291 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses

über die Regierungsvorlage (196 der Beilagen): Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Bosnien und Herzegowina andererseits samt Schlussakte

Die Europäische Kommission schlug in ihrer Mitteilung vom 26. Mai 1999 über den Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess für Bosnien und Herzegowina, Kroatien, die Bundesrepublik Jugoslawien, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien und Albanien einen neuen Rahmen für die Intensivierung der Beziehungen zwischen der EU und diesen Ländern nach einem Stufenkonzept vor, das auf die Situation des jeweiligen Landes zugeschnitten ist. Dies eröffnete neue Perspektiven für eine weit reichende Partnerschaft, insbesondere auf der Grundlage einer neuen Art von Abkommen, den Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA). Dieser Prozess wurde später auch auf Montenegro ausgedehnt. Kosovo nimmt im Wege des Kontrollmechanismus des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses („Stabilisation and Association Process Tracking Mechanism“) am Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess für den Westbalkan teil.

Parallel zum vorliegenden Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen finden für Bosnien und Herzegowina weiterhin die günstigeren Handelszugeständnisse Anwendung, welche mit der Verordnung (EG) Nr. 2007/2000 zur Einführung besonderer Handelsmaßnahmen für die am Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess der Europäischen Union teilnehmenden oder damit verbundenen Länder und Gebiete eingeräumt wurden.

Am 21. November 2005 genehmigte der Rat „Allgemeine Angelegenheiten und

Außenbeziehungen“ ein Verhandlungsmandat für ein Stabilisierungs- und

Assoziierungsabkommen mit Bosnien und Herzegowina. Gemäß diesen Verhandlungsrichtlinien wurden die Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Bosnien und Herzegowina im Dezember 2006 abgeschlossen.

Am 4. Dezember 2007 erfolgte die Paraphierung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und Bosnien und Herzegowina durch EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn und den Vorsitzenden des Ministerrates von Bosnien und Herzegowina Nikola Špirić in Sarajewo.

Am 16. Juni 2008 wurden das SAA und das Interimsabkommen (IA) in Luxemburg unterzeichnet, das IA ist am 1. Juli 2008 in Kraft getreten. Vereinbart wurde die Schaffung einer Freihandelszone innerhalb von maximal 5 Jahren nach Inkrafttreten des IA.

Analoge Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen wurden mit Albanien, Kroatien, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, Montenegro und Serbien abgeschlossen. Das Abkommen mit Albanien wurde am 12. Juni 2006 unterzeichnet und ist am 1. April 2009 in Kraft getreten. Das Abkommen mit Kroatien wurde am 29. Oktober 2001 unterzeichnet und ist am 1. Februar 2005 in Kraft getreten. Das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien wurde am 9. April 2001 unterzeichnet und ist am 1. April 2004 in Kraft getreten. Das SAA mit Montenegro wurde am 15.Oktober 2007 unterzeichnet und befindet sich in der Phase der Ratifizierung. Das Abkommen mit Serbien wiederum wurde am 29.April 2008 unterzeichnet, den Ratifizierungsprozess werden die EU-Mitgliedstaaten allerdings erst einleiten, nachdem mit einstimmigem Ratsbeschluss die volle Zusammenarbeit Serbiens mit dem Internationalen Strafgericht für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) festgestellt wurde.

Das Ziel des vorliegenden Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens ist es, Bosnien und Herzegowina wirtschaftlich und politisch zu stabilisieren sowie eine dauerhafte und enge Zusammenarbeit zwischen Bosnien und Herzegowina und dessen Nachbarstaaten einerseits und der Europäischen Union andererseits zu schaffen. Um dieses Ziel zu erreichen, beinhaltet das Abkommen im Wesentlichen folgendes:

Der politische Dialog mit der Europäischen Union und ihren Mitgliedsstaaten soll gefördert werden. Auf regionaler Ebene sollen auch die Nachbarstaaten von Bosnien und Herzegowina in diesen eingebunden werden. Die Achtung der demokratischen Prinzipien, der Grundsätze des Völkerrechtes und der Menschenrechte stellen grundlegende Elemente des Abkommens dar.

Die Stärkung der regionalen und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Wege des Abschlusses bilateraler und regionaler Übereinkommen soll vorangetrieben werden. Weiters sieht das Abkommen innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren ab Inkrafttreten die schrittweise Errichtung einer Freihandelszone vor, welche auf Gegenseitigkeit beruht, aber mit einer zunächst einseitigen, d.h. asymmetrischen Liberalisierung insbesondere beim Import gewerblicher Erzeugnisse zugunsten von Bosnien und Herzegowina beginnt.

Im Bereich der Niederlassung von Gesellschaften, Tochtergesellschaften und Zweigniederlassungen gewähren die Vertragspartner einander Meistbegünstigung. Die Vertragsparteien sind durch das Abkommen jedoch nicht daran gehindert, ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Einreise und Aufenthalt, Beschäftigung, Arbeitsbedingungen, Niederlassung von natürlichen Personen und Erbringung von Dienstleistungen anzuwenden, sofern sie dies nicht auf eine Weise tun, durch welche die Vorteile, die einer Vertragspartei aus einer Bestimmung des Abkommens erwachsen, zunichte gemacht oder verringert werden.

Große Bedeutung wird der Angleichung des Rechtsbestands von Bosnien und Herzegowina an den der Europäischen Union sowie den für seine Durchsetzung notwendigen Institutionen beigemessen. In diesem Zusammenhang verpflichtet sich Bosnien und Herzegowina auch im Bereich des Schutzes des geistigen und gewerblichen Eigentums dazu, binnen fünf Jahren nach Inkrafttreten des Abkommens ein der Gemeinschaft vergleichbares Schutzniveau zu erreichen.

Neben der wirtschaftlichen und industriellen Kooperation sieht das Abkommen auch eine Zusammenarbeit u. a. auf den Gebieten der Investitionsförderung und des Investitionsschutzes, der Statistik, des Bankwesens und der Finanzdienstleistungen, der Wissenschaft und Technik, der allgemeinen und beruflichen Bildung, der Agrar- und Ernährungswirtschaft, der Energie, der Umwelt, des Verkehrs, der elektronischen Kommunikationsnetze, der Stärkung von kleineren und mittleren Unternehmen, der Regionalentwicklung, des sozialen Bereichs sowie auf den Gebieten des Fremdenverkehrs, der Information und Kommunikation, des Verbraucherschutzes, des Zollwesens, der Kultur, der Bekämpfung der Korruption, der organisierten Kriminalität, der Geldwäsche, des Drogenhandels und der Verhütung der illegalen Einwanderung vor.

Zur Erreichung der Ziele des Abkommens wird Bosnien und Herzegowina finanzielle Unterstützung seitens der Europäischen Gemeinschaft in Aussicht gestellt. Zu diesem Zwecke soll ein regelmäßiger Informationsaustausch zwischen den Vertragsparteien stattfinden.

Durch das Abkommen wird ein Stabilitäts- und Assoziationsrat eingesetzt, der regelmäßig oder wenn die Umstände dies erfordern zusammentritt. Der Stabilitäts- und Assoziationsrat setzt sich aus Mitgliedern des Rates der Europäischen Union und Mitgliedern der Europäischen Kommission einerseits und Mitgliedern des Ministerrats von Bosnien und Herzegowina andererseits zusammen.

Damit das Abkommen in Kraft treten kann, muss es von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. Es ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann jedoch von jeder Vertragspartei durch Notifizierung an die andere Vertragspartei gekündigt werden.

 

Der gegenständliche Staatsvertrag hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat.

Der Staatsvertrag hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG nicht erforderlich ist.

 

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

 

Hinsichtlich der Kundmachung des Staatsvertrages hat die Bundesregierung dem Nationalrat vorgeschlagen, gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG zu beschließen, dass die bulgarische, dänische, englische, estnische, finnische, französische, griechische, italienische, lettische, litauische, maltesische, niederländische, polnische, portugiesische, rumänische, schwedische, slowakische, slowenische, spanische, tschechische, ungarische und bosnische, kroatische und serbische Sprachfassung dadurch kundzumachen sind, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten aufliegen.

 

Der Außenpolitische Ausschuss hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 30. Juni 2009 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Elisabeth Hakel, Mag. Ulrike Lunacek, Herbert Scheibner, Mag. Dr. Beatrix Karl und Dr. Alexander Van der Bellen sowie der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Dr. Michael Spindelegger.

 

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

Der Außenpolitische Ausschuss vertritt weiters einstimmig die Auffassung, dass die Bestimmungen des Staatsvertrages zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich ausreichend determiniert sind, sodass sich eine Beschlussfassung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages erübrigt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

1.      Der Abschluss des Staatsvertrages: Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Bosnien und Herzegowina andererseits samt Schlussakte(196 der Beilagen) wird gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG genehmigt.

2.      Die bulgarische, dänische, englische, estnische, finnische, französische, griechische, italienische, lettische, litauische, maltesische, niederländische, polnische, portugiesische, rumänische, schwedische, slowakische, slowenische, spanische, tschechische, ungarische und bosnische, kroatische und serbische Sprachfassungen dieses Staatsvertrages sind gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundzumachen, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten aufliegen.

Wien, 2009 06 30

                             Dr. Ursula Plassnik                                                                Dr. Josef Cap

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann