1975/AB XXIV. GP

Eingelangt am 06.07.2009
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BM für Verkehr, Innovation und Technologie

Anfragebeantwortung

 

GZ. BMVIT-9.500/0007-I/PR3/2009    

DVR:0000175

 
An die

Präsidentin des Nationalrats

Mag.a  Barbara PRAMMER

Parlament

A-1017    W i e n

 

 

Wien, am     . Juli 2009

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Moser, Freundinnen und Freunde haben am 6. Mai 2009 unter der Nr. 1929/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Tiefflieger über Wien und weitere Fluglärm-Fragen gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu Frage 1:

Ø      Welche konkreten Aktivitäten haben Sie seit Amtsantritt gegen das Fluglärmproblem insbesondere in den westlichen, südlichen und nordöstlichen Bezirken Wiens gesetzt ?

 

Im Rahmen des Mediationsforums zum Flughafen Wien wurde mit großem Aufwand und unter professioneller, unabhängiger Leitung ein Ausgleich unterschiedlicher Interessen herzustellen versucht. Dabei ging es einerseits darum, Entwicklungsmöglichkeiten der Luftfahrt in Österreich zu gewährleisten, gleichzeitig aber die legitimen Forderungen nach möglichst wenig Lärmbelästigung der in den An- und Abflugbereichen lebenden Bevölkerung zu berücksichtigen. Im 1. Teilvertrag, der von über 55 Parteien unterzeichnet wurde,  wurden daher zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Fluglärmsituation beschlossen, unter anderem eine Nachtflugregelung für die Piste 11. Die Erfüllungsgrade der vereinbarten Maßnahmen werden einer alljährlichen Evaluierung unterzogen und  im Evaluierungsbericht veröffentlicht. Jene Maßnahmen, die zu 100% im Einflussbereich der Austro Control stehen, werden nahezu lückenlos umgesetzt. Es handelt sich dabei um die Einhaltung der Nachtflugregelung, der Korridore bei den Abflugstrecken sowie das rechtzeitige „Einfädeln“ auf das ILS-System“.   Im Rahmen der Nachfolgeorganisation zur Mediation, dem „Dialogforum Flughafen Wien“, werden Konflikte aufgrund der Ergebnisse des Mediationsverfahrens oder die mit dem Fluggeschehen auf und rund um den Flughafen Wien zu tun haben, thematisiert und diskutiert, um so auf eine transparente, kooperative und faire Weise unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten Lösungen zu finden. Ich unterstütze daher die konstruktive Mitarbeit der Austro Control als Mitglied des Dialogforums und halte diesen Ansatz für den einzig sinnvollen.

 

 

Zu Frage 2:

Ø      Welche Aktivitäten haben Sie, Ihr Haus oder die Austro Control im Einzelnen gesetzt, um die lückenlose Einhaltung der vorgeschriebenen Mindestflughöhen im Raum Wien durchzusetzen?

 

Die Beantwortung dieser Frage setzt eine Definition des Begriffs „Mindestflughöhe“ voraus. Grundsätzlich sind die für Österreich geltenden Mindestflughöhen in den LVR (Luftverkehrsregeln) festgelegt. Für Wien beträgt demnach die Mindestflughöhe 1000m, zur Unterschreitung dieser Höhe ist ein Bescheid der Austro Control erforderlich. Das betrifft aber ausschließlich Luftfahrzeuge, die in das Flugbeschränkungsgebiet Wien einfliegen, aber nicht am Flughafen Wien landen. Zum Zweck der Landung ist eine Unterschreitung der Mindestflughöhe erlaubt. Das bedeutet, dass Linien- und Chartermaschinen, die Wien anfliegen, daher niemals gesetzlich vorgeschriebene Mindestflughöhen unterschreiten können. Die Flughöhen dieser Luftfahrzeuge ergeben sich aus den Anforderungen der Flugsicherung bzw.  des Instrumentenlandesystems.  In einem Winkel von 3,1° werden dabei die Luftfahrzeuge zur Pistenschwelle geführt. 

Zusätzlich zu den LVR-Regelungen gelten für die Flugsicherung anzuwendende Radar- Mindestflughöhen, die allesamt von Hindernissen (Gebäude/Geländeerhebungen/...) abhängig sind. Sie sind in der AIP-Österreich (Luftfahrthandbuch) veröffentlicht und somit für jedermann zugänglich. Die Überwachung der Einhaltung der vorgeschriebenen Radar-Mindestflughöhen ist – da sicherheitsrelevant – ein wesentlicher Bestandteil der Aufgaben des Flugverkehrskontrolldienstes. Dementsprechend groß ist die Aufmerksamkeit, die dieser Aufgabe bei jedem einzelnen Flug zukommt.  Ein Unterschreiten dieser Höhen durch die Flugsicherung würde die Gefahr einer Kollision mit einem Hindernis mit sich bringen. Dass diese Höhen durch die Flugsicherung nicht eingehalten werden, ist auszuschließen.

An dieser Stelle muss auch darauf hingewiesen werden, dass eine realistische Einschätzung der Flughöhe vom Boden aus praktisch nicht möglich ist. Folgt beispielsweise auf ein kleineres Luftfahrzeug ein größeres, so wirkt das größere Luftfahrzeug deutlich niedriger, obwohl sich beide in derselben Höhe befunden haben. Im Übrigen ist die Flughöhe jedes Flugzeuges seit 5. Mai 2009 online auf www.flugspuren.at abrufbar.

 

 

Zu Frage 3:

Ø      Wieviele Beschwerden zum Thema Mindestflughöhen wurden Ihnen, Ihrem Haus oder der Austro Control a) im Jahr 2007, b) im Jahr 2008, c) seit Jahresbeginn 2009 übermittelt ?

 

Häufigste Beschwerdegründe sind Einzelereignisse und Überflugshäufigkeit. Im Rahmen der Evaluierung findet alljährlich eine Auswertung der Beschwerden und Anfragen statt. Die Zahlen dazu sehen wie folgt aus:

Beschwerdegründe im Detail (2007):

Insgesamt gab es 10.514 Beschwerden (Telefon und E-Mail), davon 5.848 aus Wien.


Beschwerdegründe im Detail (2008):

Insgesamt gab es 11.140 Beschwerden (Telefon und E-Mail), davon 6.470aus Wien.

 

Beschwerdegründe (2009):

Bis einschließlich April 2009 gab es insgesamt 2.503 Beschwerden (Wien und NÖ),
Hauptbeschwerdegründe waren Einzelereignisse und Überflugshäufigkeit.

 

 

Zu Frage 4:

Ø      Welche Maßnahmen wurden daraufhin von wem im Einzelnen gesetzt, und wieviel Zeit ist jeweils bis zum Ergreifen dieser Maßnahmen verstrichen ?

 

Ich verweise auf meine Ausführungen zu Frage 2.

 

 

Zu den Fragen 5 und 6:

 

Ø      Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen die Mindestflughöhe ?

Ø      Halten Sie diese Sanktionsdrohung für verhältnismäßig, gemessen an der Belastung, die durch (zu) tief fliegende Flugzeuge zB in Sachen Lärm bei einer in einem dicht besiedelten Raum wie Wien und Umgebung für eine große Zahl von Betroffenen verursacht wird und gemessen  an den Folgekosten, die wegen der erwiesenen gesundheitlichen Wirkungen von Fluglärmbelastung für den Staat u.a. im Gesundheitswesen entstehen ?

 

Sowohl Linienpilot als auch Fluglotse müssen davon ausgehen, bei Verstoß gegen die Einhaltung von Radarmindestflughöhen ihre Lizenz – und somit ihre Existenzgrundlage zu riskieren. Damit ist diese Sanktionsdrohung jedenfalls verhältnismäßig.

 

 

Zu Frage 7: 

Ø      Wie oft wurden entsprechende Sanktionen a) im Jahr 2007, b) im Jahr 2008, c) seit Jahresbeginn 2009 verhängt, welche Beträge wurden dabei eingehoben ?

 

Was die Einhaltung von Radarmindestflughöhen betrifft, kein einziges Mal. Was die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestflughöhen laut LVR betrifft, so muss hier grundsätzlich festgehalten werden, dass hier die Bezirksverwaltungsbehörde zuständige Strafbehörde ist. Ihr obliegt es, im Rahmen der im Luftfahrtgesetz enthaltenen Strafnorm, Verstöße zu sanktionieren. Dabei geht es aber in erster Linie um Kleinflugzeuge, die sich im Sichtflugverkehr nicht an gesetzliche Bestimmungen halten und damit eine Verwaltungsübertretung begehen und nicht um Linien- oder Chartermaschinen, die Wien anfliegen (siehe hiezu auch meine Ausführungen zu Frage 2).

 

 

Zu den Fragen 8 und 9:

Ø      Wie begründen Sie, dass  laut Betroffenen im Zusammenhang mit dem Thema Fluglärm in Ihrem Zuständigkeitsbereich (z.B. OZB, ACG) die klaren Vorgaben im Umweltinformationsgesetz (§5) hinsichtlich Mitteilungspflicht „im elektronischen Weg“ und „ohne unnötigen Aufschub“ wiederholt nicht eingehalten wurden?

Ø      Wie werden Sie die künftige lückenlose Einhaltung dieser Bestimmungen in Ihren Zuständigkeitsbereich (OZB, ACG) sicherstellen?

 

Im Rahmen des Mediationsverfahrens wurde eine zentrale Beschwerdestelle eingerichtet, deren Aufgabe es ist, alle Anfragen rasch und unbürokratisch zu beantworten. Der überwiegende Teil der angefragten Informationen bezieht sich auf einzelne Flugereignisse. Diese Informationen sind über das FANOMOS-System des Flughafens (auf Basis der Austro Control-Radardaten) abrufbar und werden so rasch als möglich und im elektronischen Weg übermittelt. Das gilt für Anfragen nach dem Umweltinformationsgesetz genauso wie für alle anderen. Sollte es teilweise zu Verzögerungen kommen, so hängt das zumeist mit den angefragten Informationen zusammen. Es dauert beispielsweise erheblich länger und verursacht einen deutlich höheren Aufwand, internationale Überflüge im Raum Wien (in 10km Höhe und darüber), die vom FANOMOS System nicht mehr erfasst werden, aufgrund von reinen Radardaten zu erheben.

Sollten hier Anfragen nicht oder nicht ausreichend beantwortet worden sein, so können sich Betroffene jederzeit mit der konkreten Anfrage an mein Ressort wenden. Es wird dann, sofern die angefragten Informationen verfügbar sind, eine umgehende Beantwortung veranlasst. Des Weiteren möchte ich an dieser Stelle erneut darauf hinweisen, dass ein Großteil der Informationen insbesondere was Flughöhe, Zeit und Überflugsort einzelner Flugereignisse betrifft, seit 5. Mai 2009 online auf www.flugspuren.at abrufbar ist.

Zu Frage 10:

Ø      Wie begründen Sie, dass Verfahren mit Reduktionspotential für die Fluglärm-Belastung seitens der OZB mit extrem geringem Tempo abgewickelt wurden bzw. werden (vgl. z.B. Antrag auf Überflug der sog. Borealisgründe nach Starts auf der Piste 29, zu dem selbst die ACG festhält, dass „keine technischen Gründe vorliegen, die einen Rechtsschwenk über die Borealisgründe verhindern“) ?

 

Der Vorwurf des „extrem geringen Tempos“ ist nicht nachvollziehbar. Der erfolgreiche Abschluss des Mediationsverfahrens und die Arbeit des Dialogforums in den letzten Jahren belegen klar das Gegenteil. Im Rahmen des Dialogforums werden in engster Abstimmung mit der Bevölkerung aus Wien, Niederösterreich und dem Burgenland mögliche Verbesserungen diskutiert und  im Konsens beschlossen. Die konkrete Anfrage nach einem Überflug der Borealisgründe ist nicht bloß eine Frage der technischen Möglichkeit. Selbstverständlich kann über ein Chemiewerk – rein flugtechnisch gesehen – geflogen werden. Die Frage nach der technischen Möglichkeit ist aber nur eine von vielen, die bei der Gestaltung von Flugstrecken zu prüfen ist. Dementsprechend hat man aus Sicherheitsgründen bisher davon Abstand genommen.

 

 

Zu Frage 11:

Ø      Mit welchem Ziel haben sich die Verantwortlichen in Ihrem Zuständigkeitsbereich in jahrelanger Verzögerungstaktik vehement gegen die in anderen Staaten längst umgesetzte (und somit offensichtlich anders als gern behauptet aus Sicherheitsperspektive etc unbedenkliche) zeitnahe Veröffentlichung der Flugspuren zusammen mit allen relevanten Daten wie Lärm, Flugzeugtyp etc. gewehrt ?

 

Im Rahmen des Dialogforums (Nachfolgegremium aus der Mediation) wurde die Frage einer Internet-Darstellung von Flugspuren seit Jahren intensiv diskutiert und nach
Möglichkeiten gesucht, eine Form zu finden, die allen Anforderungen des Datenschutzes  und der Sicherheit entspricht.  In einem mehrmonatigen Prozess wurde nun eine Variante erarbeitet, die alle Erfordernisse erfüllt. Diese Version stellt im Wesentlichen jene Informationen zur Verfügung, die durch das bekannte FANOMOS-System auch heute schon abrufbar sind und durch die Mitglieder des Dialogforums aber auch von Privatpersonen angefordert werden können. Ich sehe in der jetzigen Variante einen guten Kompromiss, der sowohl dem Wunsch der Bevölkerung nach mehr Transparenz als auch den gesetzlichen Vorgaben Rechnung trägt. Was andere Länder betrifft, so gibt es in Europa in Deutschland ein ähnliches Service von offizieller Seite, das zwar eine geringere Zeitversetzung aufweist aber was grafische Genauigkeit und Detailliertheit anbelangt, bei weitem nicht an die Darstellung des ACG/Flughafen-Systems herankommt.

 

 

Zu Frage 12:

Ø      Warum soll nun eine Flugspuren-Publikation erst wieder in ungenügender Detaillierung und mit völlig unbegründeter 24-stündiger Verspätung erfolgen, die folgerichtig auch nur von VIE und ACG ohne BürgerInneninitiativen präsentiert wurde ?

 

Die Zeitversetzung beruht auf Vorgaben des Datenschutzgesetzes, welches im Unterschied zu beispielsweise Deutschland, auch den Schutz von juristischen Personen (Airlines) vorsieht und daher eine Rückverfolgbarkeit einzelner Fluglinien nicht zulässt. An englischen Flughäfen beträgt die Zeitversetzung in der Darstellung übrigens 24 bis 48 Stunden.

 

 

Zu Frage 13:

Ø      Halten Sie Datenschutzprobleme, die beim Datenschutz mindestens so sensible andere Staaten offenbar nicht haben, wirklich für eine stichhaltige Begründung für die Zurückhaltung bei der Flugspur-Offenlegung, angesichts des ansonsten viel großzügigeren Umgangs der Regierung mit Datenschutzfragen vom Sicherheitspolizeigesetz über Verkehrsüberwachungs-Daten bis zum Thema Vorratsdatenspeicherung ?

 

Auf den Unterschied zur deutschen Rechtslage wurde bereits hingewiesen. Wie bereits in Frage 11 ausgeführt, wird die jetzige Variante als guter Kompromiss gesehen.

 

 

Zu Frage 14:

Ø      Wann werden Sie – nicht zuletzt zur Transparenz in Sachen Tiefflieger über Wien – die zeitnahe Veröffentlichung der Flugspuren zusammen mit allen relevanten Daten wie Lärm, Flugzeugtyp etc., also ohne die derzeitigen transparenz-hinderlichen Generalisierungen, für den Flughafen Wien umsetzen ?

 

Im Rahmen des Dialogforums wird in einigen Wochen eine erste Evaluierung des Systems durchgeführt.

 

 

Zu Frage 15:

Ø      Welche Absichten haben Sie bzw. ACG o.ä. diesbezüglich für die übrigen österreichischen Verkehrsflughäfen?

 

Derzeit sind keine weiteren Online-Flugspurensysteme in Planung.