen den Vorgesetzten die Art der Erkrankung nennen. Auch fehlt die Basis von gewerkschaftlichen und arbeitsrechtlichen Dienstverhältnissen wie die 38-Stundenwoche oder angeglichene Urlaubsregelungen.

 

Es ist höchst an der Zeit, den Zivildienst, die engagierte Arbeit von rund 14.000 jungen Männern pro Jahr, den Regelungen der Sozial- und Gesundheitsberufe anzugleichen. Jetzt braucht es für den Zivildienst, für die Zivildienstleistenden und für die Organisationen rasche und nachvollziehbare Reformen, geht es doch einerseits um die Gleichstellung mit dem Grundwehrdienst, aber vor allem geht es darum, dass der Zivildienst als Stütze, als Institution, als solche von Seiten der Politik auch endlich wahrgenommen wird. Diese Conclusio hat das Ergebnis der Volksbefragung klar aufgezeigt.


Wenn der Zivildienst als Wehrersatzdienst tatsächlich ein „Erfolgsmodell“ ist, dann sollen auch Dauer und Bezahlung dies widerspiegeln. Die Verkürzung auf 6 Monate, somit die Gleichstellung des Ersatzdienstes mit dem Wehrdienst, die Wiedereinführung der freiwilligen Verlängerung finanziert durch das zuständige Ministerium für Inneres und die Verdoppelung der Grundvergütung auf die Höhe der Mindestsicherung haben die ersten Schritte einer Reform zu sein, die den „Helfenden Händen“ tatsächlich die Wertschätzung entgegen bringt, die sie sich auch verdient haben.

Dazu kommt die Stärkung und Förderung der Freiwilligentätigkeit. Wenn Jugendliche vor ihrem Dienstantritt ein Freiwilliges Sozialjahr[1] oder ein Freiwilliges Umweltjahr[2] absolvieren, können sie sich dieses als Zivildienst anrechnen lassen. Wenn ein Jugendlicher bei der Freiwilligen Feuerwehr, beim Jugend-Rot-Kreuz oder bei den Pfadfindern und Pfadfinderinnen freiwillig tätig ist und dort eine Ausbildung absolviert (wie zum Beispiel die Jugendleiterschulung), kann er sich Teile oder den gesamten Zivildienst (Wehrdienst) anrechnen lassen. Dafür braucht es Gespräche mit den Organisationen und die Ausarbeitung eines Kriterienkatalogs.

 

Fest steht, dass der Zivildienst als wichtige Säule in der Gesellschaft gesehen wird. Daher ist es wichtig, den Zivildienst als Institution zu stärken, die Situation für Zivildienstleistende zu verbessern und die Trägerorganisationen abzusichern.

 

Die Bundesregierung darf die deutlich ausgedrückte Wertschätzung gegenüber den Zivildienstleistenden nicht vergessen und einfach zur Tagesordnung übergehen. Reformen des Zivildienstes müssen jetzt rasch angegangen werden, damit eine Chance besteht, den Zwangszivildienst langfristig durch einen Freiwilligendienst zu ersetzen. Dazu gehört unter anderem die finanzielle Stärkung der Zivildienstleistenden, die Möglichkeit der Anrechenbarkeit des Zivildienstes für weitere Ausbildungen und die Möglichkeit der Anrechnung von freiwilligen Tätigkeiten als Zivildienst sowie die parallele Umsetzung des freiwilligen Sozialjahres zum Zivildienst.

 

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der folgende Punkte beinhaltet:

 

1)    Der verpflichtende Zivildienst wird auf 6 Monate verkürzt.


 

2)    Der Zivildienst soll freiwillig um bis zu 6 Monate verlängert werden können.

Diese 6 Monate müssen kollektivvertraglich entlohnt (€ 1400.- brutto) werden. Es darf zu keinen Steh- und Ruhephasen mehr vor dem Studium, Ausbildung und Berufseinstieg nach dem Zivildienst kommen.

 

3)    Um den Bedarf durch die auftretende Lücke nach Verkürzung zu deckeln, soll als Parallelstruktur im Sozialdienstsystem das bezahlte freiwillige Sozialjahr eingeführt werden. Start mit 1.400 Frauen und Männern, ab 18 Jahren, für ein Jahr befristet und mit kollektivvertraglicher Entlohnung in der Höhe von € 1.400.- brutto. Dieses Jahr soll auch als Zivildienst angerechnet werden können.

 

4)    Für die nach dem Zivildienst einschlägigen Studien oder Ausbildungen soll das im Zivildienst Erlernte anrechenbar sein (Ausbildung für die Tätigkeit in einem sozialen Beruf wie Familienhilfe, Altenpflege, Behindertenbetreuung, für die FH für Soziale Arbeit aber auch für Studien wie Psychologie oder Pädagogik).

 

5)    Wenn Jugendliche vor ihrem Zivildienst-Dienstantritt ein Freiwilliges Sozialjahr oder ein Freiwilliges Umweltschutzjahr machen, soll dieses auf den Zivildienst anrechenbar sein.  Wenn ein Jugendlicher bei der Freiwilligen Feuerwehr oder beim Jugend-Rot-Kreuz schon ehrenamtlich tätig war, soll er sich Teile oder den gesamten Zivildienst anrechnen lassen können.

 

6)    Im Bereich des Zivildienstes soll es zu einer Angleichung an die arbeitsrechtliche Situation von Sozial- und Gesundheitsberufen kommen:
Normalarbeitszeit, Urlaubsanspruch, Streichung der restriktiven Krankenstands-Regelungen von Zivildienern, Reformierung bzw. Streichung von Dienstpflichtverletzungen und Strafandrohungen.

 

 

7)    Verdoppelung der Grundvergütung auf €600.-

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für innere Angelegenheiten  vorgeschlagen.

 



[1] http://www.fsj.at/

[2] http://www.jugendumweltplattform.at/site/projekte/fuj