14153/AB XXIV. GP

Eingelangt am 17.06.2013
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

Wien, am        Juni 2013

GZ.
BMF-310205/0138-I/4/2013

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 14423/J vom 17. April 2013 der Abgeordneten Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

 

Zu 1.:

Die Grundlage für gegenseitigen Beistand für Mitgliedstaaten, die hinsichtlich ihrer Zahlungsbilanz von Schwierigkeiten betroffen sind, ist primärrechtlich in Art. 143 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gegeben. Fast wortgleich findet sich dieser Artikel aber bereits im 1957 abgeschlossenen Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Art. 108). Inhaltlich besteht der Unterschied darin, dass der Anwendungsbereich seit 1.1.1999 auf jene Mitgliedstaaten beschränkt ist, „für die eine Ausnahmeregelung gilt“, d.h. für Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro ist.

 

Sekundärrechtlich wurde der gegenseitige Beistand erstmals 1971 in Form eines Systems des mittelfristigen finanziellen Beistands in der Entscheidung 71/143/EWG des Rates verankert. Die ursprünglich ab 1. Jänner 1972 auf vier Jahre befristete Fazilität wurde im Kontext der Ölkrise mehrmals verlängert. In der Entschließung des Europäischen Rates vom 5. Dezember 1978 über die Errichtung eines Europäischen Währungssystems und damit zusammenhängenden Fragen wurde die Notwendigkeit eines Gemeinschaftssystems zum mittelfristigen finanziellen Zahlungsbilanzbeistand bestätigt. Mit der Verordnung (EWG) Nr. 1969/88 des Rates vom 24. Juni 1988 zur Einführung eines einheitlichen Systems des mittelfristigen finanziellen Beistands zur Stützung der Zahlungsbilanzen der Mitgliedstaaten wurde das bereits seit 1975 im Zusammenhang mit der Erdölverteuerung verwendete System der „Gemeinschaftsanleihen“ als Hauptform des gegenseitigen Beistands anerkannt. Nach diesem System nimmt die Gemeinschaft (bzw. Union) entsprechend dem Bedarf und bis zu einem bestimmten Plafond für den ausstehenden Kapitalbetrag Mittel auf, um sie an einen oder mehrere Mitgliedstaaten, die Zahlungsbilanzschwierigkeiten haben, weiterzuverleihen.

 

Die in der Verordnung (EG) Nr. 332/2002 geregelte Fazilität des finanziellen Beistands der Union, mit der die Verordnung (EWG) Nr. 1969/88 aufgehoben wurde, kann daher kaum als neues Instrument betrachtet werden.

 

Der in der Verordnung (EG) Nr. 332/2002 im Jahre 2002 festgelegte Plafond des ausstehenden Kapitalbetrags der Darlehen, die den Mitgliedstaaten im Rahmen dieser Fazilität gewährt werden können, wurde im Vergleich zur Vorgängerverordnung von 16 Mrd. EUR auf 12 Mrd. EUR reduziert, da sich mit Einführung der gemeinsamen Währung die Zahl der anspruchsberechtigten Mitgliedstaaten verringert hatte.

 

Angesichts der wirtschaftlichen Entwicklungen und der sich verstärkenden Intensität der internationalen Finanzkrise wurde der Plafond 2008 und 2009 in zwei Schritten zunächst auf 25 Mrd. EUR (Verordnung (EG) Nr. 1360/2008 des Rates vom 2. Dezember 2008), dann auf 50 Mrd. EUR (Verordnung (EG) Nr. 431/2009 des Rates vom 18. Mai 2009) angehoben, um dem erwarteten höheren Bedarf Rechnung zu tragen.

 

Diese Erhöhungen wurden im Hinblick auf die enge wirtschaftliche Verflechtung Österreichs mit den Mitgliedstaaten in Mittel- und Osteuropa von Österreich aktiv unterstützt.

Die Veröffentlichung der Verordnungen erfolgte im Amtsblatt der Europäischen Union bzw. der Europäischen Gemeinschaften wie folgt:

 

ABl. L 53 vom 23.2.2002, S.1 (Verordnung (EG) Nr. 332/2002)

ABG. L 352 vom 31.12.2008, S.11 (Verordnung (EG) Nr. 1360/2008)

ABl. L 128 vom 27.5.2009, S.1 (Verordnung (EG) Nr. 431/2009)


Zu 2:

Seit 2002 haben Ungarn (November 2008), Lettland (Dezember 2008) und Rumänien
(Mai 2009 und März 2011) die Fazilität in Anspruch genommen. Die Programme wurden jeweils in Kooperation mit dem Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und anderen Co-Financiers abgewickelt. Die folgende Tabelle gibt Aufschluss über die Zusagen, Auszahlungen und ausstehenden Beträge (in Mrd. EUR):

 

 

Verwendung der Fazilität

Mitgliedstaat

Rumänien

Ungarn

Lettland

Gesamt

Zusagen

6,4

6,5

3,1

16,0

Auszahlungen

5,0

5,5

2,9

13,4

Ausstehende Beträge

5,0

3,5

2,9

11,4

 

Dem Zahlengerüst ist zu entnehmen, dass im Falle Ungarns und Lettlands die Zusagen nicht zur Gänze ausgeschöpft wurden. Auch im Falle Rumäniens sind keine weiteren Auszahlungen mehr möglich, da die Bereitstellungsperiode für die im März 2011 getroffene Zusage in Höhe von 1,4 Mrd. EUR mit 31. März 2013 abgelaufen ist. Alle drei betroffenen Mitgliedstaaten befinden sich bereits in der Rückzahlungsphase.

 

Weiterführende Informationen zu den einzelnen Programmen sind in englischer Sprache unter http://ec.europa.eu/economy_finance/eu_borrower/balance_of_payments/index_en.htm

abrufbar.

 

Zu 3. bis 5:

Die Europäische Kommission schlägt vor, die Verordnung (EG) Nr. 332/2002 durch eine „Verordnung des Rates zur Schaffung einer Fazilität des finanziellen Beistands für Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro ist“ zu ersetzen (COM(2012) 336 final).

 

Das Verfahren stützt sich auf Art. 352 AEUV: Der Rat erlässt die geeigneten Vorschriften gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments.

 

Gemäß Art. 352 Abs. 2 AEUV macht die Kommission die nationalen Parlamente im Rahmen des Verfahrens zur Kontrolle der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips nach Art. 5 Abs.  3 des Vertrags über die Europäische Union auf die Vorschläge aufmerksam, die sich auf diesen Artikel stützen.

 

Der Vorschlag wurde von der Europäischen Kommission am 22. Juni 2012 angenommen und noch am selben Tag den nationalen Parlamenten übermittelt (österreichischer Nationalrat: 086101/EU XXIV. GP, eingelangt am 22.06.2012).

 

Die Überlegungen der Europäischen Kommission sind der Begründung und den Erwägungsgründen des dem Nationalrat vorliegenden Vorschlags zu entnehmen. Der Hintergrund wird wie folgt beschrieben: „Im Kontext der Wirtschafts- und Finanzkrise wurden mit der Einrichtung der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), des Europäischen Finanzstabilitätsmechanismus (EFSM) und […] des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) neue Unterstützungsinstrumente geschaffen. Die geltende Verordnung hat mit diesen Entwicklungen aber nicht Schritt gehalten. Insbesondere wurden mit diesen Finanzstabilitätsmechanismen neue vorsorgliche Instrumente zur finanziellen Unterstützung der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets geschaffen. Im Zuge der Überarbeitung der bestehenden Verordnung sollen nun auch Mitgliedstaaten, die nicht dem Euro-Währungsgebiet angehören, vergleichbare Finanzinstrumente zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus bietet diese Überarbeitung die Möglichkeit, die Verordnung zu aktualisieren, dabei der jüngsten Stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung und der wirtschafts- und haushaltspolitischen Koordinierung Rechnung zu tragen und damit für mehr Wettbewerbsgleichheit zwischen dem Euroraum angehörenden und nicht dem Euroraum angehörenden Mitgliedstaaten zu sorgen. Zu guter Letzt dürfte die Verordnung auch zu einer effizienteren Beschlussfassung beitragen, indem das Verfahren zur Inkraftsetzung der Verordnung vereinfacht wird und statt zwei Verfahrensschritten nur noch einer vorgesehen ist.“

 

Eine Änderung des Plafonds ist nicht vorgesehen.

 

Wie den Ausführungen zu entnehmen ist sollen als weitere Instrumente zwei unterschiedliche Ausprägungsformen vorsorglicher Instrumente (Kreditlinien) explizit aufgenommen werden. Allerdings wäre es grundlegend falsch zu behaupten, dass damit ein Umbau nach „Muster des ESM“ erfolgt, da dieser über eine breitere Instrumentenpalette verfügt (Primärmarkt- und Sekundärmarktinterventionen) und zudem als Internationale Finanzinstitution mit der entsprechenden Kapitalstruktur ausgestattet wurde. Beides ist im Vorschlag der Europäischen Kommission nicht vorgesehen.


Zu 6.und 7.:

Gemäß dem oben beschriebenen Gesetzgebungsverfahren wäre die Verordnung nach Zustimmung des Europäischen Parlaments vom Rat zu erlassen. Die jeweiligen Mitgliedstaaten sind gemäß den einschlägigen Bestimmungen des Vertrags über die Europäische Union im Rat vertreten. Der Rat hat die Beratungen zum Vorschlag der Europäischen Kommission  bis zum Einlangen der gegenständlichen schriftlichen parlamentarischen Anfrage noch nicht aufgenommen. Diese sollten noch unter der laufenden irischen Ratspräsidentschaft aufgenommen werden.

 

Die Mitwirkung nationaler Parlamente ergibt sich einerseits aus den europäischen Verträgen, andererseits aus der nationalen Rechtslage. Zu den vielfältigen Mitwirkungsmöglichkeiten des österreichischen Parlaments darf auf die Ausführungen unter http://www.parlament.gv.at/PERK/PE/ verwiesen werden.

 

Zu 8. und 9.:

Die Finanzierung des finanziellen Beistands erfolgt über Anleihe- und Darlehenstransaktionen der Europäischen Kommission im Namen der Europäischen Union. Als letzte Sicherheit für die ausstehenden Finanzierungen fungiert daher – wie bei anderen Anleihen der Europäischen Union – der Haushalt der Union. Der österreichische Anteil am EU-Haushalt beträgt 2,39%.

 

Diese Konstruktion unterscheidet sich somit von jener der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (anteilige Haftungen des Bundes für EFSF-Finanzierungen gemäß § 2a Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz – ZaBiStaG) oder des Europäischen Stabilitätsmechanismus (Stammkapital und abrufbares Kapital).

 

Zu 10.:

Der Vorschlag der Europäischen Kommission sieht vor, zum bereits bestehenden Instrument des Darlehens auch die Möglichkeit vorsorglicher Instrumente explizit aufzunehmen. Ein Instrument, das auf die Rekapitalisierung der Banken ausgerichtet ist, wird nicht vorgeschlagen.

 

Eine Haftung Österreichs für rumänische, bulgarische oder kroatische Banken ist daher ausgeschlossen. Kreditnehmer der „Fazilität des finanziellen Beistands für Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro ist“ ist jedenfalls der betroffene Mitgliedstaat, der für die Rückzahlung gegenüber der Europäischen Union haftet.


Zu 11.:

Der Vorschlag der Kommission ist seit 22. Juni 2012 öffentlich verfügbar:

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2012:0336:FIN:EN:PDF

 

 

Österreichisches Parlament

http://www.parlament.gv.at/PAKT/EU/XXIV/EU/08/61/EU_86101/index.shtml

 

Zu 12.:

Richtig ist, dass die deutsche Sprachfassung fälschlicherweise in Art. 2 Abs. 3 des Vorschlags festlegte, dass „die Darlehen oder Kreditlinien, die einem Mitgliedstaat aufgrund dieser Verordnung gewährt werden können“, auf 50 Mrd. EUR begrenzt seien.

 

Dabei handelt es sich offensichtlich, wie in der Anfrage angesichts des Vergleichs mit der englischen und französischen Sprachfassung richtig angenommen wird, um einen Übersetzungsfehler.

 

Die Kommission hat am 19. März 2013 ein Corrigendum angenommen (COM(2012) 336 final 2), das unter der Zahl 109361/EU XXIV. GP noch am selben Tag im österreichischen Parlament eingelangt ist.

 

Der neue Wortlaut der deutschen Sprachfassung entspricht nun der englischen und französischen Sprachfassung und stellt klar, dass es sich um eine Gesamtobergrenze handelt.

 

Das Corrigendum ist ebenfalls öffentlich verfügbar:

 

EUR-Lex

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2012:0336:REV1:DE:HTML

 

Österreichisches Parlament

http://www.parlament.gv.at/PAKT/EU/XXIV/EU/10/93/EU_109361/imfname_10396845.pdf

 

 

Mit freundlichen Grüßen