70/BI XXIV. GP

Eingebracht am 05.09.2013
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bürgerinitiative

Parlamentarische Bürgerinitiative betreffend

Volksgruppenschutz

 

Seitens der Einbringerlnnen wird das Vorliegen einer Bundeskompetenz in folgender                           Hinsicht angenommen:

Volksgruppenangelegenheiten fallen unter den Kompetenztatbestand „Bundesverfassung“ des                   Art. 10 Abs. 1 Z 1 B-VG und sind in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache (vgl. VfSIg.        3314/1958)

 

Dieses Anliegen wurde bis zur Einbringung im Nationalrat von 544 BürgerInnen                                                 mit ihrer Unterschrift unterstützt. (Anm.: zumindest 500 rechtsgültige Unterschriften                             müssen für die Einbringung im Nationalrat vorliegen.)

 

ANLIEGEN:

Die autochthonen, nationalen Minderheiten / Volksgruppen Europas sind ein bedeutender                   politischer, kultureller, sprachlicher, wirtschaftlicher, regionaler und intellektueller Faktor in                 Europa. Die Bewahrung der Minderheitensprachen und der natürlichen Zwei- und                Mehrsprachigkeit als natürlichen Reichtum Europas erfordern einen umfassenden                    Minderheitenschutz und eine aktive Minderheitenförderung.

Das österreichische Volksgruppenrecht hat einen starken Anpassungsbedarf an internationale       Standards. Dies wurde zum einen in der Arbeit des Österreich-Konvents deutlich, zum anderen                 in den Aufforderungen des Ministerkomitees des Europarates an Österreich, „einen                   einheitlichen und umfassenden Ansatz zum Schutz der Rechte der Volksgruppen zu               gewährleisten“. In Österreich stehen grundsätzliche Menschenrechtsfragen der Volksgruppen                    an, welche in den letzten Jahrzehnten virulent geworden sind und dringend einer                       rechtsstaatlichen Lösung bedürfen.

Insbesondere geht es um die Rechtsstellung der Volksgruppen als solcher, als sprachlich-                      kultureller Gemeinschaften, deren rechtliche Stellung im Staat bzw. deren Vertretung                   gegenüber dem Staat, die Kodifizierung durchsetzbarer (nicht nur individueller                          Rechtsansprüche von Volksgruppenangehörigen) auch korporativer Rechte der Volksgruppen                  und die kontinuierliche finanzielle Unterstützung.

Ohne die rechtsstaatliche Lösung dieser Grundsätze, die ansonsten vor internationalen                 Instanzen erkämpft werden müssen, fehlt Novellenentwürfen wie dem vom Bundeskanzleramt              unter GZ BKA-600.308/0002-V/1/2012 in Begutachtung gegebenen Entwurf für die Änderung                  des Volksgruppengesetzes das Fundament. Es ist ein berechtigtes Anliegen der autochthonen Volksgruppen, in Österreich einen für alle Volksgruppen einheitlichen Grundrechteschutz, die          kulturelle Autonomie sowie angemessene Formen der Selbstverwaltung zu schaffen.

 

Der Nationalrat wird ersucht:

I.) Im Bundes-Verfassungsgesetz an systematisch passender Stelle gleiche Grundrechte                          für alle autochthonen Volksgruppen unter Beachtung völkerrechtlicher                              Verpflichtungen und europäischer Standards und Anforderungen neu zu kodifizieren:

Artikel .... (1) Die Volksgruppen in Österreich und ihre Angehörigen haben Anspruch                       darauf, dass ihre Sprache und Kultur sowie ihre Identität und ihr Bestand und                               Entwicklung als Gruppe geachtet und gefördert werden.

(2) Volksgruppen sind die in Teilen des Bundesgebietes wohnhaften und über mehrere       Generationen ansässigen Gruppen österreichischer Staatsbürger mit nichtdeutscher             Muttersprache und eigener Kultur. Als Volksgruppen gelten jedenfalls die kroatische, die            slowenische, die ungarische, die tschechische, die slowakische Volksgruppe und die                Volksgruppe der Roma.

(3) Das Bekenntnis zu einer Volksgruppe ist frei. Keinem Volksgruppenangehörigen darf durch die Ausübung oder Nichtausübung der ihm als solchem zustehenden Rechte ein Nachteil erwachsen. Keine Person ist verpflichtet, ihre Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe nachzuweisen.

(4) Die Volksgruppen und ihre Angehörigen haben Anspruch auf Kindergartenerziehung                  und Schulunterricht in öffentlichen Pflichtschulen und öffentlichen höheren Schulen in                       der jeweiligen Volksgruppensprache in ihrem Siedlungsgebiet, außerhalb dessen bei        nachhaltigem Bedarf. Sie haben Anspruch auf eine verhältnismäßige Anzahl von                  öffentlichen höheren Schulen und auf Einrichtung einer eigenen Schulaufsicht. Sie                        haben Anspruch auf angemessene Förderung von privaten Kindergärten                                           und Privatschulen, die der Pflege ihrer Sprache und Kultur dienen.

(5) Die Volksgruppen und ihre Angehörigen haben im gemischtsprachigen Gebiet unter             gleichen Bedingungen Anspruch auf Gebrauch der jeweiligen Volksgruppensprache als        zusätzliche Amtssprache im Verkehr mit Verwaltungsbehörden und Gerichten sowie im        öffentlichen Leben. Außerhalb dieses Gebietes haben sie Anspruch auf angemessene     Erleichterungen zum Gebrauch der jeweiligen Volksgruppensprache. Im                  gemischtsprachigen Gebiet kann die Volksgruppensprache als zusätzliche Amtssprache                  von jeder Person gebraucht werden.

(6) Die Volksgruppen haben im gemischtsprachigen Gebiet Anspruch auf zweisprachige    topografische Bezeichnungen und Aufschriften.

(7) Die Volksgruppen haben Anspruch auf finanzielle Volksgruppenförderung aus             Bundesmitteln und aus Budgets der Länder und Gemeinden, in denen sich                gemischtsprachige Gebiete befinden. Darüber hinaus haben sie Anspruch auf                        besondere Förderung volksgruppensprachlicher Medien und eine angemessene                        Versorgung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

(8) Repräsentative Vereinigungen oder Selbstverwaltungskörper (Art 120a B-VG), die                   ihrem rechtlichen Zweck nach Volksgruppeninteressen vertreten, haben das Recht, die                     auf diesen Artikel gegründeten Rechte der betreffenden Volksgruppe vor Gerichten, Verwaltungsbehörden und internationalen Instanzen geltend zu machen. Die Rechte der       Angehörigen der Volksgruppe bleiben davon unberührt.

 

 

II.)  Die autochthonen Volksgruppen auf deren Verlangen im Sinne der Artikel 120a bis             120c B-VG als Körperschaften öffentlichen Rechts zu organisieren. Diesen          Körperschaften sollten die Vertretung der Volksgruppen obliegen und ihnen öffentliche       Aufgaben zur Erhaltung und Förderung der Identität, insbesondere der Sprache und                  Kultur der Volksgruppen übertragen werden bei einem gesetzlichen und wertgesicherten   Ansprüche auf eine finanzielle Leistung des Bundes zur Erfüllung dieser Aufgaben.

 

III.)  Ein neues Volksgruppengesetz an den unter Pkt. I.) formulierten Grundrechten der Volksgruppen und ihrer Organisation als Körperschaften öffentlichen Rechts auszurichten.

(Falls der Vordruck nicht ausreicht, bitte auf Beiblatt fortsetzen)