2693/AB XXIV. GP

Eingelangt am 08.09.2009
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BM für Wirtschaft, Familie und Jugend

Anfragebeantwortung

 

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara PRAMMER

 

Parlament

1017 Wien

 

 

                                                                                            Wien, am 7. September 2009

 

                                                                                            Geschäftszahl:

                                                                          BMWFJ-10.101/0282-IK/1a/2009

 

 

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 2792/J betreffend „die Teilverkabelung einer 380kV-Leitung durch sensible Gebiete in Salzburg“, welche die Abgeordneten Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen am 10. Juli 2009 an mich richteten, stelle ich eingangs fest:

 

 

Das österreichische 380 kV-Netzausbaukonzept sieht eine Ringleitung um den zentralen österreichischen Raum vor, wobei die westlichen Bundesländer durch eine Ost-West-Schiene mit diesem Zentralring verbunden werden.

Die Fertigstellung dieses gesamtösterreichischen 380 kV-Rings ist, wie von allen maßgeblichen Experten bestätigt wird und im Regierungsprogramm vorgesehen ist, eine wesentliche Voraussetzung, um den Wirtschaftsstandort zu sichern und weiterzuentwickeln.

 

Das als Voraussetzung für sichere Versorgung international anerkannte (n-1)-Kriterium kann mit den bestehenden Nord-Süd-Verbindungen, bei denen es sich zum weitaus überwiegenden Teil um 220 kV-Leitungen handelt, die für die
Deckung eines deutlich geringeren als des heutigen Elektrizitätsbedarfes errichtet wurden, nicht mehr durchgängig eingehalten werden. Dieses Kriterium, zu dessen Einhaltung die Netzbetreiber verpflichtet sind, besagt, dass bei Ausfall eines wesentlichen Systems einer Stromversorgungsanlage die gesamte erforderliche elektrische Energie noch über ein verbleibendes, betriebsbereites anderes System transportiert werden können muss. Erst mit dem dringend notwendigen Lückenschluss im 380 kV-Netz wird es wieder möglich sein, das (n-1)-Kriterium einzuhalten und großflächige Stromausfälle bestmöglich zu verhindern.

 

Die Notwendigkeit der geplanten und zu einem großen Teil bereits errichteten 380 kV-Ringleitung begründet sich durch:

 

·         den Vorteil, dass mit dieser Ringleitung im Störungsfall eine Versorgung von der jeweils anderen Seite erfolgen kann

·         die Möglichkeit sehr großer Energieeinsparungen: Da bei 380 kV-Leitungen die Übertragungsverluste um den Faktor 3 bis 5 niedriger sind als bei 220 kV-Leitungen, kann durch den Ringschluss eine Einsparungsmenge von 250 GWh pro Jahr, das entspricht mehr als der dreifachen jährlichen Stromerzeugung des soeben eröffneten Wasserkraftwerkes Werfen/Pfarrwerfen, erzielt werden.

·         den notwendigen Ausgleich zwischen den Erzeugungsräumen im Norden des Bundesgebietes und den Verbrauchsschwerpunkten in den südlichen Bundesländern, zumal im Norden Österreichs ein Erzeugungsüberschuss, im Süden Österreichs aber ein Erzeugungsdefizit gegeben ist.

 

Bis auf das Teilstück "St. Peter am Hart - Tauern" konnte die 380 kV-Ringleitung bereits fertiggestellt und in Betrieb genommen werden. Der Baubeginn für das Teilstück "St. Peter - Salzach Neu" ist nach Erteilung der UVP-Genehmigung bereits erfolgt; für das Teilstück "Salzach Neu - Tauern" wurde das UVP-Verfahren noch nicht beantragt.

 

Zuständig für die Durchführung von UVP-Verfahren für Starkstromfreileitungen ist die jeweils örtlich zuständige Landesregierung.

 

Als mitwirkende Behörde hat das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend gemäß § 7 StWG lediglich darauf hinzuwirken, dass von der UVP-Behörde die Frage geprüft wird, ob das eingereichte Projekt dem öffentlichen Interesse an der Versorgung der Bevölkerung oder eines Teiles derselben mit elektrischer Energie entspricht.

 

Antwort zu den Punkten 1 bis 4 und 11 bis 13 der Anfrage:

 

Am 23.7.2009 hat Georg Wilhelm Adamowitsch, der auf Wunsch der Salzburger Landesregierung und der Bundesregierung bestellte EU-Koordinator für die 380 kV-Leitung "St. Peter am Hart - Tauern", Teilstück "Salzach Neu - Tauern", seinen Abschlussbericht vorgelegt, in dem er sich eingehend mit der Frage auseinandersetzt, welche Technologie (reine Freileitung, Teilverkabelung in "sensiblen Bereichen" oder Vollverkabelung) für diese elektrische Leitungsanlage eingesetzt werden soll und in dem auch die KEMA-Studie gewürdigt wird. Der EU-Koordinator kommt dabei zu folgendem Ergebnis:

·         Aus dem Blickwinkel der Versorgungssicherheit ist eine Freileitung eindeutig zu bevorzugen, weil zwar Schäden bei Freileitung und Kabel etwa gleich häufig auftreten, aber die Reparaturdauer bei Kabeln ca. das 68-fache beträgt und Kabellösungen daher nicht die notwendige Verfügbarkeit aufweisen. Das verpflichtende (n-1)-Kriterium (Versorgungssicherheit) kann nur mit einer Freileitung eingehalten werden; dies umso mehr aufgrund der Ringstruktur des österreichischen Übertragungsnetzes.

·         Eine Verkabelung bedeutet erhebliche größere Eingriffe in Boden, Wasser, Flora und Fauna; die Freileitung wird daher vom EU-Koordinator auch aus dem Blickwinkel der Umweltauswirkungen als deutlich vorteilhafter beurteilt.

·         Entsprechend lange Kabelstrecken existieren weltweit nicht; nur die Freileitung entspricht dem derzeitigen Stand der Technik, da für lange Überland-Höchstspannungskabel die notwendigen Erfahrungswerte fehlen.

·         Aus dem Blickwinkel des Gesundheitsschutzes (elektrische und magnetische Felder) stellt der EU-Koordinator fest, dass Freileitungen ab einem Abstand von 100m zur Wohnbebauung nach dem heutigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis jedenfalls unbedenklich sind.

·         Bei einer Verkabelung müsste jedes Freileitungssystem durch 2 Kabelsysteme substituiert werden; d.h. im Falle der Salzburgleitung wären 4 Systeme zu verlegen.

·         Das Kabel hätte betriebliche und ökologische Nachteile, würde aber bereits bei der Errichtung beträchtliche Mehrkosten verursachen (der EU-Koordinator geht von einem Faktor 6,2 aus), die von den Stromkonsumenten getragen werden müssten.

 

Aus all diesen Erwägungen kommt der EU-Koordinator gerade angesichts der energiewirtschaftlichen Bedeutung des möglichst raschen Lückenschlusses im gesamtösterreichischen 380 kV-Ring zu dem eindeutigen Ergebnis, dass für die Salzburgleitung weder eine Vollverkabelung noch eine Teilverkabelung in Frage kommt, da diese für Österreich essentielle, auch im europäischen Kontext bedeutende Leitungsverbindung unbedingt unter Anwendung einer dem geltenden Stand der Technik entsprechenden Technologie hergestellt werden muss. Diesem Erfordernis entsprechend empfiehlt der EU-Koordinator die Ausführung der 380 kV-Leitung "St. Peter am Hart - Tauern", Teilstück "Salzach Neu - Tauern" als Freileitung, da die von manchen Gemeinden, Anrainern und Politikern favorisierte Verkabelungstechnik derzeit noch nicht weit genug entwickelt ist, um die notwendige Versorgungssicherheit zuverlässig zu gewährleisten.

 

Der Bericht des EU-Koordinators wurde von mir ausdrücklich begrüßt.

 

 

Antwort zu den Punkten 5 bis 7 der Anfrage:

 

Der Bundesumweltsenat ist Berufungsbehörde im UVP-Verfahren, sodass eine  Mitwirkung am erstinstanzlichen UVP-Verfahren rechtsstaatlich unzulässig wäre. "Sensible Bereiche", auf die bei der Projektgestaltung Rücksicht zu nehmen ist, werden durch die anzuwendenden Rechtsvorschriften definiert und sind von den zuständigen Behörden entsprechend den rechtlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen.

 

 

Antwort zu den Punkten 8 bis 10 der Anfrage:

 

Derartige Möglichkeiten bestehen bereits im Salzburger Landeselektrizitätsgesetz 1999 in der Fassung der Novelle 2008. Die dem entgegenstehenden Bedenken sind im Ministerratsbeschluss 6/18 sowie dem zugehörigen Schreiben des Bundeskanzleramtes an die Frau Landeshauptfrau von Salzburg, aus welchem nachstehend auszugsweise zitiert wird, enthalten:

 

"Diese (Anm.: "faktisches Freileitungsverbot") würde dazu führen, dass die Regelungen im Bundesland Salzburg für Bewilligungswerber über die bisherige Praxis und Regeln der Technik hinausgehende Anforderungen vorsieht, die über die in andern Bundesländern geforderten Standards deutlich hinausgehen. Durch das faktische Freileitungsverbot und die daher notwendige Verkabelung im Bundesland Salzburg steigen sowohl die Investitionen als auch die Betriebskosten für die Bewilligungswerber deutlich. Diese Zusatzkosten sind im Zuge eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 25 iVm § 55 EIWOG durch die zuständige Behörde zu berücksichtigen."