Abweichende persönliche Stellungnahme

gemäß § 42 Abs. 5 GOG

des Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber

zum Bericht 293 der Beilagen über den Antrag 687/A der Abgeordneten Fritz Grillitsch, Mag. Kurt Gaßner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007, das Marktordnungs­-Überleitungsgesetz, das Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, das Gesundheits- und Ernährungssicher­heitsgesetz, das Pflanzgutgesetz 1997, das Pflanzenschutzgesetz 1995 und das Forstliche
Vermeh­rungsgsgutgesetz 2002 geändert werden (Agrarrechtsänderungsgesetz 2009)

 

Zu Artikel 1 und 2

Änderung des Marktordnungsgesetzes und des Marktordnungsüberleitungsgesetzes

 

Das Agrarrechtsänderungsgesetz beinhaltet ein Paket von völlig verschiedenen Gesetzesmaterien. Schwerpunkt ist eine Änderung der Marktordnungsgesetze. Obwohl es um die Umsetzung wichtiger Beschlüsse der Gemeinsamen Agrarpolitik geht (GAP-Gesundheitscheck), wurde dieses umfangreiche Paket in Form eines Abänderungsantrages von 41 Seiten den Oppositionsparteien erst einen Tag vor dem Ausschuss zugesandt. Es wurde – obwohl es um entscheidende Weichenstellungen in der österreichischen Agrarpolitik geht (insbesondere um die Existenz der Milchbäuerinnen und –bauern) – kein Begutachtungsverfahren durchgeführt, um Stellungnahmen von entscheidenden Instanzen berücksichtigen zu können. Es kamen auch keine ExpertInnen im Ausschuss zu Wort, um die komplexen Maßnahmen zu erläutern.

 

Die vorliegenden Änderungen sind im folgenden Kontext zu sehen: Im November 2008 einigten sich die EU-Agrarminister (darunter auch der österreichische Landwirtschaftsminister) und die EU-Kommission über die Maßnahmen zum „Gesundheitscheck“ der Gemeinsamen Agrarpolitik. Der Milchmarkt wurde von den Beschlüssen des Health Checks am stärksten betroffen. Allen Warnungen zum Trotz haben die EU-Agrarminister und die EU-Kommission die Milchmarktliberalisierung (Auslaufen der Quotenregelung im Jahr 2015) eingeleitet und trotz überlaufender Märkte eine Erhöhung der Milchquote von 5 mal 1% beschlossen. Sämtliche Bemühungen der europäischen Milcherzeugerverbände, die produzierte Menge an den Markt flexibel anzupassen, wurden ignoriert. Die forcierte Überschussproduktion hat nun fatale Folgen für die Existenz von hunderttausenden europäischen Milchbäuerinnen und –bauern. Eine weitere Fehlentscheidung der EU-Kommission und der Agrarminister war die (Wieder-) Einführung von Exportsubventionen, um den (absehbaren) Milchpreisverfall zu stoppen. Die Überschüsse, die mit massiven Futtermittelimporten – oft aus den armen Ländern des Südens – produziert werden, gelangen damit hoch subventioniert auf den Weltmarkt und zerstören die regionale Landwirtschaft in den Entwicklungsländern durch Preisdumping.

 

Das von der EU-Kommission ursprünglich formulierte Ziel, mit diesem Gesundheitscheck den zentralen Herausforderungen Klimaschutz, Wasserschutz, biologische Vielfalt, erneuerbare Energien und eine gerechtere Verteilung der Direktzahlungen zu begegnen, wurde unter dem massiven Einfluss der EU-Agrarminister (mit Einflussnahme auch des österreichischen Landwirtschaftsministers) deutlich verfehlt.

 

Im vorliegenden Agrarrechtsänderungsgesetz 2009 gibt es (abgesehen von der Einbeziehung bisher produktionsgekoppelter Stützungen in die Betriebsprämienregelung) keine Korrekturen des ungerechten österreichischen Betriebsprämienmodells, obwohl die EU-Rechtslage eine Änderung zulassen würde. Damit bleibt die Unausgewogenheit des Agrarfördersystems bestehen und bewirkt eine krasse Wettbewerbsverzerrung zulasten kleinerer Betriebe. Laut Grünem Bericht 2008 wurden im Jahr 2007 nahezu 600 Mio. Euro als Betriebsprämie wie folgt vergeben: Rund 51 Prozent davon ergingen an nur 13 Prozent der Betriebe. 67 Betriebe bekamen mehr als 100.000 Euro/Jahr. Rund 70 Prozent der Betriebe wurden mit weniger als 5.000 Euro jährlich abgespeist.

 

Im vorliegenden Antrag werden dem Landwirtschaftsminister weitreichende Verordnungsermächtigungen eingeräumt. Er kann u.a. durch Verordnung im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik diverse Maßnahmen erlassen, Regeln für Direktzahlungen festsetzen, die Zuteilung der Milchquotenerhöhung durchführen, die Obergrenze an maximal prämienfähigen Milchkühen festlegen. Somit kann weder der Koalitionspartner noch das Parlament auf wesentliche Entscheidungen Einfluss nehmen und die Agrarpolitik bleibt weiterhin in der Hand der ÖVP-Interessensvertretung.

 

Das Grundproblem des Preisverfalls bei Milch aufgrund von Überproduktion wird mit diesem Gesetzespaket nicht ansatzweise behoben. Den schweren Existenzproblemen der Milchbetriebe wird mit einer Milchkuhprämie begegnet. Die vorgesehene Milchkuhprämie ist jedoch nicht ansatzweise geeignet, kostendeckende Erzeugerpreise zu ersetzen und den Milchbetrieben Zukunftsperspektiven zu bieten. Da der Landwirtschaftsminister ermächtigt wird, die Milchkontingente zuzuteilen, ist zu befürchten, dass sich auch an der bisher ungerechten betrieblichen Zuteilung der Quoten nichts ändert.

 

Bei der Saldierung, die Überlieferer mit hohen Überlieferungsmengen belohnt, wird es zwar Änderungen geben: Die Überlieferung soll künftig in Relation zur Eigenquote bemessen werden und die Berechnung der Superabgabe soll zukünftig Überlieferer mit geringen Überlieferungsmengen weniger und solche mit hohen Überlieferungsmengen stärker treffen. Die gänzliche Abschaffung des Systems der Saldierung wäre jedoch der einzig richtige Weg gewesen, um den Markt zu entlasten.

 

Zu Artikel 3 Änderung des Pflanzenschutzmittelgesetz

 

Der gemeinsame Ursprung eines Referenzprodukts mit einem in einem anderen Staat, der Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, zugelassenen Produkt soll für die vereinfachte Zulassung von Pflanzenschutzmitteln herangezogen werden können.  Damit wird eine zusätzliche Möglichkeit für die vereinfachte Zulassung von Pflanzenschutzmitteln geschaffen - ohne nähere vorsorgende Überprüfung auf nationalstaatlicher Ebene. Auch die Ausnahme vom Erfordernis der Zulassung bei der Lagerung zur Abfallbeseitigung eröffnet aufgrund der schweren Kontrollierbarkeit dem Missbrauch Tür und Tor.

 

Zum Entschließungsantrag der Grünen

 

Im Antrag der Grünen 581/A(E) XXIV. GP, der ebenfalls auf der Tagesordnung des Landwirtschaftsausschusses war, wird die Bundesregierung ersucht, auf nationaler Ebene alle Maßnahmen zu einer raschen und effizienten Milchmengensteuerung zu nutzen und konsequent eine Qualitätsstrategie für die österreichische Milchwirtschaft weiterzuentwickeln. Konkret werden folgende Maßnahmen vorgeschlagen:

 

-              Die jährliche EU-Milch-Quotenerhöhung ist mit 1. April auszusetzen und diese Quoten sind           solange in der nationalen Reserve zu behalten, bis der Milchmarkt wieder aufnahmefähig ist.

 

-              Das System der Saldierung in Österreich ist mit sofortiger Wirkung zu beenden.

 

-              Einrichtungen von bäuerlichen und genossenschaftlichen Milcherzeuger-Organisationen zur        Mengensteuerung sind zu unterstützen.

 

-              Eine amtliche Preiskalkulation für Milch und Milchprodukte, die sich an einer     Vollkostenrechnung orientiert, ist jährlich vorzulegen.

 

-              Sämtliche Interessensorganisationen im Milchsektor (Molkereien, IG-Milch,       Landwirtschaftskammern, Handel) sind regelmäßig zu einem Runden Tisch einzuladen, damit     aktuelle Herausforderungen partnerschaftlich gelöst werden können.

 

-              Der Absatz von Bio-Milch und die Einrichtung eines Milch-Clusters in Österreich ist zu unterstützen, um Marketing und Abstimmung der Vermarktungstätigkeiten von Molkereien und              bäuerlichen Vertriebsstrukturen auch im Export zu verbessern.

 

-              Sich dafür einzusetzen, dass entsprechende statistische Daten über den Milch-Markt (Import-       und Export-Daten) auch für den Bio-Sektor vollständig erhoben werden können.

 

Ferner wird die österreichische Bundesregierung aufgefordert, auf EU-Ebene zur Absicherung einer nachhaltigen Milcherzeugung massiv für folgende Maßnahmen einzutreten:

 

-              Anstatt der Quotenerhöhung ist das Instrument der flexiblen Mengensteuerung einzusetzen, um Angebot und Nachfrage auszubalancieren. Gemäß dem Leitbild einer flächengebundenen            Milchproduktion müssen den Grünland-Bäuerinnen und -Bauern auch nach 2015 Lieferrechte       für die Milchproduktion garantiert werden.

 

-              Das Exportdumping ist umgehend zu beenden und die Exportsubventionen sind einzustellen.

 

-              Die Milchmarktpolitik ist an den Zielen ländliche Wertschöpfung, Arbeitsplatzsicherung,               Klimaschutz, Biologische Vielfalt und Tierschutz auszurichten.

 

Der Grüne Antrag wurde von den Regierungsparteien abgelehnt und keine der angeführten Maßnahmen aufgegriffen.

 

Zusammenfassende Beurteilung:

 

Beim Agrarrechtsänderungsgesetz setzten sich wieder einmal die bisherigen Profiteure des Agrarsystems durch – zulasten der Milchbäuerinnen und –bauern, der KonsumentInnen und auch der SteuerzahlerInnen.

 

Die Umsetzung des EU-Gesundheits-Checks hätte zum Anlass genommen werden können, Korrekturen bei der Unausgewogenheit der Direktzahlungen (Betriebsprämienregelung) vorzunehmen. Diese Gelegenheit wurde jedoch nicht genützt und damit bleiben die krassen Wettbewerbsverzerrungen zulasten der kleineren Betriebe bestehen. Während in anderen Bereichen Konjunkturpakete geschnürt werden, um Arbeitsplätze zu erhalten, werden durch die ÖVP-Agrarpolitik Arbeitsplätze mit Steuergeldern vernichtet.

 

Bei der Milch wird das Grundproblem des Preisverfalls aufgrund gesteuerter Überproduktion nicht ansatzweise behoben. Die Milchkuhprämie, die den Sturzflug der Milchpreise abfedern soll, ist nicht geeignet, kostendeckende Erzeugerpreise zu ersetzen und den Milchbetrieben Zukunftsperspektiven zu bieten.  An der Saldierung, die Überlieferer belohnt, wurde zwar herumgedoktert, sie wird aber nicht abgeschafft und damit wird der enorme Preisdruck anhalten.

 

Die Möglichkeiten der Modulation im Rahmen des Health Checks werden nicht ausgeschöpft und damit stehen zu wenig Mittel für jene Betriebe, die an Agrarumweltprogrammen, Qualitätsprogrammen teilnehmen oder in benachteiligten Gebieten besondere Leistungen erbringen, zur Verfügung.