2335/A XXIV. GP

Eingebracht am 12.06.2013
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

 

des Abgeordneten Neubauer

und weiterer Abgeordneter

 
betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird 
 
Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985

 

Das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG), BGBI. 311/1985, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBI. I Nr. 38/2011, wird wie folgt geändert:

 

1 § 58c Abs.1 lautet:

 

§ 58c. (1) Ein Fremder erwirbt unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 6 und 8 und Abs. 2 Z 1 und 3 bis 7 die Staatsbürgerschaft, wenn er der Behörde (§ 39) unter Bezugnahme auf dieses Bundesgesetz schriftlich anzeigt,

 

1. sich als Staatsbürger vor dem 9. Mai 1945 in das Ausland begeben zu haben, weil er Verfolgungen durch Organe der NSDAP oder der Behörden des Dritten Reiches mit Grund zu befürchten hatte oder erlitten hat oder weil er wegen seines Eintretens für die demokratische Republik Österreich Verfolgungen ausgesetzt war oder solche zu befürchten hatte;

 

2. dass er oder einer seiner Vorfahren in direkter Linie im Sinne des §§ 7, 7a vor Inkrafttreten des Staatsvertrags von Saint Germain StGBI. Nr. 303/1920 österreichischer Staatsbürger (bzw. Staatsbürger der österreichisch-ungarischen Monarchie) mit Heimatrecht im Gebiet der heutigen autonomen Provinz Bozen-Südtirol war.


Erläuterungen

 

Allgemeiner Teil

 

1. Die Südtiroler Volksgruppe hat im Zuge des Staatsvertrags von Saint Germain gegen ihren Willen die Österreichische Staatsbürgerschaft verloren, indem das Gebiet von Tirol südlich des Brenners von Österreich abgetrennt wurde und dem Staatsgebiet Italiens zugeschlagen wurde. Mit gegenständlichem Gesetzesentwurf wird dem politischen Wunsch der Südtiroler entsprochen, die Bindung zum Vaterland Österreich, das immer auch die Schutzmachtrolle für die Südtiroler ausgeübt hat, zu stärken.

 

2. Der erleichterte Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Südtiroler soll an die Österreichische Staatsbürgerschaft vor dem Irrkrafttreten des Staatsvertrages von Saint Germain, StGBI. Nr. 303/1920, und an das Abstammungsprinzip für den Erwerb der Staatsbürgerschaft anknüpfen. Diese objektiven Kriterien soll einerseits völkerrechtliche Bedenken gegen die einseitige Ausdehnung der Staatsbügerschaft an fremde Staatsangehörige ausräumen (Obwexer, Gutachten über die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Erwerb der Österreichischen Staatsbürgerschaft durch Südtiroler 2011, 53). Anderseits soll dadurch die Kontinuität der Österreichischen Staatsbürgerschaft und ihres Nachweises durch das Heimatrecht für Südtiroler rechtlich wiederhergestellt werden.

 

Denn bis zum Irrkrafttreten des Staatsvertrages von Saint Germain am 16.7.1920 galten für die Südtiroler die österreichischen staatsbürgerschaftlichen Vorschriften. Einerseits erklärte der neu errichtete Staat Deutschösterreich durch die einseitige innerstaatliche Regelung des Gesetzes vom 5.12.1918, StGBI. Nr. 91 alle Personen, die am Tag der Kundmachung dieses Gesetzes (13.12.1918) in einer Gemeinde des in Anspruch genommenen Staatsgebietes (vgl. StGBl Nr. 4/1919) heimatberechtigt waren, als österreichische Staatsbürger (Scapinelli, Die Erwerbung der Staatsbürgerschaft in Deutschösterreich 1919). Anderseits ging der Staatsvertrag von Saint Germain, der die endgültige Lösung des Staatsgebietes und der Staatsbürgerschaft der Republik Österreich brachte, von der Fiktion aus, dass bis zum Wirksamkeitsbeginn des Staatsvertrages (16.7.1920) noch eine einheitliche altösterreichische Staatsbürgerschaft bestanden hatte (Art 70). Davon ausgehend teilte er die altösterreichischen Staatsbürger - wiederum entsprechend ihrem Heimatrecht ("pertinenza") - auf die Nachfolgestaaten auf (für Österreich: Art 64, im Verfassungsrang), wobei zusätzlich völkerrechtliche Optionsmöglichkeiten durch bloße Erklärung bestanden.

 

Dieses altösterreichische Staatsbürgerschaftsrecht, an das die vorliegende Regelung anknüpft, war zweigliedrig: Einerseits enthielt das ABGB in den §§ 28-32 die grundlegenden Bestimmungen über Erwerb und Verlust der Staatsbürgerschaft (Ulbrich, Artikel "Staatsbürgerschaft" in: Mischler/Uibrich (Hrsg.), Österreichisches Staatswörterbuch, 2. Auf! . 1909). Nach§ 28 ABGB galt "in den Erbstaaten"- seit 1867 nur mehr in den "im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder" - für die Staatsbürgerschaft das Abstammungsprinzip ("Die Staatsbürgerschaft ist Kindern eines Österreichischen Staatsbürgers durch die Geburt eigen").

 

Andererseits war für das Österreichische Staatsbürgerschaftsrecht bis 1938 die Verknüpfung mit dem Heimatrecht charakteristisch (Spiegel, Artikel ,,Heimatrecht und  Staatsbürgerschaft", in: Mischler/Ulbrich (Hrsg.), Österreichisches Staatswörterbuch, 2. Aufl. 1909; Waldert, Das Österreichische Heimat- und Staatsbürgerrecht 1926). Seit dem Gesetz vom 3.12.1863 betreffend die Regelung der Heimatverhältnisse, RGBI. Nr. 105/1863, galten die beiden Grundsätze(§ 2): "Nur Staatsbürger können das Heimatrecht in einer Gemeinde erwerben" und "Jeder Staatsbürger soll in einer Gemeinde heimatberechtigt sein". Zusätzlich galten Regeln für die Zuweisung von ,,Heimatlosen" ("Personen, deren Heimatrecht zur Zeit nicht erweislich ist") an eine Heimatgemeinde. Von diesen Regeln(§§ 18- 21) sind im Hinblick auf den Nachweis der Staatsbürgerschaft vor allem die Regel über "die Geburt in einer Gemeinde " (§ 19 Z. 3) und über "die Abstammung von einem nach dieser Regel zugewiesenen Heimatlosen"(§ 21) bedeutsam, weil sie den fehlenden Nachweis des Heimatrechtes ersetzen können. Der für die Staatsbürgerschaft ausschlaggebende Nachweis über das Heimatrecht einer Person in einer Gemeinde bildete der von der Gemeinde auszustellende" Heimatschein ".

 

3. Der erleichterte Zugang zur Staatsbürgerschaft für Südtiroler ist durch die Schutzmachtfunktion Österreichs gerechtfertigt. Die Schutzmachtfunktion Österreichs ist völkerrechtlich zunächst im Pariser Abkommen (1946) begründet (Miehsler, Das Gruber-Degasperi-Abkommen und seine Auslegung, in: Huter (Hrsg.), Südtirol 1965, 385ft). In der Folge wurde die Schutzmachtfunktion durch den bilateralen Verhandlungsprozess ÖsterreichItalien über die "Paketlösung" und über die Reform des neuen Autonomiestatutes (1972) durch 30 Jahre bis zur Streitbeilegungserklärung (1992) und den daraufbezüglichen Notenwechsel zwischen Österreich und Italien auf die völkerrechtliche Verankerung des "Paketes" der neuen Südtirolautonomie erweitert (Hilpold, Die völkerrechtliche Absicherung der Südtirolautonomie, in: Marko et al. (Hrsg.), Die Verfassung der Südtiroler Autonomie 2003, 38ff; derselbe/Perathoner, Die Schutzfunktion des Mutterstaates im Minderheitenrecht 2006, 93; Obwexer, Die Schutzfunktion Österreichs, in: Gamper/Pan (Hrsg), Volksgruppen und regionale Selbstverwaltung in Europa 2008, 76ff).

 

Die Schutzmachtfunktion Österreichs bezieht sich einerseits auf die deutschsprachige Volksgruppe in Südtirol als Teil des durch die Brennergrenze geteilten Landesvolkes von Tirol (Präambel zu Tiroler Landesordnung 1989). Anderseits ist die Schutzmachtfunktion auch durch den territorialen Geltungsbereich der Provinz Bozen-Südtirol rechtlich festgelegt, wodurch der territoriale Anknüpfungspunkt für das Kriterium "Heimatrecht"/Staatsbürgerschaft in Südtirol in der vorliegenden Regelung gerechtfertigt wird (zum personellen und territorialen Geltungsbereich des Pariser Abkommens als Anknüpfungspunkt für die Südtirol- Autonomie und die Schutzfunktion Österreichs vgl. Pernthaler, Die Identität Tirols in Europa 2007, 76 ff). Auf das Siedlungsgebiet der deutschsprachigen und ladinischen Volksgruppe als völkerrechtlich garantiertes Territorium der Schutzbestimmungen für die Volksgruppen (so ausdrücklich: Riz/Happacher, Grundzüge des italienischen Verfassungsrechts unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Aspekte der Südtiroler Autonomie 3. Aufl. 2008, 381) beziehen sich daher die hier vorgeschlagenen Erleichterungen der Erlangung der Österreichischen Staatsbürgerschaft durch den Anknüpfungspunkt Heimatrecht/Staatsbürgerschaft in der Provinz Bozen-Südtirol.

 

4. In Entsprechung dieser Anknüpfungspunkte sollen mit diesem Gesetz Südtiroler, deren Vorfahren in direkter Linie (Eltern-, Großeltern- bzw. Urgroßelternteil) auf dem Gebiet der heutigen autonomen Provinz Bozen-Südtirol vor Inkrafttreten des Staatsvertrags von Saint Germain StGBI. Nr. 303/1920 österreichische Staatsbürger waren, die österreichische Staatsbürgerschaft durch Anzeige erhalten. Als Nachweis für die Staatsbürgerschaft der Vorfahren kommen grundsätzlich alle dazu dienenden Dokumente in Betracht, insbesondere Heimatschein, Auszüge aus dem Geburtenbuch, Familienstandbogen uä. (Zur Geburtsurkunde als Ersatz für den fehlenden Heimatschein als Nachweis des Heimatrechts siehe den Hinweis auf die Regelung des § 19 Heimatrechtsgesetz 1863 in Z. 2 der Erläuterungen, wonach auch der Nachweis der Geburt in einer Gemeinde ersatzweise als Nachweis des Heimatrechts in dieser Gemeinde galt).

 

5. Im Hinblick auf die besondere Situation der Südtiroler muss gewährleistet sein, dass der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht von der Aufgabe der bisherigen Staatsbürgerschaft abhängig ist, wie dies etwa bei der Verleihung (vgl. etwa § 10 Abs. 3 StbG) der Fall ist. Schon bisher ist Voraussetzung für den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige gemäß §§ 58c und 59 Abs. i StbG nicht das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband. Es erscheint auch vor diesem Hintergrund sachgerecht, den Erwerb der Staatsbürgerschaft für Südtiroler durch Anzeige vorzusehen.

 

Die Entziehungsgründe im StbG, insbesondere §§ 32, 33 gelten auch für Südtiroler, die die Staatsbürgerschaft erworben haben. Schon bisher führte der Eintritt in den Militärdienst eines fremden Staates nur dann zur Entziehung der Staatsbürgerschaft, wenn der Eintritt freiwillig erfolgte. Militärpflicht etwa aufgrund einer allgemeinen Wehrpflicht erfüllt den Tatbestand nicht, wobei infolge der Aufhebung der allgemeinen Wehrpflicht in Italien dafür derzeit praktische Relevanz nicht besteht.

 

§ 33 wird im Hinblick auf Beamte in Südtirol so zu interpretieren sein, dass die pflichtgemäße Erfüllung des Dienstes nicht als schädigendes Verhalten zu werten ist.

 

6. Für die Regelung der Materie wird der im Gesetzgebungsbereich des Bundes gelegene Kompetenztatbestand "Staatsbürgerschaft" (Art 11 Abs. 1 Z 1) in Anspruch genommen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für innere Angelegenheiten vorgeschlagen.