1127/AB XXIV. GP

Eingelangt am 29.04.2009
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0065-Pr 1/2009

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 1113/J-NR/2009

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Harald Stefan und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Prozess gegen NAbg. Dr. S. W.“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Grundsätzlich ist dem Strafverfahren im Allgemeinen und der Ver­handlung von Tathandlungen bzw. Beurteilung des Täterverhaltens nach den §§ 283, 188 StGB im Besonderen eine „(gesellschafts-) politische“ Bedeutung beizumessen. Insbesondere im Rahmen der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen der Vergehen der Verhetzung und der Herabwürdigung religiöser Lehren realisiert sich im Lichte des § 33 Z 5 StGB, wonach rassistische, fremdenfeindliche oder andere besonders verwerfliche Beweggründe als erschwerend zu werten sind, die gesellschaftspolitische Dimension des Strafprozesses.

Der Erklärung des Staatsanwaltes im Rahmen der Hauptverhandlung gegen die Abgeordnete zum Nationalrat Dr. S. W. wegen §§ 283 Abs. 2, 188 StGB vom 22. Jänner 2009, die zwar nicht wörtlich, jedoch sinngemäß in der zitierten Form richtig wiedergegeben wird, ist somit kein über die dem Strafverfahren und den Tat-beständen der §§ 283, 188 StGB immanente (gesellschafts-) politische Bedeutung hinausgehender gesinnungs-, partei- oder machtpolitischer Inhalt beizumessen. Vielmehr ist die Erklärung im Lichte der ständigen Judikatur, wonach die Zwecke der Spezial- und Generalprävention bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen sind, ausschließlich als Ausführung zu den Strafbemessungskriterien zu bewerten.

Da im Rahmen generalpräventiver Erwägungen auf die – der Begehung strafbarer Handlungen durch andere vorbeugende – Wirkung der Strafe Bedacht zu nehmen ist, waren sowohl die – insbesondere vom Committee on the Elimination of Racial Discrimination im Bericht vom 22. September 2009 geäußerten – Wahrnehmungen von hetzerischen Ansprachen österreichischer Politiker in Bezug auf Migranten, Asylwerber, Flüchtlinge, Personen afrikanischer Herkunft und Mitglieder von Minderheiten als auch die konkreten Umstände der Tatbegehung und deren besondere Gefahrengeneigtheit für tatbestandsmäßiges Handeln im Sinne der §§ 283, 188 StGB durch andere zu erörtern.

Zu 2:

Da der Erklärung des Staatsanwaltes in der Hauptverhandlung, wie bereits dar-gestellt, kein – über die einem Strafverfahren innewohnende (gesellschafts-) politische Bedeutung hinausgehender – politischer Sinngehalt beizumessen ist, ist eine gesinnungs-, partei- oder machtpolitische Einflussnahme auf die Urteilsfindung durch den Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Graz auszuschließen. Im Übrigen ersuche ich um Verständnis, dass ich  in meiner Eigenschaft als Bundes-ministerin für Justiz Entscheidungen der unabhängigen Gerichte (die auch nicht Gegenstand des Interpellationsrechts sind) nicht kommentiere. Das Verfahren ist im Übrigen auch noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.

Zu 3 und 4:

Ich kann aus der sinngemäß richtig wiedergegebenen Erklärung nichts Derartiges ableiten und verweise im Übrigen auf die bisherigen Ausführungen.

Zu 5 und 6:

Es steht außer Zweifel, dass eine Politisierung eines Strafverfahrens im Sinne einer gesinnungs-, partei- oder machtpolitischen Instrumentalisierung im Lichte von Artikel 6 EMRK und des § 3 StPO entschieden abzulehnen ist.

Den aus dieser Frage ableitbaren Vorwurf, der Staatsanwalt habe das Strafverfahren gegen die Abgeordnete zum Nationalrat Dr. S. W. über die oben dargestellte, dem Strafverfahren inhärente politische Bedeutung hinausgehend instrumentalisiert, weise ich mit aller gebotenen Entschiedenheit zurück.

Zu 7 bis 9:

Ich gehe davon aus, dass diese Fragen nicht auf den grundsätzlich bekannten Auf-bau der Staatsanwaltschaften als hierarchisch gegliederte, monokratische Behörde und ihre Weisungsgebundenheit gegenüber der vorgesetzten Behörde abzielen, sondern auf das Verhalten des Staatsanwaltes in der Hauptverhandlung. Dazu bestimmt § 15 Abs. 3 DV-StAG, dass – soweit in Einzelfällen nichts anderes angeordnet ist – Erklärungen und Anträge der Sitzungsvertreter, also jener Staats-anwälte, die an gerichtlichen Verhandlungen teilnehmen, keiner Revision bedürfen. Ein Sitzungsvertreter agiert daher etwa auch bei der Formulierung seines Schluss-vortrages eigenverantwortlich.

Im Übrigen sehe ich keinen Anlass für Maßnahmen des Bundesministeriums für Justiz.

. April 2009

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)