11626/AB XXIV. GP

Eingelangt am 06.08.2012
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

 

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer                                                            Wien, am     Juli 2012

Parlament

1017 Wien                                                                GZ: BMF-310205/0161-I/4/2012

 

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 11813/J vom 6. Juni 2012 der Abgeordneten Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:

 

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der in der gegenständlichen Anfrage erwähnte Artikel eine Reihe von Missverständnissen zu Zweck und Funktionsweise des TARGET2-Zahlungsverkehrssystems enthält. Wie bereits in mehreren parlamentarischen Anfragen dargelegt, stellt TARGET2 einen integralen Bestandteil des Zusammenwirkens der Zentralbanken des Eurosystems dar, insbesondere für die dezentrale Umsetzung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) in der europäischen Währungsunion. So sind die darin enthaltenen unbaren Großbetragszahlungsströme im Kontext der Bargeldzahlungsströme zwischen den einzelnen Ländern innerhalb der Eurozone zu sehen. Die Höhe der im Umlauf befindlichen baren und unbaren Euro-Liquidität wird über die gemeinsame Geldpolitik des Eurosystems im EZB-Rat festgelegt. Durch TARGET2 wird keine Liquidität geschaffen oder Kredite vergeben. Die aus der gemeinsamen Geldpolitik resultierenden jährlichen Einkünfte fließen den einzelnen nationalen Zentralbanken (bzw. deren Eigentümern) zu. Ebenso werden die aus der Geldpolitik resultierenden Risiken – auf Basis des unionsrechtlich festgelegten ESZB/EZB-Statuts – gemeinschaftlich getragen. Ausführlichere Darstellungen dazu und zu Zweck und Funktionsweise von TARGET2 finden sich unter anderem in Veröffentlichungen der EZB, der Deutschen Bundesbank und der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB).

 

Zu 1.:

Im Jahresabschluss der OeNB ist der TARGET2-Saldo als Verbindlichkeit im Bilanzposten Passiva 10.4 Sonstige Intra-Eurosystem-Verbindlichkeiten (netto) zum 31.12.2011 mit 34,6 Mrd. Euro enthalten. Die Zusammensetzung des enthaltenen Saldos hinsichtlich Forderungen und Verbindlichkeiten ist bilanziell irrelevant, da es sich bei den TARGET2-Tagesendsalden, die die nationalen Zentralbanken des Eurosystems in ihren Bilanzen ausweisen, jeweils um eine Forderung oder Verbindlichkeit gegenüber der EZB handelt. Da sich die Salden in Summe auf null addieren, sind die Einzelsalden im konsolidierten Wochenausweis des Eurosystems nicht ausgewiesen.

 

Zu 2.:

Wie bereits in der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 9004/J vom 7. Juli 2011 ausgeführt, werden unterjährig keine TARGET2-Salden offen gelegt.

 

Zu 3. bis 5.:

Zur Beseitigung der angesprochenen Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen einzelner Staaten der EU gibt es bereits ein entsprechendes Instrumentarium. In dem 2012 erstmals angewandten Verfahren zur Identifikation makroökonomischer Ungleichgewichte untersucht die Europäische Kommission jährlich anhand verschiedenster Indikatoren mögliche Fehlentwicklungen in den Mitgliedsstaaten. Im Zuge dieser Untersuchung werden auch übermäßige Leistungsbilanzdefizite und -überschüsse als potentiell problematisch angesehen. Sollte ein Land die entsprechenden Schwellenwerte überschreiten, führt die Europäische Kommission eine genauere Analyse durch. In weiterer Folge kann es dann zu reinen Empfehlungen, bei übermäßigen Ungleichgewichten aber auch zu einem konkreten Verfahren mit möglichen finanziellen Sanktionen kommen.

 

Zudem wird darauf hingewiesen, dass TARGET2 ein Zahlungsverkehrssystem und kein Finanzierungssystem darstellt. Die in diesem Zahlungsverkehrssystem entstehenden Nettoforderungen und -verbindlichkeiten zwischen den nationalen Zentralbanken und der EZB können aus vielfältigen Ursachen entstehen und müssen nicht notwendigerweise durch außenwirtschaftliche Ungleichgewichte hervorgerufen werden.


Zu 6. bis 8.:

Nein, es sollte keine Pflicht zum umgehenden Ausgleich von TARGET2-Salden geben. TARGET2-Salden stellen bloß die unbaren Zahlungsströme der im Wege der gemeinsamen Geldpolitik geschaffenen Euroliquidität des Eurosystems dar. TARGET2-Salden sind ein notwendiger Bestandteil der dezentralen Umsetzung der Geldpolitik im Eurosystem. Beträchtliche Forderungen und Verbindlichkeiten können aus unterschiedlichen Gründen entstehen, von denen viele mit dem normalen Funktionieren der Währungsunion verbunden sind und keine wirtschaftspolitische Reaktion erfordern.

 

Zu 9. bis 11.:

Durch TARGET2 wird keine zusätzliche Liquidität geschaffen oder Kredite vergeben. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen in der Einleitung sowie zu den Fragen 6. bis 8. verwiesen.

 

Zu 12.:

In der Schweiz gibt es nur eine Zentralbank. Daher können auch keine mit TARGET2-Salden vergleichbaren Positionen entstehen. Im Unterschied dazu gibt es im Euroraum das Eurosystem mit 17 nationalen Zentralbanken und der EZB. Vergleiche mit Währungsräumen mit nur einer Zentralbank sind daher grundsätzlich nicht möglich.

 

Zu 13.:

Es handelt sich hier um Zahlungsverkehrssysteme und nicht um Finanzierung.

 

Zu 14. bis 16.:

Auf die Ausführungen zu Frage 12. wird verwiesen. Es gibt auch im Euroraum neben TARGET2 weitere Systeme wie EURO I, CLS, euroSIC oder Euro CHATS, die ebenfalls Großbetragszahlungen in Euro abwickeln.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Dr. Maria Fekter eh.