2010/AB XXIV. GP

Eingelangt am 07.07.2009
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BM für Unterricht, Kunst und Kultur

Anfragebeantwortung

Bundesministerium für

Unterricht, Kunst und Kultur

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

Geschäftszahl:

BMUKK-10.000/0177-III/4a/2009

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wien, 7. Juli 2009

 

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 2028/J-NR/2009 betreffend Abfrage sensibler Daten für die Vorerhebungen zu den Bildungsstandards, die die Abg. Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen am 12. Mai 2009 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

 

Zu Fragen 1, 2, 8 und 13:

Vorweg wird festgehalten, dass der hier verwendete Begriff „persönliche Frage“ aller Voraussicht nach eine den individuellen Lebensbereich der jeweiligen Schülerin bzw. des jeweiligen Schülers betreffende Fragestellung vermeint. Derartige Fragen sind datenschutzrechtlich solange nicht problematisch, als die betreffenden Schülerinnen und Schüler von niemandem identifiziert werden können. Ist eine derartige Anonymisierung der Daten gegeben, können auch noch so intime Fragestellungen (siehe dazu auch Frage 3) das Grundrecht auf Datenschutz nicht verletzen. Erhebungen dieser Art würden dem DSG 2000 gar nicht unterliegen. Ist für das BIFIE eine Identifizierung der Schülerinnen und Schüler mit rechtlich zulässigen Mitteln nicht möglich, handelt es sich um indirekt personenbezogene Daten, die dem DSG 2000 unterliegen, allerdings brauchen die in Verbindung mit der Datensicherheit (§ 14 DSG 2000) zu treffenden Maßnahmen nicht das Ausmaß zu erreichen, das bei direkt personenbezogenen Daten verlangt wird. Sozialwissenschaftlich gesehen ist jede Frage in jedem Fragebogen persönlich, wenn sie von einer Person beantwortet wurde.


Zum Wortlaut des Fragebogens (I und II) wird auf die angeschlossene Beilage 1 und 2 verwiesen. Zur Vorgehensweise betreffend Testpaket I - Testheft/Antwortbogen und Fragebogen I sowie Fragebogen II wird ausgeführt:

 

Testpaket I - Testheft/Antwortbogen und Fragebogen I:

1.   Das Zentrum für Datenmanagement und Statistik (ZDS) des BIFIE erhielt von den teilnehmenden Schulen Listen mit einer laufenden Nummer und dem Geburtsdatum der in Frage kommenden (rd. 11.000) Schülerinnen und Schüler. Aus der Schul-Nummer, der Klassen-Nummer und dieser laufenden Nummer der Schülerin bzw. des Schülers wurde ein numerischer Code gebildet, der auf die Test-, Frage- und Antwortbögen gedruckt wurde (teilweise als Strichcode):

      6SCHNR+2KLNR+2LFDNR = 0200340221.

2.   Es wurden keine Namen der Schülerinnen und Schüler an das BIFIE übermittelt und auch keine Namen im weiteren Prozess verwendet (auch keine Sozialversicherungsnummern oder Ähnliches).

3.   Die Schülerinnen und Schüler haben auf den Fragebögen zur Kontrolle das Geburtsdatum angegeben, um die korrekte Zuordnung der Test-/Fragebögen an den drei verschiedenen Testtagen prüfen zu können. Eine Erfassung dieser Variablen findet nicht statt. Diese Zuordnung/Prüfung ist entscheidend, da die Daten der Testhefte der drei Fächer/Erhebungstage untereinander und mit den Fragebogen-Daten verknüpft werden müssen.

4.   Die vollständig ausgefüllten Bögen werden direkt im Anschluss an die Testung in Kisten verpackt, im Beisein von Testleiterin bzw. Testleiter und Schulleitung protokolliert versiegelt und vom Paketdienst von der Schule abgeholt und ans BIFIE geliefert.

5.   Dadurch sollte sichergestellt werden, dass einerseits die Schule über keine Daten verfügt und andererseits das BIFIE keine Verbindung zu den Schülerinnen und Schülern herstellen kann.

Mit rechtlich zulässigen Mitteln hätte das BIFIE die Identität der Betroffenen nicht feststellen können – es hat sich also um indirekt personenbezogene Daten im Sinne des DSG 2000 gehandelt.

 

Nach der Verwendung dieses Fragebogens I am ersten Testtag wurden Bedenken von verschiedenster Seite bezüglich des Datenschutzes geäußert und Einwände gegen bestimmte Fragen in Fragebogen I erhoben.

 

Fragebogen II:

Der ursprüngliche Fragebogen I wurde in Folge durch einen neuen, stark verkürzten Fragebogen II ersetzt. Dessen Inhalt wurde zusätzlich durch eine Diskussion mit den Bundeselternvertreterinnen und -vertretern abgesichert. Da es sich nur mehr um einen Erhebungszeitpunkt handelte, erfasste der neue Fragebogen II das Geburtsdatum nicht mehr. Eine namentliche Erfassung war genauso wie bei Fassung I nicht der Fall – mit rechtlich zulässigen Mitteln konnte das BIFIE die Identität der Betroffenen also nicht feststellen – es handelte sich demnach weiterhin um indirekt personenbezogene Daten.

 

Der nur teilweise ausgefüllte ursprüngliche Fragebogen I wurde in Folge (mit Ausnahme von Oberösterreich und Tirol) an das BIFIE gesandt und unter notarieller Aufsicht am 12. Juni 2009 vernichtet. In den Bundesländern Oberösterreich und Tirol wurde eine eigene Vernichtungsmethode unter Aufsicht des Landesschulrates gewählt.


Die Test- bzw. Antwortbögen sowie Fragebogen II werden verwendet, analysiert und ausgewertet. Alle Daten sind indirekt personenbezogene Daten – mit rechtlich zulässigen Mitteln kann das BIFIE die Identität der Betroffenen nicht feststellen. Daher ist das DSG 2000 entsprechend anzuwenden. Die Zulässigkeit der Erhebung richtet sich nach § 46 Abs. 1 DSG 2000.

 

Zu Fragen 3 und 5:

Die Stichprobe umfasste ca. 11.000 Schülerinnen und Schüler. Fragebogen I wurde vernichtet, der Wortlaut des neuen Fragebogens II kann der Beilage 2 entnommen werden. Die diesbezügliche Erfassung und die Rücklaufquote sind derzeit in Arbeit – das BIFIE geht jedoch davon aus, dass mehr als 95 % der rund 11.000 Schülerinnen und Schüler korrekt ausgefüllte Bögen abgegeben haben.

 

Zu Frage 4:

Die gesamte Studie findet auf der 8. Schulstufe (Hauptschule und AHS-Unterstufe) statt.

 

Zu Fragen 6 und 7:

Zusätzlich zu den Kompetenztestungen („Leistungen“) wurden von den Schülerinnen und Schülern wichtige Kontextvariablen mittels Fragebogen erhoben, die für die Beurteilung der Ergebnisse, deren Analyse sowie die Rückmeldung fairer Vergleiche wichtig sind. Die „Baseline-Testung“ liefert vor allem die Ausgangsdaten für die im Schuljahr 2011/12 bzw. 2012/13 stattfindenden Standard-Überprüfungen – mit folgenden grundsätzlich zu untersuchenden wissenschaftlichen Fragen bzw. erfüllt diese folgende wesentliche Hauptaufgaben im Rahmen der Bildungsstandards:

-     Verändern sich durch die Einführung von Bildungsstandards die Ergebnisorientierung bzw. die pädagogische Praxis des täglichen Unterrichts, verändern sich wesentliche schulische Kontexte/Rahmenbedingungen und damit die erzielten Leistungen der Schülerinnen und Schüler?

-     Wenn sich diese wichtigen Merkmale tatsächlich verändern: Welche Faktoren sind dabei bestimmend, welche Rahmenbedingungen sind entscheidend (förderlich oder hemmend) und welche Nebenwirkungen könnte diese pädagogische Innovation haben (z. B. die Verminderung/Erhöhung der psychischen Belastung der Schülerinnen und Schüler)?

-     Wie wirkt sich die Einführung von Bildungsstandards in Schulen in ganz unterschiedlicher Situation aus: von selektiven ländlichen Gymnasien mit überdurchschnittlich leistungsfähigen Schülerinnen und Schülern und Eltern mit hohem Akademikeranteil bis hin zu sozialen städtischen Brennpunkt-Hauptschulen mit vielen Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Muttersprache und hohem Anteil aus bildungsfernen Schichten.

-     Wie können den Schulen möglichst „faire und informative Vergleiche“ rückgemeldet werden, um die Schulentwicklungsprozesse zu fördern, d. h. wie kann man Vergleichbares vergleichen (z. B. städtische Schulen desselben Typs und ähnlicher Voraussetzungen)? Wesentlich dafür sind Merkmale der Elternschaft, z. B. soziales, Bildungs- und kulturelles Kapital der Familien und des Umfelds der Schule (städtisch, ländlich, an der Peripherie von Großstädten, mit niedrigem/hohem Migrantenanteil usw.).

-     Die Schulqualitätsforschung hat – neben der individuellen Begabung und Motivation sowie den elterlichen Einflüssen – eine Reihe weiterer wichtiger Rahmenbedingungen bzw. Indikatoren für „gute Schulen“, gelingenden Unterricht bzw. höhere Leistungen erbracht. Einige davon kann man den Bereichen Schulklima – Zufriedenheit/Befindlichkeit – psychische Belastung der Schülerinnen und Schüler zuordnen. Dieser Bereich wird in den letzten Jahren auch in der Öffentlichkeit und in der Bildungspolitik als außergewöhnlich wichtig eingeschätzt, wie die häufigen Diskussionen u. a. über Gewalt in der Schule, Gewalt zwischen Schülerinnen und Schülern, aber auch Gewalt von Schülerinnen und Schülern gegen Lehrkräften und vice versa zeigen. Daher hätte dieser Bereich auch in der laufenden Studie einen entsprechenden Raum eingenommen.

-     Das BIFIE stützt sich dabei in der Erhebung und in den Analysen auf eine Reihe von einschlägigen Vorarbeiten (z. B. Perner/Benesch NÖ/2008; Krumm et al. 1995) und die Expertise namhafter, an österreichischen Universitäten lehrender Psychologinnen und Psychologen sowie Bildungswissenschafterinnen und Bildungswissenschafter
(z. B. Univ.-Prof. DDr. Christiane Spiel, Univ.-Prof. Dr. Ferdinand Eder).

-     Dass solche Kontextfragen im Zusammenhang mit einer Leistungsstudie gestellt werden, zeigt, dass nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die Bildungsforschung solchen Rahmenbedingungen immer stärkere Aufmerksamkeit schenkt.

Zu Fragen 9 und 10:

Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur ist in Verbindung mit den Bildungsstandards Verordnungsgeberin im Sinne von § 17 Abs. 1a des Schulunterrichtsgesetzes. In der Verordnung BGBl. II Nr. 1/2009 werden die näheren inhaltlichen Vorgaben für derartige Standards festgelegt. Auftraggeberin im datenschutzrechtlichen Sinn ist hingegen das BIFIE. In dieser Funktion muss es sich auch um die Einhaltung datenschutzrechtlicher Rahmenbedingungen kümmern. Dabei unterliegt es der nachträglichen Aufsicht (vgl. etwa § 24 Abs. 2 Z 1 BIFIE-Gesetz).

 

Wenn das Erheben von sensiblen Daten sachlich erforderlich ist, um den Gesetzesauftrag von § 17 Abs. 1a des Schulunterrichtsgesetzes zu erfüllen, bestehen dagegen keine rechtlichen Einwände. Allerdings muss dabei das der angeführten Bestimmung übergeordnete Grundrecht auf Datenschutz (§ 1 Abs. 1 DSG 2000) beachtet werden, das von den übrigen Regelungen des DSG 2000 konkretisiert wird.

 

Zu Frage 11:

Nein, keine Lehrkraft der jeweiligen Schule konnte mit rechtlich zulässigen Mitteln den ausgefüllten Fragebogen (I oder II) zu Gesicht bekommen. Die Fragebögen wurden einige Tage vor dem Testtermin mittels Paketdienst in Boxen versiegelt an die Schule geschickt. Diese wurden am Morgen des Testtages gemeinsam von Schulleitung und schulexterner/schulexternem Testleiterin/Testleiter geöffnet. Im jeweiligen Versiegelungsprotokoll muss persönlich bestätigt werden, dass die Versiegelung bei Eintreffen der Testleitung intakt war. Während der Testsitzung durften keine schulinternen Lehrpersonen in der Klasse anwesend sein. Nach der Beantwortung wurden die Fragebögen wieder versiegelt im Fragebogenpaket (Box) an der Schule aufbewahrt, da sie von den Schülerinnen und Schülern an den weiteren Testtagen erneut bearbeitet werden hätten sollen. Auch diese Versiegelung wurde auf dem Versiegelungsprotokoll dokumentiert. Dem BIFIE ist kein Fall bekannt, wo durch Eingreifen von Lehrkräften oder Schulleitungen dieser Schutz verletzt worden wäre. Auf die Beantwortung der Fragen 1, 2, 8 und 13 wird verwiesen.

 

Zu Frage 12:

Stößt das BIFIE bei der Auswertung der Fragebögen auf ein strafrechtlich relevantes Verhalten von Eltern gegenüber ihren Kindern, wäre es gemäß § 78 Abs. 1 StPO zur Anzeige an die Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft verpflichtet. Denn das BIFIE ist als juristische Person des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 2 BIFIE-Gesetz) eine Behörde im Sinn der StPO. Auch wenn das BIFIE die/den betreffende/n Schülerin/Schüler bzw. dessen Eltern auf Basis seines Datenmaterials nicht identifizieren kann, muss es die Informationen, über die es verfügt an die Sicherheitsdienstelle bzw. an die Staatsanwaltschaft weiterleiten, die dann mit der Schule Kontakt aufzunehmen hätte.

 

 

 

Die Bundesministerin:

Dr. Claudia Schmied eh.

 

 

 

 

 

Beilagen

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Anmerkung der Parlamentsdirektion:

 

Die vom Bundesministerium übermittelten Anlagen stehen nur als Image (siehe Anfragebeantwortung gescannt) zur Verfügung.