2306/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 23.05.2013
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Parlamentarische Materialien

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Ruperta Lichtenecker, Kurt Grünewald, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Abschaffung der Kostenbeteiligung in der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA)

 

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

 

Versicherte der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) haben gemäß § 86 Abs. 1 und 2 GSVG für Sachleistungen aus der Krankenversicherung zwingend einen Kostenanteil zu entrichten. Zwar obliegt die Bestimmung der Höhe der Kostenbeteiligung der SVA-Generalversammlung, die diese in der Satzung festsetzt. Der Gesetzgeber gibt aber, indem er in § 86 Abs. 1 die Höhe des vom Versicherungsträger zu tragenden Kostenanteils mit maximal 30 Prozent beschränkt, bereits eine Stoßrichtung für die Gestaltung des Selbstbehaltes vor. Zudem muss die konkrete Höhe des Kostenanteils, der von der SVA-Generalversammlung beschlossen wird, vom Bundesminister für Gesundheit vor Inkrafttreten mit Bescheid genehmigt werden.

 

Besonders für umsatzschwächere Klein- und Ein-Personen-Unternehmen (EPU) stellt die Kostenbeteiligung bei Sachleistungen aus der Krankenversicherung eine unverhältnismäßige finanzielle Belastung dar.

 

Grundsätzlich bleibt zudem auch zu hinterfragen, ob Selbstbeteiligungen langfristig überhaupt eine finanzielle Entlastung für das Krankenversicherungssystem bewirken.

So belegt die RAND-HIE-Studie, die als Standardwerk der Gesundheitsökonomie gilt, erstens, dass die stärkste Variable für die Preiselastizität der Nachfrage das verfügbare Einkommen ist und zweitens, dass sich Selbstbehalte auf präventive Leistungen stark negativ auswirken.

Das heißt umgelegt auf die SVA-Versicherten, dass Kostenbeteiligungen vor allem bei einkommensschwächeren Klein- und Ein-Personen-Unternehmen zu einer sinkenden Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen bzw. Diagnosen und Therapien führen. Das ist vor allem deshalb gesundheitsökonomisch kontraproduktiv und sozial höchst fragwürdig, weil das Unterlassen präventiver Gesundheitsleistungen langfristig zu höheren Folgekosten führt.

Dem Argument, dass Selbstbehalte ein notwendiges Finanzierungs- und Steuerungsmittel für Gesundheitssysteme darstellen, kann zudem eine aktuelle Studie (2008) aus dem deutschsprachigen Raum entgegen gehalten werden.[1] Sie kommt zum Schluss, dass sich Kostenbeteiligungen im Gesundheitsbereich langfristig negativ auswirken, da PatientInnen notwendige Behandlungen nicht rechtzeitig durchführen ließen.

 

Eine aktuelle parlamentarische Anfrage der Grünen hat gezeigt, dass nicht einmal sechs Prozent aller UnternehmerInnen im Jahr 2011 vom Selbstbehalt bei Arztbesuchen befreit waren. Und dass, obwohl rund 50 Prozent aller SVA-Versicherten unter 700 Euro im Monat eingestuft sind und die Einkünfte von 10 bis 15 Prozent der EPU unter der Armutsgrenze liegen.[2] Das ist eine besorgniserregende Entwicklung, der Maßnahmen folgen müssen.

 

Es ist weder ein Zeichen eines leistungsgerechten noch sozial ausgewogenen Sozialstaates, wenn Selbstständige trotz des gleichen Beitragssatzes für die Krankenversicherung, einen Selbstbehalt iHv 20 Prozent tragen müssen.

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere der  Bundesminister für Gesundheit, wird aufgefordert, eine Regierungsvorlage zur Novellierung des GSVG vorzulegen, um die Kostenbeteiligung für Sachleistungen der Krankenversicherung für Versicherte der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) gänzlich aufzuheben.

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gesundheitsausschuss vorgeschlagen.

 



[1] http://bibliothek.wzb.eu/pdf/2008/i08-305.pdf

[2] SVA: Soziale Sicherheit für Selbständige. Wir sind für Sie in Bewegung, 2012