842/AB XXIV. GP

Eingelangt am 27.03.2009
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Bundeskanzler

Anfragebeantwortung

 

An die

Präsidentin des Nationalrats

MagBarbara PRAMMER

Parlament

1017 Wien                                                          

GZ: BKA-353.110/0054-I/4/2009                                                  Wien, am 25. März 2009

 

 

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Freundinnen und Freunde haben am 28. Jänner 2009 unter der Nr. 818/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „weiterhin immer noch fehlende Ortstafeln“ gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu den Fragen 1 bis 11:

Ø      Für welche der folgenden Orte sind Sie der Auffassung, dass zweisprachige Orts­tafeln stehen müssten?

a. Rückersdorf

b. Buchbrunn

c. Grabelsdorf

d. Bad Eisenkappel

e. Mökriach

f. Edling

g. Loibach

h. Hundsdorf

i. Mühlbach

j. Dellach

k. Eberndorf

l. Maria Elend

m. Sittersdorf

n. St Jakob

Ø      Wenn Sie für die Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln in manchen dieser Ortschaften sind, warum stellen Sie dann den verfassungsmäßigen Zustand nicht her?

Ø      Warum ergänzen Sie die geltende Topographieverordnung nicht zumindest um diese Ortschaften und legen einen Entwurf für eine neue Topografieverordnung vor?

Ø      Wenn Sie der Auffassung sind, dass in keiner der genannten Ortschaften (1. a–n) zweisprachige Ortstafeln aufgestellt werden müssen, wie begründen Sie das?

Ø      Wann und wie gedenken Sie, in den Ortschaften Bleiburg und Ebersdorf den laut VfGH rechtskonformen Zustand herzustellen?

Ø      Im aktuellen Regierungsprogramm wird im Unterschied zum letzten Regierungs­programm kein zeitliches Limit für die Lösung der Angelegenheit vorgegeben. Be­deutet das eine Verschiebung bis zum Ende der Legislaturperiode?

Ø      Vor kurzem haben Sie medial eine Lösung der Frage nach den kommenden Kärnt­ner Landtagswahlen in Aussicht gestellt. Ist die Herstellung eines verfassungsmä­ßigen Zustandes von einer Landtagswahl abhängig?

Ø      Wenn ja, welcher Bestimmung der Bundesverfassung entnehmen Sie das?

Ø      Wenn nein, warum machen Sie dann die Herstellung eines verfassungsmäßigen Zustandes vom Ergebnis der Wahl in Kärnten abhängig?

Ø      Welche Ergebnisse der Wahl würden welche ihrer Schritte zur Lösung der Ortsta­felfrage nach sich ziehen?

Ø      Sollten die Anfragen erst nach den Ergebnissen der Kärntner Wahlen beantwortet werden:

a.   Welchen Einfluss hat das Ergebnis nun auf die Herstellung eines

rechtskonformen Zustands seitens der Bundesregierung?

b.   Welche davon unterschiedlichen Reaktionen seitens der Bundesregierung

hätten andere Ergebnisse nach sich gezogen?

 

Nach dem Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode (S. 258) soll die Regelung zur Umsetzung der Ortstafelerkenntnisse „in möglichst breitem Kon­sens mit den Volksgruppen auf der Grundlage der bisherigen Vorschläge verfas­sungsrechtlich abgesichert werden“. Dazu bekenne ich mich ausdrücklich.

 

Von den erwähnten „bisherigen Vorschlägen“ darf ich insbesondere den im Juli 2007 im Nationalrat eingebrachten Antrag betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volks­gruppengesetz geändert wird (263/A [XXIII. GP]), in Erinnerung rufen. Darin sind die in Kärnten gelegenen Gebietsteile, in denen topographische Bezeichnungen zwei­sprachig anzubringen sind, in einer im Verfassungsrang stehenden Anlage zum Volksgruppengesetz taxativ aufgelistet. Die Liste der gemischtsprachigen Gebiete für Kärnten enthält 163 Ortschaften in 24 Kärntner Gemeinden; sie ist das Ergebnis von intensiven Gesprächen, die mit allen Beteiligten – insbesondere mit Vertretern der Kärntner Slowenen und der Kärntner Heimatverbände, mit den Bürgermeistern der betroffenen Gemeinden und mit Vertretern der Landespolitik – geführt wurden. In der Liste der Ortschaften sind einerseits sämtliche Ortschaften enthalten, die einen Anteil an gemischtsprachiger Bevölkerung von über 25% aufweisen, andererseits wurde aber auf die spezifische Topographie Kärntens Bedacht genommen. Bei der Festle­gung der Ortschaften wurde daher kein starrer Prozentsatz angewandt, sondern eine sachadäquate Lösung gesucht, der der großen Bandbreite der Ansässigkeit der slo­wenischen Volksgruppe Rechnung trägt. In der Liste enthalten sind auch die Ortschaf­ten Rückersdorf, Grabelsdorf, Mökriach, Loibach, Hundsdorf, Mühlbach, Dellach und Sankt Jakob.

 

Im Übrigen wird in der Anfrage mehrfach auf die – ausdrücklich als solche bezeich­nete – „Herstellung des verfassungsmäßigen Zustandes“ Bezug genommen, womit offenbar die Aufstellung von weiterhin immer noch fehlenden Ortstafeln als solche gemeint ist. Dazu weise ich zum wiederholten Mal auf Folgendes hin:

Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes, durch die Teile einer Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben werden, verpflichten die zuständige oberste Behörde des Bundes oder des Landes zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung. Den Ausspruch über diese Verpflichtung nimmt der Verfassungsgerichtshof regelmäßig in den Spruch des Erkenntnisses auf; insoweit sind solche Erkenntnisse exekutierbar. Über die Kundmachung hinaus kommt eine Exekution jedoch nicht in Betracht, da die Aufhebung mit der Kundmachung eo ipso eintritt. Auch das Entfernen der auf Grund einer (teilweise) aufgehobenen Verordnung aufgestellten Zusatztafeln kann nicht gemäß Art. 146 Abs. 2 B‑VG erzwungen werden, weil eine derartige Verpflich­tung nicht Inhalt des verfassungsgerichtlichen Erkenntnisses ist (und auch nicht sein kann).

 

Die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln als solche gehört nach der allgemeinen Kompetenzverteilung des Bundes-Verfassungsgesetzes nicht zu den „Angelegenhei­ten der Bundesverfassung“ im Sinne des Art. 10 Abs. 1 Z 1 B-VG, sondern zu den „Angelegenheiten der Straßenpolizei“ gemäß Art. 11 Abs. 1 Z 4 B‑VG; sie ist also in Vollziehung nicht Bundessache, sondern Landessache. In den Angelegenheiten, die in Vollziehung Landessache sind, ist die Landesregierung (bzw. das zuständige Mit­glied derselben) oberstes Organ und an keine Weisungen (insb. von Bundesorga­nen) gebunden. Zwar ist richtig, dass Art. 15 Abs. 8 B‑VG dem Bund die Befugnis zur Wahrnehmung der Einhaltung der von ihm u.a. in den Angelegenheiten des Art. 11 B‑VG erlassenen Vorschriften einräumt; diese Bestimmung ermächtigt jedoch weder zur Erteilung von Weisungen noch zur Ausübung unmittelbaren Zwanges.

 

Eine allfällige Geltendmachung der rechtlichen und/oder politischen Verantwortlich­keit des zuständigen Mitgliedes einer Landesregierung ist gemäß Art. 142 Abs. 2 lit. d B‑VG Sache des jeweiligen Landtages.