Vorblatt

1. Problem:

Die Vielfalt an kulturellen Ausdrucksformen unterliegt in zunehmendem Maße dem Druck der Globalisierungsentwicklung. Der Schutz und die Erhaltung immaterieller kultureller Ausdrucksformen konnten bislang nicht mit Hilfe eines internationalen Rechtsdokumentes im erforderlichen Ausmaß gewährleistet werden. Immaterielles Kulturerbe, zu verstehen als gelebte Kultur, ist dadurch einem differenzierteren Gefährdungspotenzial ausgesetzt als materielle Kulturgüter.

2. Ziel:

Das Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes hebt die Bedeutung immaterieller, lebendiger Kultur für den nachhaltigen Schutz globaler kultureller Vielfalt in den Vordergrund des gesellschaftlichen und kulturpolitischen Bewusstseins. Es legt Augenmerk auf die Beteiligung der Zivilgesellschaft und die Mitsprache der praktizierenden Gruppen bei der Erstellung von Verzeichnissen, die lebendiges Kulturerbe nicht nur dokumentieren, sondern vor allem sichtbar machen sollen. Immaterielles Kulturerbe soll damit weltweit aufgewertet werden, um sowohl den gesellschaftlichen Zusammenhalt als auch den interkulturellen Dialog zu fördern und um global zur nachhaltigen sozioökonomischen Entwicklung beizutragen.

3. Inhalt:

Das Übereinkommen sieht bereichsübergreifend sowohl national wie auch international zu ergreifende Maßnahmen (Anerkennung, Aufwertung, Förderung) zur Sicherstellung der kulturpolitischen Rahmenbedingungen für die Weitergabe gelebter kultureller Ausdrucksformen auf Basis eines völkerrechtlichen Vertrages vor.

Immaterielles Kulturerbe erschließt sich aus den Bereichen mündlicher Traditionen (einschließlich der Sprache), darstellender Künste, sozialer Praktiken, Rituale und Feste, traditioneller Handwerkstechniken sowie Wissen und Praktiken rund um den Umgang mit Natur und Universum.

Immaterielles Kulturerbe bezieht sich somit auf Praktiken, Repräsentationen, Ausdruckformen, Wissen und Kompetenzen, sowie die dazu gehörigen Objekte und kulturellen Räume, die im Selbstverständnis ihrer Schöpfer und Nutzer (Gemeinschaften, Gruppen, Individuen) als Bestandteil ihres Kulturerbes gelten und in der steten Auseinandersetzung mit der eigenen Umwelt und Geschichte fortwährend neu gestaltet werden, die von Generation zu Generation weitergegeben werden und den Menschen ein Gefühl von Identität und Kontinuität vermitteln, die zur Förderung des Respekts vor der kulturellen Vielfalt und der menschlichen Kreativität beitragen und mit bestehenden internationalen Rechtsinstrumenten sowie mit dem Anspruch gegenseitiger Achtung von Gemeinschaften, Gruppen und Individuen in Einklang stehen.

4. Alternativen:  

Keine.

5. Auswirkungen des Regelvorhabens:

                5.1 Finanzielle Auswirkungen:

Art. 25 des Übereinkommens legt die Einrichtung eines „Fonds für die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes“ fest. Der Beitrag dazu wird nach einem für alle Staaten geltenden Schlüssel errechnet. Er beträgt max. 1% des Beitrags des Vertragsstaates zum ordentlichen Haushalt der UNESCO. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, diesen Betrag (im Falle Österreichs derzeit ca. € 20.000,-) mindestens alle 2 Jahre zu entrichten (Art. 26 Abs. 1). Die Bedeckung für den österreichischen Beitrag zum Fonds ist im BMUKK gegeben.

                5.2 Wirtschaftspolitische Auswirkungen:

Keine.

                               5.2.1 Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine.

                               5.2.2 Auswirkungen auf die Verwaltungslasten für Unternehmen:

Es sind keine Informationsverpflichtungen für Unternehmen vorgesehen.

                5.3. Auswirkungen in umweltpolitischer, konsumentenschutzpolitischer sowie sozialer Hinsicht:

Keine.

                5.4 Geschlechtspolitische Auswirkungen:

Keine.

6. Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Unter dem Begriff des gemeinsamen kulturellen Erbes in Art. 151 Abs. 1 EG-V sind kulturell bleibende Errungenschaften Europas in all ihren Erscheinungsformen (materieller und immaterieller Art) zu verstehen. Die im Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das Programm „Kultur“ (2007-2013) enthaltenen Aktionsbereiche sowie andere Gemeinschaftsrechtsakte stehen nicht im Gegensatz zum vorliegenden Übereinkommen. Das Übereinkommen steht daher in keinem Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht.

7. Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 1 B-VG

Erfüllungsvorbehalt gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG

Sonderkundmachung gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG

Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Das Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Es hat nicht politischen Charakter. Das Übereinkommen ist hinsichtlich des nichtgemeinschaftsrechtlichen Teiles der unmittelbaren Anwendbarkeit im innerstaatlichen Rechtsbereich nicht zugänglich, sodass diesbezüglich die Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG erforderlich ist. Da durch das Übereinkommen Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es überdies der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 1B-VG.

Bedeutung und Ziele des Übereinkommens auf internationaler bzw. globaler Ebene:

Durch dieses Übereinkommen finden Begriff und Gegenstand des immateriellen Kulturerbes Eingang ins Völkerrecht. Das Übereinkommen stützt sich auf den erweiterten, materielle und immaterielle Aspekte einschließenden Kulturbegriff der UNESCO (2. Weltkonferenz über Kulturpolitik, Mexiko 1982)[1] und geht davon aus, dass das immaterielle Kulturerbe für Gesellschaftsgruppen eine identitätsstiftende Funktion erfüllt, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den interkulturellen Dialog fördert und zur nachhaltigen sozio-ökonomischen Entwicklung beiträgt. Besondere Bedeutung kommt den Entwicklungs- und Schwellenländern zu. Auf internationaler Ebene bietet das Übereinkommen die Chance, das immaterielle Kulturerbe weltweit aufzuwerten, dessen Bedeutung ins allgemeine Bewusstsein zu bringen und zur Herausbildung eines kulturellen Fundaments beizutragen, das Solidarität und Toleranz sowie den Respekt für Unterschiede zwischen den Gesellschaften fördert. Zur Umsetzung dieser Ziele etabliert das Übereinkommen eine Generalversammlung der Vertragsstaaten, einen Zwischenstaatlichen Ausschuss, eine „Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit“, eine „Liste des dringend erhaltungsbedürftigen immateriellen Kulturerbes“ und einen „Fonds für die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes“.

Die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes im Sinne des Übereinkommens reicht weit über die allgemein bekannten Bereiche der Volkskultur und Folklore hinaus. Das Übereinkommen enthält wenige direkte Verpflichtungen für die Vertragsstaaten, hat aber kulturpolitisch wegweisenden Charakter. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, zusammen mit den TrägerInnen des immateriellen Kulturerbes in einen fortwährenden lokalen, nationalen und internationalen Dialog zu treten und periodisch - zur Überprüfung ihrer Kulturerbe-Konzepte und der gesetzten Maßnahmen - zu berichten. Bestandsaufnahmen von Formen oder Elementen immateriellen Kulturerbes sollen dabei Transparenz herstellen und eine fachliche Basis schaffen.

Verhältnis zu internationalen Abkommen im Bereich des Kulturgüterschutzes:

Das Übereinkommen wird als notwendige Ergänzung der internationalen Rechtsinstrumente im Kulturbereich erachtet, da es die Schutzmaßnahmen des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, BGBl. Nr. 60/1993 (Welterbeübereinkommen von 1972) deutlich ausweitet und dem Übereinkommen zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, BGBl. Nr. 34/2007, eine nachhaltige Unterstützung bietet.

Nachstehende Artikel sind für Österreich von besonderer Wichtigkeit:

Allgemeine Verpflichtungen:

In Art. 2 wird der Anwendungsbereich des Übereinkommens mittels eines zweiteiligen Konzeptes (Themenbereiche und Kriterien) zur Definition immateriellen Kulturerbes dargestellt sowie der Begriff der Erhaltung erläutert.

Es wird zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im Sinne des Übereinkommens nur dasjenige immaterielle Kulturerbe Berücksichtigung findet, das mit den bestehenden internationalen Rechtsinstrumenten im Bereich der Menschenrechte sowie mit dem Anspruch gegenseitiger Achtung von Gemeinschaften, Gruppen und Individuen und nachhaltiger Entwicklung in Einklang steht.

In Art. 3 wird die Beziehung zu bestehenden Völkerrechtsverträgen bekräftigt.

Spezifische Verpflichtungen:

Mit den Art. 11 und 12 verpflichten sich die Vertragsstaaten zur Sicherstellung der Identifikation im Hinblick auf die Erhaltung ein oder mehrere Verzeichnisse des in ihrem Hoheitsgebiet befindlichen immateriellen Kulturerbes zu erstellen und diese in regelmäßigen Abständen zu aktualisieren. Diese Verzeichnisse sind rein deklaratorischer Natur. Der Eintrag eines Elementes immateriellen Kulturerbes in ein nationales Verzeichnis gilt allerdings als Voraussetzung für eine Nominierung und Aufnahme in die internationale „Repräsentative Liste“.

Art. 25 des Übereinkommens legt die Einrichtung eines „Fonds für die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes“ fest. Der Beitrag dazu wird nach einem für alle Staaten geltenden Schlüssel errechnet. Er beträgt max. 1% des Beitrags des Vertragsstaates zum ordentlichen Haushalt der UNESCO. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, diesen Betrag (im Falle Österreichs derzeit ca. € 20.000,-) mindestens alle 2 Jahre zu entrichten (Art. 26 Abs. 1). Die Bedeckung für den österreichischen Beitrag zum Fonds ist im BMUKK gegeben. Es bleibt den Vertragsstaaten überlassen, mehr oder öfter etwas beizutragen.

Entsprechend Art. 29 berichten die Vertragsstaaten dem Zwischenstaatlichen Ausschuss in der von ihm festgelegten Weise und Periodizität über die getroffenen Maßnahmen zur Umsetzung des Übereinkommens und informieren über die Erstellung der Inventare des immateriellen Kulturerbes auf ihrem Territorium.

Das Übereinkommen wurde am 17. Oktober 2003 bei der 32. Generalversammlung der UNESCO in Paris verabschiedet. Es trat gemäß seinem Art. 34 drei Monate nach Hinterlegung der dreißigsten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde am 20. April 2006 in Kraft. Bis jetzt (Stand: 17. Oktober 2008) hat das Übereinkommen 104 Vertragsstaaten.

Besonderer Teil

Das Übereinkommen besteht aus einer Präambel und vierzig Artikeln, die in neun Abschnitte aufgeteilt sind:

           1) Allgemeine Bestimmungen (Art. 1-3)

           2) Organe des Übereinkommens (Art. 4-10)

           3) Erhaltung des immateriellen Kulturerbes auf nationaler Ebene (Art. 11-15)

           4) Erhaltung des immateriellen Kulturerbes auf internationaler Ebene (Art. 16-18)

           5) Internationale Zusammenarbeit und Unterstützung (Art. 19-24)

           6) Fonds     für das immaterielle Kulturerbe (Art. 25-28)

           7) Berichte (Art. 29-30)

           8) Übergangsbestimmung      (Art. 31)

           9) Schlussbestimmungen (Art. 32-40)

Zum Titel des Abkommens:

Die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen unterliegt in zunehmendem Maße dem Druck der Globalisierungsentwicklung. Der Schutz und die Erhaltung immaterieller kultureller Ausdrucksformen konnten bislang nicht mit Hilfe eines internationalen Rechtsdokumentes im erforderlichen Ausmaß gewährleistet werden. Immaterielles Kulturerbe, zu verstehen als gelebte Kultur, ist dadurch einem differenzierteren Gefährdungspotenzial ausgesetzt als materielle Kulturgüter.

Die erste Übersetzung des Titels „Safeguarding“ mit „Schutz“ hat im deutschsprachigen Raum bereits einen länderübergreifenden Prozess der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Zielen und Inhalten des Abkommens in Gang gesetzt, aus dessen unmittelbarer Konsequenz die Änderung des Titels resultiert. Da „Safeguarding“ unterschiedlichste Maßnahmen umfasst, mit deren Einsatz sowohl die Vitalität von Kultur als auch die Sicherung der Weitergabe immateriellen Kulturerbes gewährleistet werden sollen, kann der vor allem durch den Gedanken des Denkmalschutzes und im Zusammenhang mit dem  (Welterbeübereinkommen von 1972) geprägte Schutz-Begriff dem prozessualen Anliegen des Übereinkommens nicht zur Genüge entsprechen. Aktuelle Positionen in den Kulturwissenschaften verzichten auf die Konzepte von Authentizität und Genealogie, betrachten Kultur als vorläufige und vorübergehende Prozesse, die permanent neu ausgehandelt werden. „Safeguarding“, aus den benannten Gründen übersetzt mit „Erhaltung“, deutet einen graduellen Perspektivenwechsel an, der stärker auf die Dynamik kulturellen Handelns fokussiert.

Anmerkung zum Begriff „Immaterielles Kulturerbe“ als Übersetzung von „intangible cultural heritage“: Es wird festgehalten, dass die deutsche Variante eine semantische Verengung impliziert. Das englische Adjektiv „intangible“ lässt sich mit „nicht greifbar, unbestimmbar, immateriell“ übersetzen. Auch im Französischen existiert der Terminus, allerdings eher in der Bedeutung von „unantastbar, unverletzlich, unverrückbar“. Hierin ist das Unveräußerbare von Kultur enthalten – das, was der Kultur eigen ist, und was ihr nicht genommen werden kann, ohne sie selbst zum Verschwinden zu bringen.

Zur Präambel:

Die Präambel des Übereinkommens informiert im Wesentlichen über die Rahmenbedingungen und die Zielsetzung des Übereinkommens und kann auch als Quelle für die Interpretation des Gesamttextes herangezogen werden. In insgesamt 13 Erwägungsgründen werden die Bedeutung des immateriellen Kulturerbes und die Notwendigkeit seiner Erhaltung unterstrichen sowie das Übereinkommen in seinem juristischen Kontext situiert. Es werden die wesentlichen Beweggründe für die Ausarbeitung des Übereinkommens sowie dessen zentrale Themenbereiche erwähnt und erklärt.

Zu Art. 1:

Art. 1 formuliert in vier Absätzen die Ziele des Übereinkommens. Zum Ziel der Erhaltung des immateriellen Kulturerbes sind als definierte, primäre Ziele die Gewährleistung des Respekts vor dem immateriellen Kulturerbe und die Sensibilisierung für die Bedeutung des immateriellen Kulturerbes sowie die Förderung der internationalen Zusammenarbeit und Unterstützung genannt.

Zu Art. 2:

Art. 2 enthält Begriffsbestimmungen zu zentralen Bestandteilen des Übereinkommens. Art. 2 definiert und benennt Bereiche des immateriellen Kulturerbes. Weiters wird der unter Art. 1 Abs. 1 als Ziel genannte Begriff der „Erhaltung“ präzisiert. Unter Erhaltung werden jene Maßnahmen verstanden, die soziale, äußere oder andere Verhältnisse, die die Weiterführung und Tradierung des immateriellen Kulturerbes garantieren, schützen und fördern. Ferner werden „Vertragsstaaten“ definiert, einschließlich der Anwendung des Übereinkommens auf Hoheitsgebiete.

Zu Art. 3:

Art. 3 sichert den Status anderer internationaler Rechtsinstrumente und Übereinkommen nach In-Kraft-Treten dieses Übereinkommens.

Zu Art. 4:

Nach Art. 4 wird eine Generalversammlung der Vertragsstaaten mit Geschäftsordnung eingerichtet, die alle zwei Jahre zu einer ordentlichen Sitzung zusammentritt. Die Generalversammlung ist das souveräne Organ dieses Übereinkommens. Nach eigenem Beschluss oder Antrag von mindestens einem Drittel der Vertragsstaaten oder des Zwischenstaatlichen Ausschusses (Art. 5) kann sie zu einer außerordentlichen Sitzung zusammentreten (2. Abs.).

Zu Art. 5:

Art. 5 beinhaltet die Einrichtung eines Zwischenstaatlichen Ausschusses aus 18 Vertragsstaaten, die von den Vertragsstaaten in der Generalversammlung gewählt werden. Sobald die Anzahl der Vertragsstaaten 50 erreicht hat,  wird der Zwischenstaatliche  Ausschuss auf 24 Mitglieder aufgestockt.

Zu Art. 6:

Art. 6 regelt in sieben Absätzen die Auswahl sowie die Dauer der Amtszeit der Mitgliedstaaten des Ausschusses und ihre Zusammensetzung. Die Amtszeit beträgt vier Jahre (2. Abs.), wobei alle zwei Jahre die Hälfte der Mitglieder des Ausschusses neu gewählt wird (4. Abs.). Mit Abs. 7 werden die Mitgliedstaaten aufgerufen, als Vertreter im Ausschuss Sachverständige auf verschiedenen Gebieten des immateriellen Kulturerbes zu nominieren.

Zu Art. 7:

Art. 7 benennt die Aufgaben des Ausschusses in sieben Absätzen. Diese umfassen u. a. die Förderung der Ziele des Übereinkommens, die Erarbeitung von Richtlinien und die Beratung im Hinblick auf beispielhafte Projekte. Der Ausschuss unterstützt die Ziele des Übereinkommens mit einem Entwurf für die Verwendung der Mittel des Fonds (lit.  c, siehe Art. 25-27). Der Ausschuss ist für die internationale Implementierung der Inhalte und Ziele des Übereinkommens verantwortlich (lit. e) und entscheidet über die Aufnahme in die Listen (gemäß Art. 16, 17 und 18) und die Gewährung finanzieller Unterstützung von internationaler Seite (lit. g). Die Genehmigung der Kriterien zur Verwendung der Mittel und zur Aufnahme in die Listen erfolgt jedoch durch die Generalversammlung.

Zu Art.  8:

Laut Art. 8 gibt sich der Ausschuss eine Geschäftsordnung und ist gegenüber der Generalversammlung rechenschaftspflichtig. Zur Wahrung seiner Aufgaben kann der Ausschuss ad-hoc-Gremien einberufen und Organisationen oder Personen mit spezifischer Expertise als Berater zu seinen Sitzungen einladen.

Zu Art. 9:

Laut Art. 9 schlägt der Ausschuss der Generalversammlung die Akkreditierung von geeigneten Nichtregierungsorganisationen in beratender Funktion, sowie die Kriterien und Modalitäten für die Auswahl dieser Organisationen vor.

Zu Art. 10:

Art. 10 legt die Unterstützung des Ausschusses durch das Sekretariat der UNESCO fest. Dieses stellt die Umsetzung der Beschlüsse des Ausschusses und der Generalversammlung sicher.

Zu Art. 11:

In Art. 11 wird die Rolle der Vertragsstaaten festgelegt. Jeder Vertragsstaat hat die geeigneten Maßnahmen zur Identifizierung, zur Bestimmung und zur Erhaltung des in seinem Hoheitsgebiet befindlichen immateriellen Kulturerbes unter Beteiligung der betroffenen Gemeinschaften, Gruppen und Nichtregierungsorganisationen zu ergreifen.

Zu Art. 12:

Um die Identifizierung des immateriellen Kulturerbes sicherzustellen, erstellt jeder Vertragsstaat laut Art. 12 ein oder mehrere Verzeichnisse des immateriellen Kulturerbes in seinem Hoheitsgebiet. Diese Verzeichnisse werden regelmäßig aktualisiert und in periodischen Abständen dem Zwischenstaatlichen Ausschuss vorgelegt. Art. 12 sieht gemeinsam mit Art. 11 vor, dass diese Verzeichnisse nur unter Beteilung der Gemeinschaften, Gruppen und Individuen, die das immaterielle Kulturerbe gestalten, pflegen und weitergeben, erstellt werden. Die Verzeichnisse des immateriellen Kulturerbes sind selbst als eine Maßnahme zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes zu verstehen, gleichzeitig bieten sie die Grundlage für weiterführende Maßnahmen.

Zu Art. 13:

Art. 13 enthält weitere Maßnahmen eines Vertragsstaats zur Erhaltung, Entwicklung und Förderung des immateriellen Kulturerbes. Diese umfassen eine allgemeine Politik zur Förderung des immateriellen Kulturerbes, die Einrichtung oder Benennung von Fachstellen sowie die Förderung wissenschaftlicher, technischer und künstlerischer Studien und Forschungsmethodologien zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes. Ebenso sind die Vertragsstaaten zur Ergreifung von geeigneten technischen, administrativen und finanziellen Maßnahmen für die Einrichtung und Förderung dieser Institutionen angehalten.

Zu Art. 14:

Art. 14 ruft die Vertragsstaaten auf, den hohen Stellenwert des immateriellen Kulturerbes durch geeignete Mittel und Maßnahmen in der Öffentlichkeit sicherzustellen. Insbesondere werden hier Maßnahmen zur Bildung und Erziehung sowie zur Sensibilisierung und zum Ausbau professioneller Kapazitäten angeführt.

Zu Art. 15:

Art. 15 weist die Vertragsstaaten an, sich um die möglichst weit reichende Beteiligung von Gemeinschaften, Gruppen oder Individuen, die dieses immaterielle Erbe gestalten, pflegen und weitergeben, zu bemühen und sie in die Verwaltung einzubeziehen. Den praktizierenden Gemeinschaften, Gruppen und Individuen kommt somit eine wesentliche Rolle bei der Umsetzung der Ziele des Übereinkommens zu.

Zu Art. 16:

Art. 16 legt fest, dass der Zwischenstaatliche Ausschuss zur besseren Sichtbarkeit des immateriellen Kulturerbes eine „Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes“ erstellt. Angeregt durch den Erfolg der Liste des Welterbeübereinkommens und durch die Proklamation der „Meisterwerke des mündlich überlieferten und immateriellen Erbes der Menschheit“ soll diese Liste eine bessere Sichtbarkeit des immateriellen Kulturerbes gewährleisten, das Bewusstsein für seine Bedeutung stärken und den Dialog bei gleichzeitiger Achtung der kulturellen Vielfalt fördern. Die Kriterien für die Erstellung, Aktualisierung und Veröffentlichung der Liste werden vom Zwischenstaatlichen Ausschuss vorgeschlagen und von der Generalversammlung genehmigt.

Zu Art. 17:

Der Zwischenstaatliche Ausschuss erstellt nach den von der Generalversammlung genehmigten Kriterien eine Liste des dringend erhaltungsbedürftigen immateriellen Kulturerbes. In Fällen höchster Dringlichkeit kann der Ausschuss nach Konsultation mit dem jeweiligen Vertragsstaat ein dringend erhaltungsbedürftiges Element des immateriellen Kulturerbes in die Liste aufnehmen.

Zu Art. 18:

Art. 18 reguliert die Einreichung, die Auswahl, die Umsetzung und die Überprüfung von Programmen, Projekten und Aktivitäten mit nationalem, subregionalem und regionalem[2] Charakter durch den Zwischenstaatlichen Ausschuss unter Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse der Entwicklungsländer. Beispielhafte Projekte sollen verbreitet werden (Abs. 3).

Zu Art. 19:

Mit Art. 19 anerkennen die Vertragsstaaten (unter Wahrung des innerstaatlichen Rechts, des Gewohnheitsrechts und ihrer herkömmlichen Praktiken), dass die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes im allgemeinen Interesse der Menschheit liegt. Sie verpflichten sich zur Zusammenarbeit, insbesondere zum Austausch von Informationen und Erfahrungen und dem Verfolgen gemeinsamer Initiativen, auf bilateraler, subregionaler, regionaler und internationaler Ebene.

Zu Art. 20:

Laut Art. 20 kann internationale Unterstützung gewährt werden für die Sicherstellung des dringend erhaltungsbedürftigen immateriellen Kulturerbes (vgl. Art. 17), für die Erstellung von Verzeichnissen (vgl. Art. 12), die Unterstützung von Projekten und Aktivitäten auf nationaler, subregionaler und regionaler Ebene, ebenso wie für alle anderen Ziele, die vom Zwischenstaatlichen Ausschuss als notwendig erachtet werden.

Zu Art. 21:

In Art. 21 werden verschiedene Formen der internationalen Unterstützung angeführt wie Studien, die Bereitstellung und Vermittlung von Fachwissen, die Schaffung und der Unterhalt von Infrastruktur sowie sonstige Formen der finanziellen und technischen Unterstützung.

Zu Art. 22:

Art. 22 regelt die Bedingungen der internationalen Unterstützung dahingehend, dass der Zwischenstaatliche Ausschuss sowohl das Prüfungsverfahren für Anträge festlegt als auch die im Antrag vorzulegenden Angaben spezifiziert. Der Ausschuss hat in dringenden Fällen einen Antrag vorrangig zu prüfen.

Zu Art. 23:

Vertragsstaaten können einzeln oder gemeinsam unter Vorlage der erforderlichen Angaben und Unterlagen (vgl. Art. 22) beim Zwischenstaatlichen Ausschuss einen Antrag auf internationale Unterstützung stellen.

Zu Art. 24:

Nach Bewilligung der internationalen Unterstützung treffen Empfängerstaat und Zwischenstaatlicher Ausschuss eine Vereinbarung gemäß den Bestimmungen dieses Übereinkommens (Art. 20-23). Der Empfängerstaat beteiligt sich im Rahmen seiner Möglichkeiten an den Kosten der Maßnahmen zur Erhaltung und legt dem Ausschuss einen Bericht über die Verwendung der gewährten Mittel vor.

Zu Art. 25:

In Art. 25 werden die Art und die Mittel eines „Fonds für die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes“ im Detail erläutert. Über die Verwendung dieses Fonds durch den Zwischenstaatlichen Ausschuss wird auf der Grundlage der Leitlinien der Generalversammlung entschieden. Weiters ist festgelegt, dass die an den Fonds gezahlten Beiträge an keine politischen, wirtschaftlichen oder sonstigen Verbindungen geknüpft sein dürfen, die mit dem durch dieses Übereinkommen verfolgten Ziele unvereinbar sind.

Zu Art. 26:

Art. 26 legt fest, dass die Beiträge der Vertragsstaaten zum Fonds mindestens alle zwei Jahre eingehen. Die Höhe der Beiträge wird nach einem für alle Staaten geltenden Schlüssel errechnet und kann 1 Prozent des Beitrages des Vertragsstaates zum ordentlichen Haushalt der UNESCO nicht überschreiten. In Abs.  2-5 werden die Regelungen für jene Vertragsstaaten festgelegt, die an die Bestimmungen der regelmäßigen Beitrittszahlungen nicht gebunden sein wollen.

Zu Art. 27:

Mit Art. 27 sind die Vertragsstaaten angehalten, den Zwischenstaatliche Ausschuss über zusätzliche freiwillige Beiträge zum Fonds umgehend zu unterrichten, um die effiziente Planung der Tätigkeiten des Ausschusses zu ermöglichen. Diesen freiwilligen Beiträgen wird, ähnlich des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, BGBL. Nr. 60/1993 (Welterbeübereinkommen von 1972), in der Umsetzung des Übereinkommens hohe Bedeutung beigemessen.

Zu Art. 28:

Laut Art. 28 sind die unter der Schirmherrschaft der UNESCO zu Gunsten des Fonds durchgeführten internationalen Kampagnen von den Vertragsstaaten im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu unterstützen.

Zu Art. 29:

Art. 29 regelt die Vorlage von Berichten der Vertragsstaaten über erlassene Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie über sonstige Maßnahmen, die sie zur Umsetzung dieses Übereinkommens getroffen haben. Die Berichtsabstände werden vom Zwischenstaatlichen Ausschuss festgelegt.

Zu Art. 30:

Der Zwischenstaatliche Ausschuss legt bei jeder Sitzung der Generalversammlung auf Grundlage der Berichte der Vertragsstaaten einen Gesamtbericht vor. Dieser Bericht wird der Generalkonferenz der UNESCO übermittelt.

Zu Art. 31:

Art. 31 beauftragt den Zwischenstaatlichen Ausschuss, jene Elemente des immateriellen Kulturerbes, die vor dem Inkrafttreten dieses Übereinkommens zu „Meisterwerken des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit“ erklärt wurden, in die „Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes“ aufzunehmen und die Kriterien zur Übernahme zu definieren. Mit In-Kraft-Treten dieses Übereinkommens ist dieses Programm, welches zur Sensibilisierung für das immaterielle Kulturerbe von großer Bedeutung war, abgeschlossen.

Zu Art. 32:

Das Übereinkommen bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung durch die Mitgliedstaaten der UNESCO. Die jeweiligen Urkunden werden beim Generaldirektor der UNESCO hinterlegt.

Zu Art. 33:

Art. 33 regelt die Beitrittsmodalitäten zu diesem Übereinkommen.

Zu Art. 34:

Art. 34 legt das Inkrafttreten dieses Übereinkommens mit dem Zeitpunkt von drei Monaten nach der Hinterlegung der dreißigsten Ratifikationsurkunde fest. Für jeden weiteren Vertragsstaat erlangt die Ratifikation drei Monate nach Hinterlegung der Urkunde Verbindlichkeit.

Zu Art. 35:

Art. 35 legt die Vertragsbestimmungen für jene Vertragsstaaten fest, die ein bundesstaatliches oder ein nicht einheitsstaatliches Verfassungssystem haben. Grundsätzlich sind die Verpflichtungen der Bundes- oder Zentralregierung dieselben wie für diejenigen Vertragsstaaten, die nicht Bundesstaaten sind. Fallen Bestimmungen dieses Übereinkommens in die Zuständigkeit eines einzelnen Bundesstaates (Landes, Provinz, Kanton), so hat die Bundesregierung die genannten Bestimmungen zur Kenntnis zu bringen und ihre Annahme zu empfehlen.

Zu Art. 36:

Art. 36 regelt das Kündigungsverfahren eines Vertragsstaates. Die Kündigung mit dem Erlöschen aller Rechte und Pflichten eines Vertragsstaates wird 12 Monate nach Eingang der Kündigungsurkunde wirksam. Die Urkunde wird beim Generaldirektor der UNESCO hinterlegt.

Zu Art. 37:

Art. 37 bestimmt den Generaldirektor der UNESCO als Verwahrer dieses Übereinkommens. Er unterrichtet alle Vertragsstaaten, die in Art. 33 bezeichneten Nichtmitgliedstaaten sowie die Organisation der Vereinten Nationen von Beitritten (vgl. Art. 32 und 33) sowie von Kündigungen (vgl. Art. 36).

Zu Art. 38:

Art. 38 räumt den Vertragsstaaten das Recht ein, dem Generaldirektor Änderungen dieses Übereinkommens vorzuschlagen und beinhaltet das Procedere für einen Änderungsvorschlag.

Zu Art. 39:

Art. 39 legt fest, dass dieses Übereinkommen in den sechs offiziellen UNESCO-Sprachen (Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch, Russisch und Spanisch) authentisch und gleichermaßen verbindlich ist.

Zu Art. 40:

Das Übereinkommen wird, in Abweichung vom bundesdeutschen Text, nach Art. 102 der Satzung der Vereinten Nationen beim Sekretariat der Vereinten Nationen registriert, anstelle von Art. 102 der Charta der Vereinten Nationen.


Die Bundesregierung hat beschlossen, dem Nationalrat vorzuschlagen, anlässlich der Genehmigung des Staatsvertrages zu beschließen, dass die arabische, chinesische, französische, russische und spanische Sprachfassung dieses Staatsvertrages gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundzumachen sind, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten aufliegen.

 

Daran anknüpfend wurde mit Rücksicht auf eine sparsame und zweckmäßige Verwaltung gemäß § 23 Abs. 2 GOG-NR von der Vervielfältigung und Verteilung dieser Sprachfassungen Abstand genommen. Die gesamte Regierungsvorlage liegt in der Parlamentsdirektion zur Einsicht auf. Über­dies ist diese Regierungsvorlage mit allen Sprachfassungen auf der Homepage des Parlaments unter http://www.parlament.gv.at abrufbar.



1 "Kultur kann in ihrem weitesten Sinne als die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte angesehen werden, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen. Dies schließt nicht nur Kunst und Literatur ein, sondern auch Lebensformen, die Grundrechte des Menschen, Wertsysteme, Traditionen und Glaubensrichtungen." - formuliert auf der 2. Weltkonferenz über Kulturpolitik, Mexiko 1982: siehe: Mexico City Declaration on Cultural Policies (1982), (http://portal.unesco.org/culture/admin/file_download.php/mexico_en.pdf?URL_ID=12762&filename=11295421661mexico_en.pdf&filetype=application%2Fpdf&filesize=29793&name=mexico_en.pdf&location=user-S/ )

2 Der Begriff "Region" umfasst im Sprachgebrauch der UNESCO eine größere geographische Einheit als im Deutschen. Die Formulierung "national, subregional und regional" meint somit eine geographische Einteilung von der kleinsten zur größten Einheit.