2270/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 26.04.2013
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Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Christiane Brunner, Judith Schwentner, Eva Glawischnig-Piesczek, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Anerkennung des Ökozids als Völkerrechtsverbrechen

 

 

BEGRÜNDUNG

 

 

Die Abholzung der Urwaldgebiete am Amazonas und in Indonesien, die Reaktorkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima, die Ölkatstrophe im Golf von Mexiko, oder die Verseuchung des Niger-Deltas: in einer globalisierten Welt sind sowohl die Verursacher als auch die Auswirkungen großer Umweltzerstörungen nicht lokal beschränkt.

 

Bislang werden solche Schädigungen, wenn überhaupt, durch Geldbußen oder Entschädigungszahlungen geahndet. Verwaltungs- und zivilrechtliche Strafen sind in der Regel allerdings so gering, dass sie keine abschreckende Wirkung besitzen. Bei zivilrechtlichen Umweltprozessen gibt es zudem ein strukturelles Ungleichgewicht in Bezug auf die Ressourcenausstattung von Klägern und Beklagten, was sowohl die Häufigkeit solcher Prozesse als auch die Erfolgschancen betroffener Menschen weiter verringert. Die möglichen Zahlungen werden von Unternehmen zum Teil antizipiert und in die Gesamtkosten eines potentiell umweltzerstörerischen Projekts einkalkuliert, sie sind in den meisten Fällen aber kein Hinderungsgrund für deren Durchführung.

 

Die zivil – und verwaltungsrechtliche Abwicklung schwerer Umweltzerstörungen ist daher kein ausreichendes Mittel, um deren Durchführung von Anfang an zu verhindern. Die strafrechtliche Verfolgung mit empfindlichen Strafmaßen erscheint weit adäquater, da sie unmittelbare Konsequenzen für die Verursacher androht. Auf solche gesetzliche Regelungen in Einzelstaaten zu bauen, ist nach aller Erfahrung allerdings wenig erfolgversprechend. Nicht selten fehlt dazu die Bereitschaft und bei bestehenden Regelungen auch die konsequente Anwendung solcher Gesetze. Darüber hinaus wird eine rigorose Gesetzgebung in vielen Staaten als Wettbewerbsnachteil gesehen, sei es gegenüber internationalen Konzernen oder mächtigen Interessengruppen im eigenen Land. In einigen Fällen, wie zum Beispiel bei der Atomkraft, übernehmen Staaten für Konzerne sogar einen Teil der Verantwortung. So sind auf der ganzen Welt die Haftungssummen für verantwortliche Unternehmen bei Reaktorunfällen gedeckelt – für den Rest der Kosten muss die Allgemeinheit aufkommen.


Weit erfolgversprechender, Umweltzerstörungen Einhalt zu gebieten erscheint es, Umweltzerstörungen ab einem gewissen Ausmaß völkerrechtlich verbindlich als Verbrechen zu brandmarken und in die Liste der Verbrechen gegen den Frieden

aufzunehmen.

 

Für besonders gravierende Zerstörungen der Umwelt  wird zunehmend der Begriff des Ökozids verwendet, wie er von der Initiative der britischen Rechtsanwältin Polly Higgins verbreitet wird. Demnach ist der Ökozid definiert als „die erhebliche Beschädigung, Zerstörung oder der Verlust von Ökosystemen eines bestimmten Gebietes durch menschliches Handeln oder andere Ursachen in einem Ausmaß, welches die friedliche Nutzung des Gebietes durch seine Bewohner stark einschränkt oder einschränken werden.“

 

Der Ökozid ist bereits in einigen Staaten ein Straftatbestand. Auch im internationalen Recht findet sich bereits ein solcher Straftatbestand. Allerdings findet dieser nur zu Kriegs-und nicht zu Friedenszeiten Anwendung. In der derzeitigen Fassung des Römischen-Statuts, welches die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag regelt, ist das „vorsätzliche Führen eines Angriffs in der Kenntnis, dass dieser […] langfristige und schwere Schäden an der natürlichen Umwelt verursachen wird, die eindeutig in keinem Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen“ in Art. 8 (b) IV des Römischen Statuts als Kriegsverbrechen festgelegt.

 

Wäre Ökozid als völkerrechtlicher Straftatbestand anerkannt, könnten besonders schwere Umweltverbrechen vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) verfolgt werden und somit die Verursacher, häufig Unternehmensvorstände und politische Entscheidungsträger, nach dem Prinzip der Vorgesetztenverantwortlichkeit zur Verantwortung gezogen werden. Ebenso könnten Investoren, die den Ökozid finanziert haben und andere Helfer belangt werden.

 

Eine grenzüberschreitende Verfolgung von Umweltverbrechen hätte eine abschreckende Wirkung, die der Zerstörung von Ökosystemen und Umweltdumping aber auch der Durchführung von hochriskanten Industrie- und Energieprojekten entgegenwirken würde. Das Risiko von strafrechtlichen Konsequenzen für handelnde Personen wäre für viele Marktakteure sicherlich ein Grund, nicht in Projekte zu investieren, die potentiell zu schweren Umweltzerstörungen führen können. Dies würde auch zu mehr Fairness im internationalen Wettbewerb führen, da sich Unternehmen weltweit zumindest an minimale Umweltstandards halten müssten. Dementsprechend wäre eine solche Regelung für all jene Unternehmen vorteilhaft, die Umweltstandards einhalten und in weniger risikoanfällige Projekte investieren.

 

Das Völkerstrafrecht kennt derzeit vier Verbrechen gegen den Frieden: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression. Um diese vier Verbrechen um ein Fünftes zu erweitern, müsste das Rom-Statut, das die Zuständigkeit des IStGH festlegt und dem bislang 121 Staaten beigetreten sind, geändert werden. In Vertragsentwürfen zum Rom-Statut war der Ökozid enthalten, wurde aber 1996 vor Abschluss aus den Verträgen entfernt.

 

Um eine Erweiterung des Rom-Statuts einzuleiten, muss laut Art. 121 nur ein einziger Vertragsstaat einen konkreten Änderungsvorschlag unterbreiten. Eine rechtmäßige Änderung des Rom-Statuts erfolgt in weiterer Folge durch die Zustimmung von zwei Drittel der Vertragsstaaten.


Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung wird aufgefordert,

 

  1. in den zuständigen internationalen Gremien einen konkreten Vorschlag zur Aufnahme des Ökozids als fünftes Verbrechen gegen den Frieden in das Rom-Statut einzubringen.

 

  1. sich in allen europäischen und internationalen Gremien für die Umsetzung einer internationalen Ökozid-Gesetzgebung einzusetzen.

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Umweltausschuss  vorgeschlagen.