321/AB XXIV. GP
Eingelangt am
26.01.2009
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möglich.
Bundeskanzler
Anfragebeantwortung
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Stefan, Kolleginnen und Kollegen haben am 27. November 2008 unter der Nr. 263/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend finanzielle Einsparungen durch die Staats- und Verwaltungsreformen gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Eingangs halte ich fest, dass die Regierungsparteien nicht über die gemäß Art. 44 Abs. 1 B-VG für Änderungen der Bundesverfassung notwendige Mehrheit an Abgeordnetenstimmen verfügen.
Zu den Fragen 1 und 4:
Ø Werden Sie sich dafür einsetzen, dass bei einer weitergehenden Staats- und Verwaltungsreform, als die von den Medien kolportierte, von ihrer Seite aus auch die Oppositionsparteien mit einbezogen werden?
Ø Werden die Oppositionsparteien bei Verhandlungen über eine neue Kompetenzverteilung zwischen Bund und Länder eingebunden werden?
Die Bundesregierung wird auch bei diesen Vorhaben den Dialog mit allen im Parlament vertretenen Parteien suchen, um gemeinsame Projekte zu formulieren und zu verwirklichen.
Zu Frage 2:
Ø Wie viele Beamte und/oder Vertragsbedienste werden eingespart, um drei Milliarden Euro zu erwirtschaften?
Im Regierungsprogramm 2008 - 2013 ist vorgesehen, dass eine Kommission - bestehend aus dem Bundeskanzler, dem Bundesminister für Finanzen, zwei Landeshauptleuten, dem Präsidenten des Rechnungshofes, Prof. Dr. Karl Aiginger (WIFO) sowie Prof. Dr. Bernhard Felderer (IHS) - unter anderem zum Thema „Personalpolitik des Bundes" konkrete Vorschläge erarbeiten wird.
Zu Frage 3:
Ø Wird bei der zukünftigen Staats- und Verwaltungsreform die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Länder behandelt werden?
Die Bundesregierung strebt bei der Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern eine zeitgemäße Beschreibung und Abgrenzung der einzelnen Kompetenztatbestände als Grundlage für zweckmäßige Veränderungen an.
Zu den Fragen 5 und 6:
Ø In welchen Bereichen der Verwaltung wird es strukturelle und organisatorische Veränderungen geben?
Ø In welchen Ressorts wird es strukturelle und organisatorische Veränderungen geben?
Das Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode sieht dazu folgende Vorhaben vor:
Allgemein:
Bundeskanzleramt und Bundesministerium für Finanzen werden gemeinsam eine Arbeitsgruppe zur Prüfung und Umsetzung der Vorschläge des Rechnungshofes zur Verwaltungsreform einrichten. Dabei werden folgende Themenschwerpunkte behandelt werden:
• Verwaltungskosten senken
• Gesundheitswesen
• Schulwesen und Wissenschaft
• Effizientes Förderwesen
• Pensionen
• Personalpolitik des Bundes
Zu prüfende Maßnahmen werden dabei insbesondere sein:
• Strukturbereinigung innerhalb sowie zwischen den Gebietskörperschaften; Identifikation von Doppelgleisigkeiten
• Strikte Einhaltung der Kalkulationsverpflichtung der finanziellen Auswirkungen rechtsetzender Maßnahmen
• Zusammenführung der Ausgaben-, Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung
• Leistungsverrechnung auf Basis einer Kosten- und Leistungsrechnung
• Harmonisierung der Datengrundlagen zwischen den Gebietskörperschaften
• Entflechtung und transparente Gestaltung der horizontalen und vertikalen Transferströme im Zuge des Finanzausgleichs
• Harmonisierung des Rechnungswesens und der Finanzberichterstattung der öffentlichen Hand zur möglichst getreuen Darstellung der finanziellen Lage des Gesamtstaates
• Forcierung von eGovernment
• Verstärkte Nutzung des Ansatzes der gemeinsamen Aufgabenbesorgung (shared Services) z.B. Kraftfahrwesen, Bibliotheken, Kanzleien, Dienstreisemanagement, Bau- und Liegenschaftsmanagement, IT-Leistungen
• Errichtung einer gesamtösterreichischen zentral geführten Förderungsdatenbank und Verringerung der Anzahl an Förderstellen
Darüber hinaus sind folgende Maßnahmen geplant:
Für jedes Ressort sind laut dem aktuellen Regierungsprogramm nach einheitlichen Vorgaben jährlich Leistungsberichte auf der Grundlage von Vergleichbarkeit, Wirkungsorientierung und Qualität zu erstellen. Weiters sollen Kennzahlen und Parameter für Zielvereinbarungen im Hinblick auf eine wirkungsorientierte Verwaltungsführung entwickelt werden.
Des Weiteren sollen ähnliche Tätigkeiten in den Ressorts zur Erzielung von Synergieeffekten zusammengeführt werden, sowie Verwaltungspartnerschaften („shared-services") forciert werden.
Darüber hinaus soll die Installation des One-Stop-Shop Prinzips im öffentlichen Dienst vermehrt zum Einsatz kommen.
Im Bereich eGovernment soll die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Rahmen der Plattform „Digitales Österreich" fortgeführt werden. Die Anmeldung mit der Bürgerkarte soll bei allen IT-Verfahren und Portalen der Verwaltung des Bundes, der Länder und der Gemeinden ausgebaut werden. Außerdem ist eine einvernehmliche Evaluierung der Errichtung einer gemeinsamen Organisation von Bund, Ländern, Städten und Gemeinden zum Betrieb und zur Entwicklung zentraler Registeranwendungen geplant, wie z.B. die Umsetzung eines zentralen elektronischen Personenstandsregisters. Dieses macht möglich, dass jeder Österreicher und jede Österreicherin die Möglichkeit hat – unabhängig vom Ort der Eintragung – überall in Österreich die benötigten Urkunden zu erhalten.
Die Bundesregierung strebt auch die Einführung einer mehrstufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit im Sinne einer Verfahrensbeschleunigung, eines verstärkten Bürgerservice und der Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes an.
In den einzelnen Verwaltungsbereichen sind folgende Maßnahmen geplant:
Wirtschaft:
Beabsichtigt ist gemäß dem aktuellen Regierungsprogramm, Strukturreformen im Bereich der öffentlichen Verwaltung durchzuführen, PPP-Modelle zur Finanzierung von Infrastrukturvorhaben zu forcieren sowie den Verwaltungsaufwand für Unternehmen und Unternehmensgründer, insbesondere für KMUs, zu vereinfachen. Hierbei soll hauptsächlich der Verwaltungsaufwand durch Systemvereinfachungen (Better Regulation, Think small first, Standard Cost Modell) reduziert werden als auch die Unternehmensnachfolge und Maßnahmen bei Förderungen und Haftungen verbessert werden (Nachfolgebörse, One-Stop-Shop).
Darüber hinaus wird das Ziel verfolgt die Bundeswettbewerbsbehörde zu stärken und zu reformieren.
Des Weiteren wird durch das im Herbst 2008 gestartete Programm EVOLVE die Kreativwirtschaft in Österreich bis 2013 gefördert.
Im Bereich Tourismus- und Freizeitwirtschaft besteht Optimierungspotential vor allem bei den innerösterreichischen Tourismusstrukturen sowie beim Ausbau von Kooperationen zwischen öffentlicher Hand und Freizeit-/Tourismusunternehmungen.
Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
Angestrebt wird eine Entbürokratisierung und Verwaltungsvereinfachung in der Land- und Forstwirtschaft. In Zusammenarbeit mit anderen Ressorts soll außerdem ein zentrales An lagen reg ister geschaffen werden, das eine Umstellung von papierbezogenen Behördenabläufen (im Zusammenhang mit Anzeigen, Anträgen, Genehmigungen, Aufzeichnungen und Meldungen) auf E-Government möglich macht. Die Meldungsabwicklung soll weitgehend automatisiert und elektronisch umgesetzt werden.
Im Bereich der Umweltförderung sind die Wartezeiten für Antragsteller deutlich zu reduzieren.
Zudem sollen in der Energieforschung Effizienzsteigerungen bei den Strukturen und Entscheidungsabläufen erreicht sowie Doppelgleisigkeiten vermieden werden.
Inneres
Die Strukturen der Sicherheitsbehörden und die Verwaltungsabläufe sollen überprüft und die Polizei von bürokratischem Aufwand entlastet werden. Etwa soll die Eintreibung von Geldstrafen im Verwaltungsverfahren nicht mehr durch die Polizei, sondern durch sonstige Organe der Verwaltung oder deren Beauftragte erfolgen. Darüber hinaus sollen die EDV-Systeme zur Vermeidung von Mehrfachdatenerfassungen optimiert werden.
Das bisherige Quotensystem für Zuwanderer in Österreich wird durch die „Rot-Weiß- Rot Card“ abgelöst. Zuwanderungswille Personen haben demnach sachliche Parameter zu erfüllen, wie z.B. Kenntnisse der deutschen Sprache, Qualifikation, Unbescholtenheit, Selbsterhaltungsfähigkeit, Bedürfnisse des Arbeitsmarktes etc..
Landesverteidigung und Sport
Das aktuelle Regierungsprogramm sieht eine weitere Umsetzung der Empfehlungen der Kommission Bundesheer 2010 vor.
Im Sportbereich wird eine Reformierung und Entbürokratisierung des Förderwesens hinsichtlich Einreichung, Vergabe, Durchführung, Abrechnung und Evaluierung umgesetzt. So werden beispielsweise One-Stop-Shops bei Förderungen und eine Vereinfachung der Abrechnungssysteme angestrebt. Außerdem ist die Installation eines transparenten Controllingsystems geplant.
Unterricht
Bei den Schulbehörden sollen Doppelgleisigkeiten beseitigt werden. Die Bezirks- und Landesschulräte sollen abgeschafft und Beiräte als beratende Organe auf Landesebene mit Vertretern von Schülern, Eltern und Lehrern eingerichtet werden. Zudem sollen Bildungsdirektionen installiert und Schulstandorte optimiert werden
Weiters soll im Bildungsbereich ein nationaler Qualifikationsrahmen umgesetzt werden, der die Transparenz formal und nonformal erworbener Qualifikationen fördert.
Kunst und Kultur
Im Bereich Kunst und Kultur ist geplant, eine nationale Digitalisierungsstrategie zu veranlassen. Hierbei sollen die „Sammlung Österreich", d.h. die Sammlungen der Bundesmuseen, die Österreichische Nationalbibliothek sowie die Artothek des Bundes einer Digitalisierung unterzogen werden und an das europäische Portal „Europeana“ angeschlossen werden.
Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz
In der Arbeitsmarktpolitik wird die „Early-Intervention-Strategy“ sowie das Frühwarnsystem „Next Job“ ausgebaut, um die Arbeitslosigkeitsperioden möglichst zu verkürzen. Zudem wird ein Online-Antrag auf Arbeitslosengeld ermöglicht.
Im Zuge einer Neuordnung des Invaliditätsrechts soll auch eine Verbesserung der Verfahrensqualität und des Schnittstellenmanagements in der Verwaltung erreicht werden.
Außerdem wird man sich für eine Reduzierung des betrieblichen und behördlichen Ressourcenaufwandes für Menschen mit Behinderung einsetzen.
Familie und Jugend
Die Auszahlung der Familienbeihilfe soll vereinfacht werden.
Gesundheit
Im Gesundheitswesen plant man zur Überbrückung von Versorgungsschnittstellen eine Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien (e-health), wie z.B. der elektronischen Patientenakte (ELGA) oder e-Medikation („Arzneimittelsicherheitsgurt“ zur Feststellung von verordneten Medikamenten mit Wechselwirkungen). Darüber hinaus wird eine einheitliche medizinische Begutachtungsstelle für die Bereiche Pensionsversicherung, Arbeitsmarktservice, Unfallversicherung, Pflegegeld, Behinderungen und Sozialhilfe angestrebt, um Kostendämpfungspotentiale zu realisieren („Gesundheitsstraße“).
Verkehr, Innovation und Technologie
Um KMU mit FTI - Engagement den Zugang zu Fördermitteln zu erleichtern, werden die Antrags- und Abwicklungsprozesse bei den Förderagenturen, wie z.B. bei FFG, etc., systematisch beleuchtet werden, um dadurch die Verwaltung möglichst zu vereinfachen.
Im Bereich der Errichtung und Bewirtschaftung des österreichischen Straßennetzes wird beabsichtigt, Synergiepotentiale, in Bezug auf die Organisationsstruktur der Asfinag und insbesondere auf Ebene der Servicegesellschaften, zu realisieren. Unter anderem sind hierbei Kosten durch Gestaltung effizienter Abläufe, Benchmarks und verstärkte Make or Buy-Entscheidungen zu senken.
Außerdem sollen die Genehmigungsverfahren hochrangiger Infrastrukturvorhaben, besonders im Hinblick auf UVP, konzentriert und wesentlich vereinfacht werden, indem Doppelgleisigkeiten beseitigt und Kostenvorteile für den Projektwerber und die Verwaltung generiert werden.
Weiters wird eine Reform der Raumordnung angestrebt, deren gesetzliche Grundlage österreichweit in den Bundesländern unterschiedlich ausgestaltet ist und Potentiale für Vereinfachungen und Beschleunigungen in sich bergen.
Zudem wird eine Umstellung von Einzel- auf Typengenehmigungen angestrebt.
Wissenschaft und Forschung
Um die Qualität im Bereich der österreichischen Hochschulen weiterzuentwickeln, sollen die bestehenden Agenturen zu einer neuen sektorenübergreifenden Einrichtung zusammengefasst werden.
Justiz
Die Daten der Gerichte, Staatsanwaltschaften, Vollzugsverwaltung und der Sicherheitsbehörden sollen homogenisiert und die Statistik über wiederholte Verurteilungen ausgebaut werden. Der Hintergrundgedanke dabei ist, eine Verbesserung der statistischen Erfassung sicherzustellen und ein Benchmarking zwischen der polizeilichen Kriminalstatistik und der Statistik der Justiz zuzulassen.
Zu den Fragen 7 und 8:
Ø Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Minderheitenrechte im Parlament gestärkt werden?
Ø Wenn ja, wie werden sie sich dafür einsetzen?
Die Reform der Geschäftsordnung des Nationalrates wird gerade vorberaten. Zur Frage der Stärkung der Minderheitenrechte liegen bereits positive öffentliche Stellungnahmen der Parlamentsfraktionen der Regierungsparteien vor.
Zu Frage 9:
Ø Werden sie sich dafür einsetzen, dass durch die Staats- und Verwaltungsreform die direktdemokratischen Institutionen - wie die Volksabstimmung - also die Mitbestimmungsrechte der Bürger, gestärkt werden?
Die Stärkung der unmittelbar demokratischen Handlungsformen ist der Bundesregierung ein Anliegen, wobei einzelne Aspekte - wie etwa der Erhalt von Bürgerinitiativen nach Beendigung einer Gesetzgebungsperiode - auch in der Geschäftsordnung des Nationalrates zu regeln sind.
Die Bundesregierung strebt darüber hinaus verpflichtende Volksabstimmungen für den Fall einer Zusammenlegung von Gemeinden und Städten an, wodurch den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich dieser grundlegenden Frage der Organisation ihrer örtlichen Gemeinschaft zukommen soll (siehe das Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode, S. 254).