10216/AB XXIV. GP

Eingelangt am 16.03.2012
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

BMJ-Pr7000/0012-Pr 1/2012


Republik Österreich
die bundesministerin für justiz

 

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

Tel.: +43 1 52152 0

E-Mail: team.pr@bmj.gv.at

 

 

Frau
Präsidentin des Nationalrates

 

 

Zur Zahl 10331/J-NR/2012

Die Abgeordneten zum Nationalrat Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Missbrauchsopfer M. N.“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Vorauszuschicken ist zunächst, dass wegen der Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs an M. N. bereits 1994 ein Strafverfahren anhängig war, das mit gerichtlichem Beschluss vom 11. November 1996 gemäß § 109 Abs. 1 StPO aF eingestellt wurde.

Zu 1 bis 4:

Nach meinem Kenntnisstand war M. N. von den Verfahren 207 St 59/10d, 208 St 108/10t und 208 St 138/11f betroffen. Die Ermittlungsverfahren wurden wegen §§ 206 Abs. 1, 207 Abs. 1 und 212 Abs. 1 Z 2 StGB geführt. Ich ersuche jedoch um Verständnis, dass ich im Rahmen der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage die anzeigenden Stellen/Personen und den „genauen Inhalt“ von Strafanzeigen nicht wiedergeben kann.


Zu 5 bis 7:

Im Verfahren 207 St 59/10d der Staatsanwaltschaft Wien fanden Zeugenvernehmungen statt. Weitere Ermittlungsmaßnahmen in Bezug auf Missbrauchshandlungen zum Nachteil des M. N. wurden weder in diesem noch in den Verfahren 208 St 108/10t und 208 St 138/11f durchgeführt, weil wegen bereits entschiedener Sache aus rechtlichen Gründen und hinsichtlich zweier weiterer zu 208 St 138/11f ange­zeigter Personen aus Beweisgründen (das Opfer und seine Mutter waren nicht zu einer Zeugenvernehmung bereit) mit Einstellung vorzugehen war.

Zu 8 bis 13:

Der zuständigen Sachbearbeiterin der Staatsanwaltschaft Wien war bekannt, dass der Onkel der Leiterin der Staatsanwaltschaft Wien, Herr A. F. (Ordensname Bruder H.), als Lehrer und Direktor bei den Schulbrüdern in Bad Goisern tätig war. Bruder H. befand sich jedoch nicht unter den im Verfahren der Staatsanwaltschaft Wien angezeigten Personen, worauf die Sachbearbeiterin ausdrücklich achtete. Im Übrigen wurden sämtliche Fakten, deren Tatort nicht in Wien lag, an die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft abgetreten.

Daher besteht für aufsichtsbehördliche Maßnahmen auch kein Anlass.

Zu 14:

Im Verfahren 208 St 108/10t der Staatsanwaltschaft Wien wurde ein Vorhabensbericht an das Bundesministerium für Justiz erstattet. Im Übrigen war das Bundesministerium für Justiz mehrfach mit Rechtsschutz- und Informationsersuchen befasst.

Zu 15 und 16:

Die Gründe für die Einstellung der Verfahren wurden bereits zu den Fragepunkten 5 bis 7 genannt und stehen in keinem Zusammenhang mit meiner Haltung zum Opferschutz als Bundesministerin für Justiz. Der umfassende Schutz von Gewaltopfern ist mir selbstverständlich ein wichtiges Anliegen. Österreich hat in den letzten Jahren zahlreiche Maßnahmen zum Schutz von Kindern vor sexuellen Übergriffen ergriffen. Um das Schutzniveau weiter zu erhöhen, habe ich erst jüngst folgende legislative Maßnahmen initiiert, die am 1. Jänner 2012 in Kraft getreten sind:

·         Schärfere Strafdrohungen durch Schaffung bzw. Anhebung von Strafuntergrenzen bei strafbaren Handlungen einer volljährigen gegen eine unmündige Person, die unter Anwendung von Gewalt oder gefährlicher Drohung begangen worden sind (§ 39a StGB);

·         Einführung des Straftatbestandes Anbahnung von Sexualkontakten zu Unmündigen (§ 208a StGB), die gezielt bestimmte Verhaltensweisen im Vorfeld von Sexualdelikten an Unmündigen erfassen soll, die bisher als reine Vorbereitungshandlungen straflos waren;


·         Schaffung eines neuen Straftatbestand gegen die wissentliche Betrachtung pornographischer Darbietungen Minderjähriger (§ 215a Abs. 2a StGB), der die Konsumenten dieser  Darbietungen in die Pflicht nehmen soll;

·         Ausdehnung der Strafbarkeit von Auslandstaten: Über die bestehenden Regeln hinaus soll jeder sexuelle Missbrauch von Jugendlichen (§ 207b StGB), der Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses (§ 212 StGB) sowie der Menschenhandel (§§ 104a, 194, 217 StGB) ohne Rücksicht auf die Gesetze des Tatorts bestraft werden. Dabei sollen auch jene Täter erfasst werden, die nur österreichische Staatsbürger sind (aber im Ausland leben) sowie umgekehrt auch jene Täter, die nur ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben (ohne österreichische Staatsangehörige zu sein). Darüber hinaus ist angedacht, Zwangsverheiratungen (und Genitalverstümmelungen), die im Ausland vollzogen werden, unabhängig davon, ob das Delikt im Tatortstaat strafbar ist oder nicht, in Österreich strafbar zu machen.

Mit diesen Gesetzesänderungen wird sowohl das Europaratsübereinkommen zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch umgesetzt als auch die Umsetzung eines Teils der Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornographie vorweggenommen.

Weiters fördert das Bundesministerium für Justiz über 40 Opferhilfeorganisationen zur Durchführung der psychosozialen und juristischen Prozessbegleitung hilfsbedürftiger Opfer von Gewaltdelikten. Im Jahr 2011 wurde dafür ein Betrag von nahezu 4 Mio. Euro aufgewendet.

Auch die Sensibilisierung der Justizmitarbeiter und -mitarbeiterinnen liegt mir am Herzen. So werden bereits im Zuge der Ausbildung in Zusammenarbeit mit staatlich anerkannten Opferschutzeinrichtungen Veranstaltungen zum Themenbereich „Opferschutz“ angeboten, deren Teilnahme für die Berufsanwärter und -anwärterinnen verpflichtend ist. Zudem beinhaltet das RStDG einen verpflichtenden Ausbildungsdienst bei einer Opferschutz- oder Fürsorgeeinrichtung mit einer Mindestdauer von zwei Wochen. 

Auch das Weiterbildungsangebot umfasst laufend Veranstaltungen zu diesem Themenkomplex. Im Zeitraum 2009 bis 2011 seien beispielsweise folgende Seminare genannt:

·         „Umgang mit minderjährigen Missbrauchsopfern im Zivil- und Strafverfahren“ (BMJ)

·         „Einschätzung der Gefährlichkeit von TäterInnen bei häuslicher Gewalt und Stalking“ (BMJ)

·         „Der Opferschutz im Strafprozessreformgesetz“ (OLG Innsbruck)

·         „Gewaltschutz und Schutz vor Stalking – aus zivilrechtlicher und strafrechtlicher Sicht“ (OGH)


·         Pädophilie – Pädosexualität: Opfer und Täter/in (OLG Wien)

Darüber hinaus wurden speziell zum zweiten Gewaltschutzgesetz Fortbildungsveranstaltungen abgehalten.

 

Wien,        . März 2012

 

 

 

Dr. Beatrix Karl