41 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über die Regierungsvorlage (20 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Mediengesetz geändert wird

Die im Mediengesetz vorgesehene Anbietungs- und Ablieferungspflicht für Druckwerke (Bücher, Zeitschriften) an bestimmte Bibliotheken (sog. Pflichtexemplarrecht), etwa die Österreichische Nationalbibliothek, stellt seit jeher eine zentrale Grundlage für die Erfüllung des Sammelauftrages der Bibliotheken dar. Der Gesetzgeber hat auf den zunehmenden Einsatz digitaler Medien bereits im Jahr 2000 durch Schaffung einer Ablieferungspflicht für bestimmte Medienwerke in Form elektronischer Datenträger reagiert (vgl. § 43a Abs. 1 Mediengesetz). In der Zwischenzeit hat sich die Medienlandschaft weiter stark verändert und immer öfter erscheinen Medien nur mehr in unkörperlicher Form, insbesondere als Online-Publikation. Nach der geltenden Rechtslage besteht für derartige Medien, etwa wissenschaftliche Online-Journale, keine Ablieferungspflicht. Dies wird im Laufe der Zeit mit der weiteren Zunahme an Menge und Bedeutung so genannter „born digital“ Medien zu einer empfindlichen Sammellücke bei den Bibliotheken führen, was in Folge negative Auswirkungen etwa auch auf die wissenschaftliche Arbeit haben kann.

Aufgrund dieser Problematik hat auch die Europäische Union das Thema der Bewahrung digitaler Medien als wichtiges Politikfeld erkannt (siehe die Empfehlung der Kommission vom 24. August 2006 zur Digitalisierung und Online-Zugänglichkeit kulturellen Materials und dessen digitaler Bewahrung (2006/585/EG), ABl. L. 236 vom 31.8.2006, 28, insbesondere die Empfehlungen 10 und 11, wonach den Mitgliedstaaten empfohlen wird, „Entwicklungen in anderen Mitgliedstaaten bei der Erarbeitung von Konzepten und Verfahren für die Hinterlegung von ursprünglich in digitaler Form geschaffenem Material [zu berücksichtigen], um große Unterschiede in den Hinterlegungsregelungen zu vermeiden“, sowie „Bestimmungen in ihren Rechtsordnungen [zu verankern], die eine Bewahrung von Webinhalten durch damit beauftragte Einrichtungen unter Einsatz von Erfassungstechniken wie der Web-Lese [Web-Harvesting] erlauben, wobei den gemeinschaftlichen und internationalen Vorschriften zum Schutz des Rechte des geistigen Eigentums vollständig Rechnung zu tragen ist.“ Siehe weiters die Schlussfolgerungen des Rates zur Digitalisierung und Online-Zugänglichkeit kulturellen Materials und dessen digitaler Bewahrung [2006/C 297/01], ABl. C 297 vom 7.12.2006, 1).

Im Mediengesetz soll daher im Anschluss an die bewährten Rechtsinstrumente der Anbietungs- und Ablieferungspflicht für Druckwerke und sonstige Medienwerke eine Ablieferungspflicht für periodische elektronische Medien geschaffen werden. Hierbei gilt es, die zahlreichen technischen Besonderheiten dieser Art von Medien und deren unterschiedliche Strukturierung zu berücksichtigen: Ein körperliches Medienwerk, welches in einer endgültigen Fassung veröffentlicht wird und abgeliefert werden kann und allenfalls periodisch erscheint, existiert nicht mehr. Vielmehr sind die Inhalte elektronischer Medien in vielen Fällen nicht endgültig, sondern werden laufend verändert, auch existiert meist keine Periodizität der Erscheinung solcher Medien im traditionellen Sinn mehr (beispielsweise werden die Webseiten von Tageszeitungen mehrmals täglich, mitunter auch alle wenigen Minuten aktualisiert). Im Ergebnis erfordert daher die Ablieferungspflicht von Online-Medien komplexere gesetzliche Bestimmungen, als dies bei traditionellen Medienwerken der Fall ist.

Der Entwurfstext wurde in einer zweijährigen Diskussion zwischen Vertretern von Bibliotheken (Österreichische Nationalbibliothek, Universitätsbibliotheken, Landesbibliotheken, Parlamentsbibliothek, Administrative Bibliothek des Bundeskanzleramtes), von Interessenvertretungen der Medieninhaber (zB. Verband Österreichischer Zeitungen, Österreichischer Zeitschriften- und Fachmedienverband, Hauptverband des Österreichischen Buchhandels) und Internetdiensteanbietern (ISPA) sowie der beteiligten Bundesministerien erarbeitet (die urheberrechtliche Begleitregelung des § 43c entstand unter Federführung des Bundesministeriums für Justiz).

Um die durch die Ablieferungspflicht entstehenden Belastungen bei den ablieferungspflichtigen Medieninhabern gering zu halten, wird vorrangig vorgesehen, dass die Österreichische Nationalbibliothek die Ablieferung für alle ablieferungsberechtigten Bibliotheken zentral wahrnimmt und dabei im Rahmen der technischen Möglichkeiten von automatisierten Sammelverfahren, etwa durch den Einsatz so genannter Webspider oder Webcrawler (das sind Computerprogramme, welche automatisiert das World Wide Web absuchen und die gefundenen Webseiten abspeichern) sowie einer selektiven Sammlung von periodischen elektronischen Medien Gebrauch machen soll. Nur dann, wenn dies nicht möglich ist – etwa, weil Webseiten von ihrem Betreiber einer Zugangskontrolle bzw. sonstigen Zugangsbeschränkung unterworfen werden (zB durch Passwortschutz) – soll der Medieninhaber eines derartigen Angebots einer Ablieferungspflicht unterliegen.

Die Pflichtablieferung von periodischen elektronischen Medien soll nur solche Medien betreffen, an denen ein bibliothekarisches Bewahrungsinteresse besteht. So genannte „kleine Websites“ (und im Inhalt damit vergleichbare Newsletter) im Sinne des § 25 Abs. 5 Mediengesetz (elektronische Medien, die keinen über die Darstellung des persönlichen Lebensbereichs oder die Präsentation des Medieninhabers hinausgehenden Informationsgehalt aufweisen, der geeignet ist, die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen) und andere Inhalte von Medien, an denen kein derartiges Interesse besteht, sind daher weder von der Sammlung (ausgenommen die maximal viermal jährliche automatisierte Sammlung) noch von der Ablieferungspflicht betroffen.

Die Ablieferung elektronischer Medien erfordert darüber hinaus weitere Sonderregelungen gegenüber dem bisherigen Pflichtexemplarrecht: Anders, als bei körperlichen Medienstücken besteht bei elektronisch abgelieferten Medien die technische Möglichkeit, dass die Bibliotheken diese Medien einer großen Anzahl von Benutzern zur Verfügung stellen und damit die Rechte sowie insbesondere – bei normalerweise entgeltpflichtigen Medienangeboten – die Geschäftsmodelle der Medieninhaber gefährden. Hier ist es erforderlich, eine Balance zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Medieninhaber und den Bedürfnissen der Bibliotheken und ihrer Benutzer zu schaffen. Dies geschieht insbesondere durch Schaffung einer Sperrfrist, vor deren Ablauf Bibliotheksbenutzer die abgelieferten Medien nicht nutzen dürfen. Auch werden – ohne dass damit eine Durchbrechung urheberrechtlicher Vorschriften beabsichtigt wäre – genaue Regelungen über die Benutzung der abgelieferten Medien durch die Bibliotheksbenutzer getroffen.

Ebenfalls einer Sonderregelung bedarf die Kostentragung. Anders als bei Medienwerken entstehen bei der Vervielfältigung eines elektronischen Mediums in der Regel keine Kosten. Demgegenüber können die Kosten des Ablieferungsvorgangs größere Ausmaße annehmen. Hier erscheint eine Kostentragung durch die Medieninhaber über ein gewisses geringes Ausmaß hinaus nicht tragbar. Entsprechende Kostenüberwälzungsregelungen auf die Bibliotheken sind daher erforderlich. Als Sonderregelung ist dabei vorgesehen, dass im Falle rein privater Medien – sofern sie überhaupt von einer Ablieferungspflicht erfasst sind („kleine Websites“ im Sinne des § 25 Abs. 5 Mediengesetz und sonstige Medien, an denen kein öffentliches Sammelinteresse besteht, fallen nicht darunter) – die ÖNB sämtliche Kosten übernehmen muss. Kosten für den Bundeshaushalt entstehen nur einmalig durch die Erstellung der in § 43b Abs. 6 und 7 vorgesehenen Verordnungen. Bei einem angenommenen Zeitaufwand von 30 Arbeitstunden für den gesamten Erstellungsaufwand ist unter Zugrundelegung der Richtwerte für die Durchschnittspersonalausgaben/-kosten, kundgemacht in BGBl. II Nr. 165/2007 mit Kosten von 911 EUR zu rechnen (Satz LVVH3; jährlich 51.025 EUR bei 16580 Arbeitsstunden). Hinzukommen 12% Sachkosten- und 20% Verwaltungsgemeinkostenzuschlag, insgesamt daher einmalig 1.202 EUR.

Die im Entwurf vorgesehene Ablieferungspflicht ist nicht als Informationsverpflichtung von Unternehmen im Sinne des § 4 Z 2 der Standardkosten-Richtlinien, BGBl. II 233/2007 zu verstehen. Diese Bestimmung definiert Informationsverpflichtung nämlich wie folgt: „Eine Informationsverpflichtung ist eine aus einer Rechtsvorschrift gemäß Z 1 resultierende Pflicht eines Unternehmens, Informationen zusammenzustellen oder bereitzuhalten und diese unaufgefordert oder auf Verlangen – einer Behörde, anderen Institutionen oder Dritten zur Verfügung zu stellen oder zu übermitteln.“ Der vorliegende Entwurf verpflichtet Unternehmen jedoch nicht, Informationen zusammenzustellen oder bereitzuhalten. Er sieht auch keine Übermittlung von Informationen vor; die abzuliefernden Medieninhalte stellen vielmehr das „Produkt“ der Unternehmen dar. Im Übrigen ist auf § 44 Abs. 5 zu verweisen, wonach die Kosten pro Ablieferung für den Medieninhaber mit 250 EUR gedeckelt sind. Diese Kosten fallen aber in aller Regel nur einmal an, da eine einmal eingerichtete Schnittstelle für möglichst viele Ablieferungen von Medieninhalten zu nutzen ist. Die Österreichische Nationalbibliothek geht von ca. 1.500 Aufforderungen zur Ablieferung in einem Fünfjahreszeitraum aus, wodurch maximale Kosten für Unternehmen in Höhe von durchschnittlich 75.000 EUR im Jahr entstehen könnten (wobei damit zu rechnen ist, dass der Betrag im ersten Jahr höher und danach stark degressiv ist, weil im Regelfall nach der ersten Ablieferung keine weiteren Kosten anfallen werden). Dieser Betrag ist aber als (durchschnittlicher) Maximalbetrag zu sehen, weil in zahlreichen Fällen die entstehenden einmaligen Kosten viel geringer sein werden (wenn es zB. ausreichend ist, der ÖNB ein Passwort zu übermitteln, mit dem sie Zugang zu den Medieninhalten erhält – dies kann leicht per E-Mail oder Brief geschehen und verursacht weit unter 250 EUR liegende Kosten).

 

Der Verfassungsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 14. Jänner 2009 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Karl Donabauer, die Abgeordneten Mag. Ewald Stadler, Mag. Wilhelm Molterer, Dr. Josef Cap, Dr. Peter Fichtenbauer und Dieter Brosz.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf einstimmig angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (20 der Beilagen) die verfassungs­mäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2009 01 14

                                 Karl Donabauer                                                              Dr. Peter Wittmann

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann