116 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten

über die Regierungsvorlage (88 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geändert werden

Mit Erkenntnis vom 27. Juni 2008 (G 246, 247/07 ua.) hat der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge „von Amts wegen“ in den §§ 72 Abs. 1, 73 Abs. 2 und 3 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebungen treten mit Ablauf des 31. März 2009 in Kraft.

Der Verfassungsgerichtshof führte dabei im Wesentlichen aus, dass einem Fremden aus Art. 8 EMRK zwar kein Recht auf Entfaltung des Privat- und Familienlebens in einem bestimmten Aufenthaltsstaat seiner Wahl zukomme, aber unter besonderen Umständen die Verpflichtung des Staates auf Gewährung des Aufenthaltes des Fremden entstehe. Die Verweigerung der Erteilung eines Aufenthaltstitels würde diesfalls einen Eingriff in das Grundrecht darstellen. Da die §§ 72 Abs. 1 und 73 Abs. 2 und 3 NAG wesentlich auf Interessen eines Fremden abstellen, aber in diesen Fällen lediglich ein Verfahren von Amts wegen vorsehen und keine Antragstellung des Einzelnen zulassen, waren die Bestimmungen aus rechtsstaatlichen Gründen als verfassungswidrig aufzuheben.

Der vorliegende Entwurf sieht demgemäß und entsprechend dem Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode (S. 101; Migration und Integration; 1. Neuregelung des Humanitären Aufenthalts) Änderungen im Aufenthalts- und Niederlassungsgesetz (NAG), Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) und Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) vor, um eine verfassungskonforme Regelung unter Wahrung der Integrität und des geordneten Vollzugs des Fremdenwesens zu gewährleisten.

Ausgehend von der Grundannahme, dass das Vorliegen der Gründe gemäß Art. 8 EMRK möglichst nur von einer zuständigen Behörde geprüft werden soll und „Kettenanträge“ bei unterschiedlichen Behörden hintanzuhalten sind, sieht der Entwurf einerseits vor, dass die Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde einen Aufenthaltstitel von Amts wegen zu erteilen hat, wenn die dauerhafte Unzulässigkeit einer Ausweisung gemäß Art. 8 EMRK in einem asyl- oder fremdenpolizeilichen Verfahren bereits festgestellt wurde. Anderseits ist ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Berufung auf Art. 8 EMRK als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine Ausweisung bereits als zulässig erachtet wurde, es sei denn, die Umstände haben sich seither maßgeblich geändert. Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Berufung auf Art. 8 EMRK gestellt und liegt noch keine Ausweisungsentscheidung vor, so ist zwingend die Fremdenpolizeibehörde mit dem Fall zu befassen. Ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens geboten, so ist dieser in Form einer „Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt“ oder „Niederlassungsbewilligung – beschränkt“ zu erteilen.

Opfer und Zeugen von Menschenhandel, Opfer von häuslicher Gewalt und Fremde, die einer Gefahr gemäß § 50 FPG ausgesetzt sind, können künftig einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung „besonderer Schutz“ gemäß § 69a NAG stellen. Opfer eines bewaffneten Konflikts werden, der Systematik des NAG entsprechend, nunmehr vollständig in § 76 geregelt.

Die bisher in § 74 vorgesehene ausschließlich amtswegige Möglichkeit, aus humanitären Gründen Verfahrensmängel zu heilen und eine Inlandsantragstellung zuzulassen, wird durch Novellierungen der §§ 19 und 21 NAG in das Regelverfahren eingegliedert und antragsfähig.

Der Entwurf sieht darüber hinaus vor, dass die Behörde Drittstaatsangehörigen, die sich nachweislich seit dem 1. Mai 2004 durchgängig im Bundesgebiet aufhalten („Altfälle“), in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag und im Hinblick auf den Grad der Integration, eine „Niederlassungsbewilligung – beschränkt“ gemäß § 44 Abs. 4 NAG erteilen kann. Der Nachweis der Selbsterhaltungsfähigkeit kann auch durch Vorlage einer Patenschaftserklärung erbracht werden. Gegen Entscheidungen in diesen Fällen ist eine Berufung nicht zulässig. Eine Erteilung gemäß § 44 Abs. 4 NAG bedarf der Zustimmung des Bundesministers für Inneres gemäß § 74 NAG. Dieser wird in Ausübung seiner Zustimmungsbefugnis vom Beirat zur Beratung besonders berücksichtigungswürdiger Fälle gemäß § 75 NAG beraten. Hiezu hat der Beirat binnen vier Wochen eine begründete Empfehlung abzugeben.

Schließlich wird vorgeschlagen, die vom Verfassungsgerichtshof herausgearbeiteten Kriterien zur Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK in das AsylG 2005, das FPG und das NAG explizit aufzunehmen.

 

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 3. und 4. März 2009 in Verhandlung genommen. Am 3. März wurde ein öffentliches Hearing gemäß § 37 Abs. 9 GOG abgehalten, bei dem folgende Experten gehört wurden:

Rechtsanwalt Mag. Wilfried Embacher

Univ.-Prof. Dr. Bernd-Christian Funk, Universität Wien

Dr. Alexander Janda, Österreichischer Integrationsfonds

Mag. Karin Keil, Caritas Österreich

Univ.-Prof. Mag. Dr. Georg Lienbacher, Verfassungsdienst

Dr. Christoph Klein, Bundesarbeiterkammer

Univ.-Ass. Dr. Alfred Schramm, Wirtschaftsuniversität Wien

Gernot Steiner, Amt der Kärntner Landesregierung

An der Debatte vom 3. März beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen der Berichterstatterin Abgeordnete Adelheid Irina Fürntrath-Moretti, die Abgeordneten Mag. Alev Korun, Ing. Peter Westenthaler, Sonja Ablinger, Dr. Walter Rosenkranz, Günter Kößl, Gerald Grosz, Mag. Albert Steinhauser, Angela Lueger, Hannes Fazekas, Christoph Hagen sowie die Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter.

An der Debatte vom 4. März 2009 beteiligten sich die Abgeordneten Günter Kößl, Angela Lueger, Mag. Alev Korun, Ing. Peter Westenthaler, Dr. Walter Rosenkranz, Nikolaus Prinz, Gerald Grosz, Erwin Hornek, Mag. Johann Maier, Dr. Peter Pilz, Mag. Albert Steinhauser, Harald Vilimsky sowie die Bundesministerin für Inneres Mag. Dr. Maria Theresia Fekter.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Günter Kößl, Otto Pendl, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Durch § 69a NAG wird eine Bestimmung über den besonderen Schutz von Drittstaatsangehörigen geschaffen, denen trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 unter besonderen Voraussetzungen von Amts wegen eine Aufenthaltsbewilligung für besonderen Schutz zu erteilen ist. Diese Bestimmung nimmt auf § 382b EO Bezug, doch wird der Schutz der EO durch das 2. Gewaltschutzgesetz, insbesondere durch die Neueinfügung eines § 382e erweitert.

Es wäre unlogisch, wenn dieser erweiterte Schutz nicht auch für den Bereich des NAG gelten sollte. Da das 2. Gewaltschutzgesetz jedoch erst mit 1. Juni 2009 in Kraft tritt, kann auch die Bezugnahme auf die §§ 382b und 382e EO erst mit diesem Zeitpunkt normiert werden. Im Hinblick darauf soll daher zunächst die durch die RV vorgeschlagene Fassung des § 69a NAG mit Ablauf des 31. Mai 2009 außer Kraft treten. Die ab 1. Juni 2009 geltende, erweiterte Fassung soll gemeinsam mit dem 2. Gewaltschutzgesetz durch einen Antrag gemäß § 27 GOG-NR beschlossen werden.“

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf in der Fassung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Günter Kößl, Otto Pendl, Kolleginnen und Kollegen mit Stimmenmehrheit angenommen.

 

Mit Stimmenmehrheit beschloss der Ausschuss für innere Angelegenheiten weiters folgende Feststellung:

Zu Art. 3 Z 3 des Entwurfes (Patenschaftserklärung, § 2 Abs. 1 Z 18 NAG) hält der Ausschuss fest, dass die Erfordernisse einer alle Risken abdeckenden Krankenversicherung jedenfalls durch eine Versicherung nach ASVG abgedeckt werden können.

Als Berichterstatterin für das Plenum wurde Abgeordnete Gabriele Tamandl gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2009 03 04

                               Gabriele Tamandl                                                                    Otto Pendl

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann