103 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses

über die Regierungsvorlage (24 der Beilagen): Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes

Das Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Es hat nicht politischen Charakter. Das Übereinkommen ist hinsichtlich des nichtgemeinschaftsrechtlichen Teiles der unmittelbaren Anwendbarkeit im innerstaatlichen Rechtsbereich nicht zugänglich, sodass diesbezüglich die Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG erforderlich ist. Da durch das Übereinkommen Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es überdies der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 1B-VG.

Bedeutung und Ziele des Übereinkommens auf internationaler bzw. globaler Ebene:

Durch dieses Übereinkommen finden Begriff und Gegenstand des immateriellen Kulturerbes Eingang ins Völkerrecht. Das Übereinkommen stützt sich auf den erweiterten, materielle und immaterielle Aspekte einschließenden Kulturbegriff der UNESCO (2. Weltkonferenz über Kulturpolitik, Mexiko 1982)  und geht davon aus, dass das immaterielle Kulturerbe für Gesellschaftsgruppen eine identitätsstiftende Funktion erfüllt, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den interkulturellen Dialog fördert und zur nachhaltigen sozio-ökonomischen Entwicklung beiträgt. Besondere Bedeutung kommt den Entwicklungs- und Schwellenländern zu. Auf internationaler Ebene bietet das Übereinkommen die Chance, das immaterielle Kulturerbe weltweit aufzuwerten, dessen Bedeutung ins allgemeine Bewusstsein zu bringen und zur Herausbildung eines kulturellen Fundaments beizutragen, das Solidarität und Toleranz sowie den Respekt für Unterschiede zwischen den Gesellschaften fördert. Zur Umsetzung dieser Ziele etabliert das Übereinkommen eine Generalversammlung der Vertragsstaaten, einen Zwischenstaatlichen Ausschuss, eine „Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit“, eine „Liste des dringend erhaltungsbedürftigen immateriellen Kulturerbes“ und einen „Fonds für die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes“.

Die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes im Sinne des Übereinkommens reicht weit über die allgemein bekannten Bereiche der Volkskultur und Folklore hinaus. Das Übereinkommen enthält wenige direkte Verpflichtungen für die Vertragsstaaten, hat aber kulturpolitisch wegweisenden Charakter. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, zusammen mit den TrägerInnen des immateriellen Kulturerbes in einen fortwährenden lokalen, nationalen und internationalen Dialog zu treten und periodisch - zur Überprüfung ihrer Kulturerbe-Konzepte und der gesetzten Maßnahmen - zu berichten. Bestandsaufnahmen von Formen oder Elementen immateriellen Kulturerbes sollen dabei Transparenz herstellen und eine fachliche Basis schaffen.

 

Verhältnis zu internationalen Abkommen im Bereich des Kulturgüterschutzes:

 

Das Übereinkommen wird als notwendige Ergänzung der internationalen Rechtsinstrumente im Kulturbereich erachtet, da es die Schutzmaßnahmen des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, BGBl. Nr. 60/1993 (Welterbeübereinkommen von 1972) deutlich ausweitet und dem Übereinkommen zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, BGBl. Nr. 34/2007, eine nachhaltige Unterstützung bietet.

 

Nachstehende Artikel sind für Österreich von besonderer Wichtigkeit:

 

Allgemeine Verpflichtungen:

 

In Art. 2 wird der Anwendungsbereich des Übereinkommens mittels eines zweiteiligen Konzeptes (Themenbereiche und Kriterien) zur Definition immateriellen Kulturerbes dargestellt sowie der Begriff der Erhaltung erläutert.

Es wird zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im Sinne des Übereinkommens nur dasjenige immaterielle Kulturerbe Berücksichtigung findet, das mit den bestehenden internationalen Rechtsinstrumenten im Bereich der Menschenrechte sowie mit dem Anspruch gegenseitiger Achtung von Gemeinschaften, Gruppen und Individuen und nachhaltiger Entwicklung in Einklang steht.

In Art. 3 wird die Beziehung zu bestehenden Völkerrechtsverträgen bekräftigt.

 

Spezifische Verpflichtungen:

Mit den Art. 11 und 12 verpflichten sich die Vertragsstaaten zur Sicherstellung der Identifikation im Hinblick auf die Erhaltung ein oder mehrere Verzeichnisse des in ihrem Hoheitsgebiet befindlichen immateriellen Kulturerbes zu erstellen und diese in regelmäßigen Abständen zu aktualisieren. Diese Verzeichnisse sind rein deklaratorischer Natur. Der Eintrag eines Elementes immateriellen Kulturerbes in ein nationales Verzeichnis gilt allerdings als Voraussetzung für eine Nominierung und Aufnahme in die internationale „Repräsentative Liste“.

Art. 25 des Übereinkommens legt die Einrichtung eines „Fonds für die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes“ fest. Der Beitrag dazu wird nach einem für alle Staaten geltenden Schlüssel errechnet. Er beträgt max. 1% des Beitrags des Vertragsstaates zum ordentlichen Haushalt der UNESCO. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, diesen Betrag (im Falle Österreichs derzeit ca. € 20.000,-) mindestens alle 2 Jahre zu entrichten (Art. 26 Abs. 1). Die Bedeckung für den österreichischen Beitrag zum Fonds ist im BMUKK gegeben. Es bleibt den Vertragsstaaten überlassen, mehr oder öfter etwas beizutragen.

Entsprechend Art. 29 berichten die Vertragsstaaten dem Zwischenstaatlichen Ausschuss in der von ihm festgelegten Weise und Periodizität über die getroffenen Maßnahmen zur Umsetzung des Übereinkommens und informieren über die Erstellung der Inventare des immateriellen Kulturerbes auf ihrem Territorium.

Das Übereinkommen wurde am 17. Oktober 2003 bei der 32. Generalversammlung der UNESCO in Paris verabschiedet. Es trat gemäß seinem Art. 34 drei Monate nach Hinterlegung der dreißigsten
Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde am 20. April 2006 in Kraft. Bis jetzt (Stand: 17. Oktober 2008) hat das Übereinkommen 104 Vertragsstaaten.

Der Außenpolitische Ausschuss hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 03. März 2009 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordnete Mag. Christine Muttonen sowie der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

Der Außenpolitische Ausschuss vertritt weiters einstimmig die Auffassung, dass der gegenständliche Staatsvertrag der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich nicht zugänglich ist und daher eine Beschlussfassung des Nationalrates im Sinne des Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG erforderlich ist.

Ebenso wurde einstimmig beschlossen, dass die arabische, chinesische, französische, russische und spanische Sprachfassung dieses Staatsvertrages gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundzumachen sind, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten aufliegen.

 


Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

1.      Der Abschluss des Staatsvertrages: Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes (24 der Beilagen) wird gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG genehmigt.

2.      Dieser Staatsvertrag ist im Sinne des Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen.

3.      Die arabische, chinesische, französische, russische und spanische Sprachfassung dieses Staatsvertrages sind gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundzumachen, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten aufliegen.

Wien, 2009 03 03

                                   Franz Glaser                                                                      Dr. Josef Cap

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann