2023/AB XXIV. GP

Eingelangt am 08.07.2009
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Inneres

Anfragebeantwortung

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien     

           

 

                                                                                                        

 

Die Abgeordnete zum Nationalrat Korun, Kolleginnen und Kollegen haben am 8. Mai 2009 unter der Zahl 2004/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „Österreicher in Schubhaft“ gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Zu den Fragen 1 und 2:

Herr Mohammed A. wurde am 25.03.2009, 10.30 Uhr, gem. den Bestimmungen des § 39 Abs.1 Zi. 1 FPG festgenommen.

Die erste behördliche Einvernahme erfolgte am 25.03.2009, 19.58 Uhr im Fremdenrechtsbüro Wien.

 

Zu den Fragen 3 bis 7:

Der Einvernahme war ein Dolmetscher für die arabische Sprache beigezogen. Ein Dolmetscher für Sudanesisch wurde nicht beigezogen, da es sich hierbei um keine offizielle Amtssprache handelt (Anmerkung: Im Sudan werden mehr als 130 Sprachen gesprochen - Amtssprache ist Arabisch). Es gab auch keine Hinweise, dass Herr Mohammed A. kaum der deutschen Sprache mächtig war. Informationsblätter wurden in arabischer Sprache ausgefolgt.

Im Anschluss an die Niederschrift wurde vom Leiter der Amtshandlung ein Vermerk angefügt, dass Herr Mohammed A. einen verwirrten bzw. ängstlichen Eindruck hinterlasse.

Der Einvernahme war kein Amtsarzt beigezogen, da alle entsprechenden Untersuchungen im Polizeianhaltezentrum stattfanden.

 

Zu den Fragen 8 bis 24:

Die erste polizeiamtsärztliche Untersuchung fand am 25.3.2009, um 16.10 Uhr, statt.

Herr Mohammed A.  war als haftfähig befunden worden. Auf Empfehlung des untersuchenden Amtsarztes wurde ein Facharzt für Psychiatrie beigezogen. Der Genannte wurde im Zuge seines Haftaufenthaltes zweimal psychiatrisch untersucht.

Der Inhalt der Befunde unterliegt dem Datenschutz bzw. der Amtsverschwiegenheit.

Ein Psychologe wurde nicht beigezogen, da bereits ein Facharzt für Psychiatrie beigezogen worden war.

Bei der Aufnahme des Herr Mohammed A. wurden keine Medikamente gefunden.

 

Zu den Fragen 25 bis 27:

Im PAZ Hernalser Gürtel verfügen 10 Exekutivbeamte über eine Sanitäterausbildung. Bei der Zugangsuntersuchung am 25.3.2009, bei jeder weiteren Arztvorstellung sowie bei den Vorstellungen vor den psychiatrischen Dienst war jeweils ein Sanitäter zur Unterstützung des Arztes anwesend.

 

Zu Frage 28:

Herr Mohammed A. war während seines Aufenthaltes im PAZ Hernalser Gürtel mit 7 anderen Angehaltenen untergebracht.

 

Zu den Fragen 29 bis 33:

Zu diesen Sachverhalten werden derzeit vom Büro für besondere Ermittlungen der BPD Wien in Absprache mit bzw. im Auftrag der zuständigen Staatsanwaltschaft Erhebungen geführt, welche noch nicht abgeschlossen sind. Im Zuge der psychologischen Untersuchung von Herrn Mohammed A. wurden keine derartigen Vorwürfe geäußert bzw. Verletzungen festgestellt.

Nach Bekanntwerden der Misshandlungsvorwürfe in den Medienberichten wurden mehrere Mithäftlinge, welche in derselben Zelle untergebracht waren, zeugenschaftlich vernommen. Am 6.4.2009 wurde ebenfalls eine Befragung von Angehörigen der Kommission Wien 1 des Menschenrechtsbeirates durchgeführt.


Zu Frage 34:

Am 26.3.2009 wurde Herr Mohammed A. von einer deutsch- und arabischsprachigen Betreuerin des Vereins Menschenrechte Österreich (VMÖ) besucht.

 

Zu Fragen 35 bis 37:

Laut Mitteilung des VMÖ ergaben sich in den Betreuungsgesprächen keinerlei Hinweise, dass es sich bei Herrn Mohammed A. um einen österreichischen Staatsbürger handeln oder er hier lebende Angehörige haben könnte.

Aufgrund seiner psychischen Auffälligkeit wurde vom VMÖ eine dringende Vorstellung zur Untersuchung und medizinischen Abklärung durch Fachärzte angeregt. Außerdem wurden engmaschige Besuche durch die arabischsprachige Betreuerin vorgesehen.

Einen weiteren Kontakt mit der Betreuerin gab es am 30.03.2009. Der nächste geplante Besuch hat sich durch die Entlassung am 01.04.2009 erübrigt.

 

Zu den Fragen 38 bis 40:

Weitere behördliche Einvernahmen fanden nicht statt.

 

Zu den Fragen 41 und 42:

Bei der am 25.03.2009 stattgefundenen Einvernahme gab Herr Mohammed A. an, dass er in Österreich keine Angehörigen habe und seine Familie im Sudan leben würde.

 

Zu Frage 43:

Herr Mohammed A. war im Besitze eines Schlüssels. Angaben zu seiner Wiener Wohnadresse sind lt. Auskunft der Fremdenpolizei Wien nicht aktenkundig und wurden lt. Auskunft der Fremdenpolizei Wien im Rahmen der Einvernahme nicht getätigt.

 

Zu Frage 44:

Da es laut Aktenlage keine konkreten Anhaltspunkte gab (auch eine ZMR-Anfrage mit den von Herrn Mohammed A. genannten Daten brachte kein Ergebnis), konnte eine Ausforschung des Wohnortes nicht erfolgen.

 

Zu den Fragen 45 bis 49:

Die Verhängung der Schubhaft erfolgte durch das Fremdenpolizeiliche Büro der Bundespolizeidirektion Wien. Aufgrund der damals vorliegenden Fakten, der Anzeige und der niederschriftlichen Angaben, sowie der Tatsache, dass er keine Dokumente hatte und zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung eine erkennungsdienstliche Behandlung kein Ergebnis aufwies, wurde davon ausgegangen, dass es sich bei Herrn Mohammed A. um einen sudanesischen Staatsangehörigen handelt, der in Österreich keine Angehörigen hat.

 

Da der Genannte darüber hinaus nach damaligem Informationsstand nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt schien, über keine Unterhaltsmittel, Unterkunft oder Meldung verfügt hat und keine familiären, sozialen oder beruflichen Bindungen zu Österreich ermittelt werden konnten, wurde zur Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahrens und zur Abschiebung die Schubhaft verhängt.

 

Es bestanden zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung (25.03.2009, 20.20 Uhr) keine Hinweise, dass es sich bei Herrn Mohammed A. um einen österreichischen Staatsbürger handeln könnte, da keinerlei Dokumente bzw. Rück- od. Anfragen darauf hingewiesen haben und er selbst dazu keine Angaben gemacht hatte.

 

Zu Frage 50:

Laut eigenen Angaben reiste Herr Mohammed A. vor rund 1 Jahr mit dem Flugzeug nach Österreich.

 

Zu Fragen 51 und 52:

Aufgrund der mangelhaften Angaben zur Person (unklares Geburtsdatum, unklare Namensschreibweise des im Arabischen häufig vorkommenden Vor- bzw. Familiennamens) wurde aktenkundig erstmals nach Bekanntwerden des endgültigen Ergebnisses des Abgleichs der übermittelten Fingerabdrücke am 26.03.2009 EKIS-Anfragen (PI, SIS, SA, AI, FI) getätigt, wobei im Fremdeninformationssystem (FI) zwei nicht idente Datensätze aufschienen. Im Personeninformationssystem schien jedoch aufgrund von widerrufenen Abgängigkeitsanzeigen die richtige Person als „abgängiger Minderjähriger“ auf. Eine aktuelle Abgängigenanzeige war zu diesem Zeitpunkt diesem System nicht zu entnehmen.

Bedauerlicher Weise wurde damals nicht erkannt, dass die in Schubhaft genommene Person tatsächlich mit dem aufscheinenden österreichischen Staatsbürgern ident sein könnte. Dieser Umstand ist Gegenstand von Untersuchungen.

 

Zu Fragen 53 bis 57:

Nein.

 

Zu Frage 58:

Wie aus der Begründung des Schubhaftbescheides hervorgeht, war aufgrund der angenommenen Mittellosigkeit, des Fehlens von familiären, sozialen und beruflichen Bindungen sowie der ungeklärten Identität anzunehmen, Herr Mohammed A. würde sich einem fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen.

 

Zu den Fragen 59 und 60:

Ja.

 

Zu Frage 61:

Daten über abgängig gemeldete Personen werden im EKIS (Personeninformation) gespeichert.

 

Zu Frage 62:

Zum Zeitpunkt der EKIS Anfrage am 26.03.2009, 14.07 Uhr, war die erstattete Abgängigkeitsanzeige in der Personeninformation noch nicht gespeichert.

 

Zu den Fragen 63 bis 66:

Derartige Schritte wurden nicht gesetzt.

 

Zu den Fragen 67 und 68:

Es wurde kein Zeitpunkt für die Abschiebung festgelegt.

 

Zu Frage 69:

Am Tag der Enthaftung beim Fremdenpolizeilichen Büro der Bundespolizeidirektion Wien.

 

Zu Frage 70:

Die Enthaftung wurde am 01.04.2009 angeordnet und die Anordnung zur Umsetzung um 13.32 Uhr dem Polizeianhaltezentrum übermittelt.

 

Zu den Fragen 71 und 72:

Herr Mohammed A. wurde am 1.4.2009 noch einmal vom Facharzt für Psychiatrie untersucht. Hinsichtlich gesundheitlicher Aspekte können aus Gründen des Datenschutzes und der Amtsverschwiegenheit keine Angaben gemacht werden.

 

Zu Frage 73:

Mangels darüber vorliegender Informationen können dazu keine Aussagen getroffen werden.


Zu den Fragen 74 und 75:

Die Eltern wurden vom Abteilungsleiter der Verwaltungspolizeilichen Abteilung der Bundespolizeidirektion Wien, der das Bedauern über den Vorfall ausgedrückt und im Namen der Behörde eine Entschuldigung ausgesprochen hat, persönlich aufgesucht. Auch wurde durch den Leiter der zuständigen Organisationseinheit des Bundesministeriums für Inneres schriftlich das Bedauern ausgedrückt.

 

Zu Frage 76:

Der Fall Mohammed A. wurde zum Anlass einer umfassenden Evaluierung genommen.

 

Zu Frage 77:

Ich möchte nachdrücklich festhalten, dass der in der Fragestellung global getätigte Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit gegen die Polizei zurückzuweisen ist.

Sollten im Einzelfall Ansätze von Rassismus und Diskriminierung auftreten, so sind die Ressortverantwortlichen und die Behördenleiter beauftragt, dem umgehend entgegen zu treten.

 

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass das polizeiliche Einschreiten nach klar definierten Richtlinien, Gesetzesaufträgen und Dienstanweisungen erfolgt.

 

Weitere Maßnahmen reichen von Toleranztrainings in der Aus- und Fortbildung über Einsatztrainingseinheiten, bei denen das Thema Menschenrechte selbstverständlich ist, bis zur Einrichtung des Menschenrechtsbeirates.

 

Bereits 2001 haben das Bundesministerium für Inneres und die Anti-Defamation-League einen Vertrag für eine umfassende Zusammenarbeit unterzeichnet und sich auf die Durchführung gemeinsamer Toleranztrainings geeinigt. Ziel ist es, in der Polizeiarbeit sämtliche Formen von Diskriminierung zu beseitigen. Das Training ist seit 2004 Teil der Grundausbildung und verpflichtend für alle angehenden Polizistinnen und Polizisten. Bisher haben tausende Polizistinnen und Polizisten diese Ausbildung im Rahmen der berufsbegleitenden Fortbildung absolviert. Darüber hinaus entsenden alle Sicherheitsdirektionen, Landespolizeikommanden und Bundespolizeidirektionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu den gemeinsamen Seminaren.

 

Als Instrument mit vorwiegender Präventivfunktion wurde im September 1999 der Menschenrechtsbeirat eingerichtet, der das Bundesministerium für Inneres in Fragen der Wahrung der Menschenrechte berät.

 

Zu Frage 78:

Meinungen und Einschätzungen sind nicht Gegenstand des parlamentarischen Interpellationsrechts gemäß Art. 52 B-VG.

 

Zu Frage 79:

Die gesetzlichen Vorgaben werden in der Praxis durch Erlässe und Weisungen ergänzt und konkretisiert. Darüber hinaus erfolgt im Rahmen der Aus- und Fortbildung eine weitergehende Sensibilisierung der Beamten auf die vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt.

 

Zu Frage 80:

Statistiken mit dem Begriff „Hautfarbe“ werden nicht geführt.

 

Zu Frage 81:

Im Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel wurden seit 2004 folgende Maßnahmen zur Verbesserung der Haftbedingungen gesetzt:

(ehem. Schubhaftbetreuung);

 

Derzeit wird eine Offene Station mit einer Kapazität für 45 Schubhäftlinge errichtet. Die Inbetriebnahme wird voraussichtlich im Herbst 2009 erfolgen.

 

Zu Frage 83:

2008 befanden sich im PAZ Hernalser Gürtel 2058 Personen in Schubhaft. Die Offene Station stand 2008 noch nicht zur Verfügung.