Abweichende persönliche Stellungnahme

gemäß § 42 Abs. 5 GOG

der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Mag. Christiane Brunner, Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber

zum Bericht des Umweltausschusses über den Antrag Schultes, Bayr, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (464/A)

 

Dem gegenständlichen Gesetzesantrag konnte insbesondere aus folgenden Gründen nicht zugestimmt werden:

 

1.      Schon die dem Gesetzesvorhaben zugrunde liegende Umwelthaftungsrichtlinie (2004/35/EG) erfasst keineswegs alle Umweltschäden. So ist nicht der Boden als Umweltgut geschützt sondern nur als Produktionsfaktor für Lebensmittel. Als Schädigung des Bodens gilt nämlich nur eine Bodenverunreinigung die zu einer Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit führen kann. Gesundheitsschäden, die durch Luftverunreinigungen ausgelöst werden, sind nicht erfasst. Schäden an der biologische Vielfalt, dem Lebensraum der Tiere und Pflanzen sind nur in ausgewiesenen Schutzgebieten erfasst. Die potentiellen Schädiger werden äußerst kasuistisch und lückenhaft erfasst. Der gegenständliche Antrag korrigiert diesen unvollkommenen Ansatz nicht sondern schreibt ihn ab. Hinzu kommt, dass die Richtlinie getrennt in Bund und Ländern umgesetzt wird, sodass von einem effizienten Umweltsanierungssystem nicht die Rede sein kann.

2.      Die „Umweltbeschwerde“ Betroffener an die Behörde wurde zwar gegenüber der Regierungsvorlage vom Juni 2007 insofern verbessert als der Zugang zum Sanierungsverfahren (behördlicher Sanierungsauftrag) selbst eröffnet wurde.  Ist die Behörde der Meinung, dass ein Sanierungsauftrag nicht notwendig ist, hat sie darüber einen Bescheid zu erlassen, der von rechtlich betroffenen BürgerInnen, der Umweltanwaltschaft oder den nach UVP-G eingetragenen Umweltorganisationen beim UVS bekämpft werden kann. Die Genannten können sich auch in ein amtswegig eingeleitetes Sanierungsverfahren einklinken. Gleichwohl wurde die Frage, was denn die Formalparteien Umweltanwalt und NGO in diesen Verfahren inhaltlich geltend machen können, äußerst unklar bis unbefriedigend gelöst. Ihnen steht auch nicht, wie den AnlagenbetreiberInnen der Weg zum Verwaltungsgerichtshof offen, insofern ist der Rechtsschutz also asymmetrisch ausgestaltet. Eine vom Allgemeinen Verwaltungsverfahren abweichende Kostenregelung wurde nicht geschaffen, sodass die Kosten der Umweltbeschwerde von den Umweltbewegten zu tragen sind.

3.      Positiv ist, dass sich die Ausrede des „Entwicklungsrisikos“ in § 8 Abs 4 des RV im ggst Antrag nicht mehr findet. Die Ausrede des behördlich genehmigten Betriebs wurde für Wasserschäden jedoch aufrechterhalten. Eine Schädigung der Gewässer, die durch eine Bewilligung nach dem Wasserrechtsgesetz gedeckt ist, ist per definitionem kein Umweltschaden im Sinne des ggst Antrags (§ 4  Zif 1 lit a). Begründet wird dies mit dem besonderen Regime der Wasserrahmenrichtlinie. Die Erläuterungen führen weiter aus, dass damit keineswegs Schäden aus Störfällen gedeckt werden sollen. Die neue Regelung des § 4 Zif 1 lit a wird von ExpertInnen unterschiedlich bewertet. Während etwa Univ.-Prof. Dr. Raschauer im Ausschuss meinte, dass nunmehr der Standard des § 31 WRG gewahrt sei, brachten die Univ.-Prof. Dr. Kerschner und Univ.-Prof. Dr. Wagner außerhalb des Ausschusses harsche Kritik an (diese Bestimmung sei nicht richtlinienkonform).

4.      Eine verpflichtende Deckungsvorsorge für Umweltschäden ist nicht vorgesehen. Ebenso wurde die Frage der Durchgriffshaftung und der Solidarhaftung nicht angegangen.

5.      Aufgrund der sehr eingeschränkten Schutzgüter des Bundes-Umwelthaftungsgesetzes wird die an und für sich positive Aufnahme der „Ausbringung von GMO“ in die relevanten Tätigkeiten nur beschränkte Wirkung entfalten können.

6.      Der Gesetzesantrag wurde den grünen Mitgliedern des Umweltausschusses erst am 25. 2. nachmittags vorgelegt. Unter Berufung auf das laufende Vertragsverletzungsverfahren wurde auf rasche Behandlung im Umweltausschuss, nämlich am 3.3. gedrängt. Die Grünen setzten sich für die Beiziehung von Experten ein, was schließlich die Zustimmung aller Fraktionen fand. Die Debatte im Ausschuss machte einmal mehr die Komplexität der Materie deutlich. Mehr Vorlaufzeit für die Ausschussberatungen zur Einbeziehung aller relevanten ExpertInnen und betroffenen Organisationen wäre wünschenswert gewesen.