6920/AB XXIV. GP

Eingelangt am 28.01.2011
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

 

 


                                                                                                    Alois Stöger

                                                                                                                                      Bundesminister

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Maga. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

 

 

GZ: BMG-11001/0379-II/A/9/2010

Wien, am 26. Jänner 2011

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 7020/J des Abgeordneten Dr. Karlsböck und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Einleitend kann ich feststellen, dass es ambitionierte Bemühungen gibt, sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene, die seltenen Erkrankungen mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken, und dadurch das allgemeine Problembewusstsein dafür zu stärken. Ziel all dieser Bemühungen ist es, den betroffenen Personen und deren Angehörigen den Zugang zu möglichst rascher Diagnose, bestmöglicher Therapie und notwendiger Unterstützung zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang ist auch der äußerst wichtige Beitrag von Selbsthilfegruppen hervorzuheben.


Fragen 1 bis 3:

Alle Meinungen von Expertinnen und Experten, die ich zu dieser Frage eingeholt habe, kamen zu dem Ergebnis, dass das Festlegen eines Sonderstatus eine Stigmatisierung der Erkrankten mit sich bringen könnte.

Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen haben bereits jetzt dieselben Rechte im Sozialsystem wie alle anderen Patientinnen und Patienten auch und werden vom Sozialversicherungssystem in keiner Weise benachteiligt. Im Übrigen möchte ich auch auf mögliche ethische Probleme hinweisen,  die eine Grenzziehung zwischen seltenen Erkrankungen und anderen aufwerfen würde (vgl. z.B. seltene Tumorerkrankungen). Nicht zuletzt sind auch verfassungsrechtliche Probleme (Gleichheitsgrundsatz) zu erwähnen.

 

Fragen 4 bis 6:

Die Idee eines speziellen Ausweises wird von Expert/inne/en aus dem Grund der Stigmatisierungsgefahr abgelehnt; im Übrigen verweise ich auf die Antwort zu den Fragen 1 bis 3.

 

Fragen 7 bis 9:

Es wurde vom Obersten Sanitätsrat (OSR) in seiner Herbsttagung am 15. November 2008 der einstimmige Beschluss gefasst, eine Unterkommission für seltene Erkrankungen mit dem konkreten Arbeitsauftrag zur Ausarbeitung eines Nationalen Aktionsplanes für seltene Erkrankungen einzurichten.

Der Nationale Aktionsplan wird basierend auf der Empfehlung des Europäischen Rates vom 8. Juni 2009 sowie dem Leitfaden des europäischen EUROPLAN-Konsortiums mit Empfehlungen für die Entwicklung nationaler Aktionspläne für seltene Erkrankungen vom 15. Mai 2010 und unter Berücksichtigung der gesetzlichen und strukturellen Rahmenbedingungen in Österreich ausgearbeitet.

Die Mitglieder der Unterkommission für seltene Erkrankungen des OSR kommen aus folgenden Bereichen, bzw. vertreten sie die folgenden Institutionen:

1) Bereich Selbsthilfegruppen für seltene Erkrankungen: 2 Mitglieder

2) Bereich medizinische Spezialisten für seltene Erkrankungen: 3 Mitglieder

3) Bereich selektives Screening/Neugeborenenscreening: 1 Mitglied

4) Bereich Bereich Sozialministerium: 1 Mitglied

5) Bereich Wissenschaftsministerium: 1 Mitglied (angefragt)

6) Bereich Hauptverband der Sozialversicherungsträger: 1 Mitglied

7) Bereich Österreichische Ärztekammer: 1 Mitglied

8) Bereich AGES, PharmMed: 1 Mitglied

9) Bereich Dachverband der Pharmazeutischen Industrie: 1 Mitglied

10) Bereich Medizinrecht und Medizinethik: 1 Mitglied

11) Bereich Gesundheit Österreich GmbH (GÖG): 1 Mitglied

12) Bereich Gesundheitsministerium: 1 Mitglied

13) Bereich seltene Erkrankungen und Orphanet: 1 Mitglied

Gesamtzahl: 16 Mitglieder

Es fanden acht Sitzungen statt, davon wurden im Jahr 2010 vier Sitzungen abgehalten.


Fragen 10 bis 12:

Die Idee der Schaffung eines staatlichen Sonderfonds wurde diskutiert. Es gibt darüber weder eine einhellige Meinung noch eine Lösung der Finanzierungsfrage. Im Übrigen verweise ich auf die Beantwortung der Fragen 1 bis 3.

 

Zu Fragen 13 bis 16:

Im Rahmen des Nationalen Aktionsplanes ist auch die Einrichtung von Referenzzentren vorgesehen.

Die Kriterien für die Etablierung offizieller „Referenzzentren“ müssen noch ausgearbeitet und festgesetzt werden, unter anderem kann das Epidermolysis Bullosa-Haus in Salzburg als Beispiel dienen.

In diesem Zusammenhang muss festgehalten werden, dass die Bezeichnung „Referenzzentrum“ auf europäischer Ebene aus mehreren Gründen verworfen und im europäischen Sprachgebrauch durch den Terminus „Center of Expertise“ (Expertise-Zentrum) ersetzt wurde. Es sind sowohl die Definition als auch der Anerkennungsprozess eines solchen Expertise-Zentrums noch in Erarbeitung.

Es ist wünschenswert, dass die Betreuung von an einer seltenen Erkrankung Leidenden in Zentren durchgeführt wird, da dadurch ein verbesserter Zugang zu Diagnose, Behandlung, Rehabilitation und Pflege möglich sein wird. Diese Zentren müssen in einem europäischen Kontext gesehen werden, eine Vernetzung ist notwendig.

 

Fragen 17 bis 20:

Forschung ressortiert in den Zuständigkeitsbereich der Frau Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung.

 

Fragen 21 bis 23:

Es ist mir ein besonderes Anliegen, dass allgemeine Informationen zu seltenen Erkrankungen für Betroffene, Angehörige und Health Professionals zur Verfügung gestellt werden können.

Daher habe ich mich bemüht, dass die Errichtung einer zentralen staatlichen Anlaufstelle für seltene Erkrankungen im 1. Quartal 2011 umgesetzt werden kann. Mit diesem Zeitpunkt wird das Koordinationsbüro die Arbeit aufnehmen. Es wird bei der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) eingerichtet und befindet sich bereits in Aufbau. Dadurch wird ein integratives Gesamtkonzept für die Strukturierung der Diagnose- und Versorgungswege ermöglicht.

 

Arbeitsschwerpunkte des Koordinationsbüros sind insbesondere:

·                    Die Internetplattform Orphanet und zwar vor allem die Erfassung des österreichischen Leistungsangebotes für seltene Erkrankungen. Orphanet ist ein Internet-Informationsserver und bietet Familien und Fachleuten Informationen über seltene Erkrankungen und die entsprechenden vorhandenen Dienste.


·                    Strukturierung und Koordination des medizinischen Leistungsangebotes für seltene Erkrankungen in Österreich sowie Unterstützung aller Ratsuchenden und Interessenvertreter im Bereich seltene Erkrankungen.

 

Das Koordinationsbüro könnte auch den Ausgangspunkt einer – zunächst zentraleuropäischen – Vernetzung der Expertise-Zentren bilden.

 

Fragen 24 und 25:

Seit 29. Februar 2008 wird auch in Österreich jährlich der Rare Disease Day begangen, um in der Öffentlichkeit für die Problematik Verständnis zu schaffen. Ich unterstütze diese Initiative durch eine aktive Teilnahme.

Am sogenannten (Epidermolysis Bullosa) EB-Haus Austria – einer weltweit einzigartigen Spezialklinik in unmittelbarer Nähe der Universitätsklinik für Dermatologie an den Salzburger Landeskliniken – sichert ein kompetentes Team von Ärztinnen und Ärzten und speziell ausgebildeten Krankenschwestern die medizinische Versorgung der "Schmetterlingskinder". Der Bau des EB-Hauses wurde auf Basis eines Beschlusses der Bundesgesundheitskommission 2005 mit 1 Million Euro unterstützt und wurde im Herbst 2005 eröffnet.

 

Im Juni 2007 wurde vom Gesundheitsressort an die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde ein Arbeitsauftrag betreffend Neugeborenenscreening auf lysosomale Speicherkrankheiten (z.B. Mucopolysaccharidosen) vergeben, der Ende 2010 abgeschlossen wurde. Dieser beinhaltet die Entwicklung und Prüfung von Verfahren zur Untersuchung auf lysosomale Speicherkrankheiten bei Neugeborenen. Es wurden dafür 623.726,- Euro zur Verfügung gestellt.

 

Ab April 2011 wird die Joint Action on Orphanet durchgeführt werden. Dafür stellt mein Ressort innerhalb der nächsten drei Jahre 234.000,- Euro zur Verfügung. Zusätzlich werden von EU-Geldern 106.374,- Euro beigesteuert.

 

Ein weiterer Beitrag zur Verwirklichung des Koordinationsbüros für seltene Erkrankungen wurde in der GÖG durch zur Verfügung Stellung von Arbeitszeit im Ausmaß von neun Personenmonaten geleistet. Es wird aber darüber hinaus noch zusätzliche Arbeitszeit für weitere Personen finanziert werden. Insgesamt werden für das Jahr 2011 für das Koordinationsbüro 246.000,- Euro zur Verfügung gestellt.

 

Wertvolle Unterstützungsarbeit auch für Angehörige und PatientInnen seltener Erkrankungen wird ein Sekretariat mitsamt der dazu notwendigen Infrastruktur, welches von meinem Ressort in der Gesundheit Österreich GmbH der Arge-Selbsthilfe  zur Verfügung gestellt wird, leisten. Die dafür geplanten Mittel betragen rund 80.000,- Euro. Zusätzlich wird eine Förderung der Arge-Selbsthilfe aus dem Budget des BMG in der Höhe von € 20.000,-- bereitgestellt.

 

Darüber hinaus hat der Fonds Gesundes Österreich im Jahr 2010 für Angelegenheiten der Selbsthilfegruppen rund  € 229.000,- aufgewendet.


 

Seitens der Wiener Gebietskrankenkasse wurden in der Vergangenheit Selbsthilfegruppen teils direkt (z.B. MS-Gesellschaft), teils indirekt im Rahmen des Wiener Reformpoolprojekts „PatientInnenorientierte Integrierte Krankenbetreuung – pik“ unterstützt. Für die MS-Gesellschaft wurden in den Jahren 2009 und 2010 direkt jeweils 6.450,- Euro aufgewandt.

 

Die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse unterstützt den Dachverband der Selbsthilfegruppen mit einem Betrag von 10.000,- Euro pro Jahr.

 

Die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse unterstützt schon seit längerem den Dachverband der oberösterreichischen Selbsthilfegruppen (z. B. durch Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten). Dem Dachverband gehören auch Selbsthilfegruppen seltener Erkrankungen an.