350 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Kulturausschusses

über den Antrag 9/A der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen und das Gesetz vom 1. August 1895 über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten geändert werden

Die Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 28. Oktober 2008 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Artikel I:

Zu Z 2 (§ 1):

Im Zuge dieser Gesetzesnovelle wird der Kreis der Rückgabeverpflichteten auf den Bund und jene Fonds, Stiftungen und Anstalten, die von Bundesorganen oder von Personen (Personengemeinschaften) verwaltet werden, die hiezu von Organen des Bundes bestellt sind. Diese Formulierung folgt § 1 Abs 3 des Rechnungshofgesetzes, BGBl. 144/1948.

Die Definition des Begriffs „Kunstgegenstand“ war bislang nur in den Erläuterungen zum Kunstrückgabegesetz enthalten, auch deshalb, weil der Fokus des Jahres 1998 auf Gemälden, Zeichnungen und Skulpturen lag. In Anbetracht der Restitutionen beispielsweise von Automobilen oder Gesteinssammlungen erscheint es angebracht, die umfassende Bestimmung des Begriffs in den Gesetzestext aufzunehmen.

Zu Z 3 (§ 1 a):

Der Bundesminister für Finanzen wird nunmehr verpflichtet, Kunstgegenstände, die nach diesem Bundesgesetz zurückgestellt werden müssen, auch tatsächlich zurückzustellen. Damit wird die bisherige Ermächtigung zur Rückgabe von Kunstgegenständen in ein subjektives Recht der ursprünglichen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger von Todes wegen umgeändert. Diese Änderung entspricht sowohl den allgemeinen rechtsstaatlichen Geboten als auch den Erfordernissen der Praxis.

Es ist sachlich nicht gerechtfertigt, dass Kunstgegenstände, die nicht Gegenstand eines formellen Rückstellungsverfahrens waren, vom Rückstellungstatbestand der Z 1 ausgenommen sind. Ursache für den unterlassenen Versuch von Berechtigten, das geraubte Eigentum zurückzuerlangen, können verschiedene sein: Möglicherweise wurde kein Rückstellungsverfahren einzuleiten versucht aufgrund der Aussichtslosigkeit der Bemühungen oder aufgrund persönlicher Lebensumstände der Berechtigten. Diese Differenzierung ist zu beheben, indem ein Rückstellungsverzicht einem Rückstellungsverfahren ausdrücklich gleichgestellt wird.

Von § 1 a Abs. 1 Z 1 erfasst werden sollen weiters nicht nur Kunstgegenstände, die unentgeltlich, dh in Form von Schenkungen, in das Eigentum von Sammlungen oder Museen gelangt sind, sondern genauso auch solche, die zB im Zusammenhang mit der Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen für einen Teil des geraubten Vermögens um einen nicht angemessenen Gegenwert von den Museen oder Sammlungen erworben wurden. In solchen Fällen besteht nämlich eine sehr ähnlich gelagerte Situation. Daher kann es nicht darauf ankommen, ob es sich um eine reine Schenkung gehandelt hat oder um einen Erwerb um eine Summe, die im Zeitpunkt des Erwerbes nicht dem Marktwert des Kunstgegenstandes entsprach. Die im Austausch für die Kunstgegenstände erhaltene nicht angemessene Summe wäre im Fall einer Restitution von den Berechtigten zurückzuerstatten.

Die bisherige Fassung des § 1 Abs 1 Z 3 (neu: § 1 a Abs 1 Z 3) zielt auf Kunstgegenstände ab, die in Folge der NS-Zeit als herrenloses Gut in Verwahrung des Bundes gekommen sind und in weiterer Folge ins Eigentum des Bundes übertragen wurden. Nicht alle als herrenloses Gut in Verwahrung des Bundes genommenen Kunstgegenstände wurden in der Kartause Mauerbach aufbewahrt und 1996 zur Versteigerung gebracht. Die Qualifikation als herrenloses Gut ist dahingehend zu verstehen, dass die ursprünglichen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger von Todes wegen nicht festgestellt werden konnten oder nicht festgestellt wurden. Das in der derzeit geltenden Fassung vorausgesetzte Erfordernis eines Abschlusses von Rückstellungsverfahren entzieht der Bestimmung ihren Anwendungsbereich, da in der Regel gerade in den Fällen herrenlosen Gutes kein Rückstellungsverfahren stattgefunden hat. Daher sollte dieses Erfordernis entfallen. Abs. 2 stellt sicher, dass Vermögensentziehung im Sinne der Terminologie des Dritten Rückstellungsgesetzes verstanden wird. Dabei geht es unter anderem um die Präzisierung in § 2 Abs. 1 Drittes Rückstellungsgesetz, wonach den ursprünglichen Eigentümern von entzogenem Vermögen, die politischer Verfolgung durch den Nationalsozialismus unterworfen waren, eine Beweislastumkehr zugute kommt. In solchen Fällen hat nämlich nicht der ursprüngliche Eigentümer zu beweisen, dass die Vermögensentziehung im Zusammenhang mit der politischen Verfolgung stand, sondern der Erwerber, dass sein Erwerb auch unabhängig von der Machtergreifung des Nationalsozialismus erfolgt wäre. Ausdrücklich klargestellt wird an dieser Stelle, dass die sonstigen Bestimmungen des Dritten Rückstellungsgesetzes bei der Beurteilung der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes oder einer sonstigen Rechtshandlung nicht als Auslegungsmaßstab heranzuziehen sind, dh so auch insbesondere nicht § 4 Drittes Rückstellungsgesetz.

Erforderlich ist schließlich ein Rückstellungsverfahren, das den Garantien eines Rechtsstaates entspricht. Dies wird durch die Anwendbarkeit des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes durch die Einfügung des neuen Abs. 3 gesichert.

Zu Z 4 (§ 2 Abs. 1):

Die Stadt Wien hat sich in ihrem Gemeinderatsbeschluss vom 29. April 1999 ausdrücklich zur Rückstellung geraubter Kunstgegenstände verpflichtet. Aus dieser Verpflichtung wird auch eine aktive Ausforschungspflicht der ursprünglichen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger von Todes wegen abgeleitet.

Tatsächlich kann Restitutionsrecht nur effizient wirken, wenn es in der Praxis mit aktiver Forschung – sei es Provenienzforschung oder Ausforschung der Berechtigten – verbunden wird. Dementsprechend soll im Zuge dieser Novelle nach dem Vorbild der Stadt Wien und korrespondierend zur verpflichtenden Rückstellung nach dem neu formulierten § 2 Abs. 1 die Verpflichtung zur aktiven Nachforschung nach den ursprünglichen Eigentümern oder deren Rechtsnachfolgern von Todes wegen ausdrücklich normiert werden.

Die Änderung der Bezeichnung der zuständigen Bundesminister entspricht dem geltenden Bundesgesetz über die Zahl, den Wirkungsbereich und die Einrichtung der Bundesministerien (Bundesministeriengesetz 1986 - BMG), idF. BGBl. I Nr. 92/2005.

Zu Z 5 (§ 2 Abs. 2):

Wenn die Voraussetzungen der Rückstellung von Kunstgegenständen nach dem vorliegenden Gesetz vorliegen, darf die Rückstellung nicht mehr im Ermessen der zuständigen Minister liegen. Dieser Gedanke wird durch die Streichung des § 2 Abs. 2 letzter Satz konsequent verwirklicht.

Zu Z 6 (§ 2 Abs. 3):

Auch hier entspricht die Anpassung der Bezeichnung des Bundesministeriums dem geltenden Bundesministeriengesetz.

Zu Z 7 (§ 2 Abs. 4 neu):

Ein eigener Instanzenzug scheint entbehrlich. Schließlich erhöht es die Transparenz für alle Beteiligten sowie sonstige Interessierte, wenn Entscheidungen der zuständigen Minister veröffentlicht werden müssen. Sinnvoll erscheint beispielsweise eine Veröffentlichung im Internet.

Zu Z 8 (§ 3):

Der neue § 3 nimmt auf die Erfordernisse der Praxis Rücksicht. Obwohl dem Beirat formell keine Entscheidungskompetenz zukommt, gibt er eine rechtliche Empfehlung ab, ob bestimmte Kunstgegenstände zu restituieren sind oder nicht. Tatsächlich gehören dem Beirat derzeit Personen an, die dem Wirkungsbereich jener Bundesminister zuzurechnen sind, die letztlich über die Frage der Restitution befinden. Nun erscheint es im Sinne eines rechtsstaatlichen Verfahrens, das auch durch die Anwendung des AVG gesichert werden soll, angemessen, den Beirat als ein Gremium anzusehen, dem zwar formell keine Entscheidungskompetenz zukommt, das jedoch maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung des zuständigen Bundesministers ausübt. In der Praxis haben sich bisher alle Bundesminister an die Beiratsempfehlungen gehalten.

Im Sinn der Sicherung einer möglichst weiten Unabhängigkeit des Beirats wird daher als Vorsitzender ein Richter zu bestellen sein. Die anderen stimmberechtigten Mitglieder setzen sich großteils aus Experten der verschiedenen Fachbereiche zusammen, die bei der Frage von Kunstrestitution aufeinandertreffen. Selbstverständlich soll auch die Republik Österreich über die Finanzprokuratur vertreten sein.

In beobachtender und beratender Funktion – im Sinne der Transparenz der Beiratsempfehlungen – sollen Vertreter des Nationalfonds und der IKG zu den Sitzungen hinzugezogen werden. Von entscheidender Bedeutung ist darüber hinaus, dass jene Mitarbeiter der Kommission für Provenienzforschung ebenfalls zu den Sitzungen hinzugezogen werden, die die im Beirat zu behandelnden Fälle vorbereitet haben. Diese Dossiers sind ein Kompendium von historischen Dokumenten und beinhalten die Darstellung eines Sachverhalts, der den Anlass zur Entscheidung von Restitutionsproblemen darstellt. Tatsächlich sind die Mitglieder der Kommission am besten mit den jeweiligen Fällen vertraut und daher in der Lage, wertvolle Hintergrundinformationen zu liefern und offene Fragen umgehend zu klären.

Die Beschlüsse des Beirats, welche die Grundlage für die Entscheidungen der zuständigen Bundesminister über die Frage der Restitution von Kunstgegenständen bilden, sollen schließlich im Sinne der bereits erwähnten Bemühungen um Transparenz (Z 4) veröffentlicht werden.

Der ordentliche Rechtsweg soll niemandem verschlossen sein. Daher kann jeder Rückstellungsweber innerhalb bestimmter Fristen, die im Fall von Auslandbezug entsprechend länger ausfallen müssen, bei den Gerichten Klage einbringen. Dabei handelt es sich um eine sukzessive Kompetenz, eine im österreichischen Rechtssystem bewährte Konstruktion. Dementsprechend tritt der jeweilige Bescheid des zuständigen Bundesministers mit Einbringung einer Zivilklage ex lege außer Kraft.

Die sukzessive Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte lässt es auch wahrscheinlich erscheinen, dass Berechtigte nicht versucht oder gar gezwungen sind, Beistand von ausländischen Gerichten zu suchen. Insbesondere der Fall Bloch-Bauer hat gezeigt, dass der Aufwand internationaler gerichtlicher Auseinandersetzungen nicht zu rechtfertigen ist. Die Zuständigkeit ausländischer Gerichte kann aber nur durch die (kostengünstige) Gewährung eines innerstaatlichen Rechtsweges verhindert werden.

Im Zusammenhang mit zivilrechtlichen Klagen auf Rückstellung geraubter Kunstgegenstände ist die Beweislastumkehr zu Gunsten von Rückstellungswerbern hervorzuheben. Die Anwendung der strengen Beweislastverteilungsregeln der ZPO wäre bei solchen Klagen nicht gerechtfertigt. Dementsprechend soll der Bund solche Tatsachen beweisen müssen, deren Nichtvorliegen in der jeweiligen Beiratsempfehlung festgestellt wurde.

Zu Z 9 (§ 3 a neu):

Die Kommission für Provenienzforschung wurde im Frühjahr 1998 als Reaktion auf die Beschlagnahme zweier Gemälde aus der Sammlung Leopold gegründet und hat die Aufgabe, die inventarischen Bestände der österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen systematisch auf ihre Provenienz hin zu überprüfen. Da man zum Zeitpunkt der Einsetzung der Kommission davon ausging, dass die Arbeit bis Jahresende 1998 beendet sein werde, verzichtete man seitens des damaligen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kunst darauf, der Kommission den Status einer eigenständigen Rechtsperson zuzuerkennen (siehe auch die Anfragebeantwortung des BMUKK 246/AB, XXIII. GP). Angesiedelt wurde die Kommission eher aus pragmatisch-inhaltlichen als aus strukturellen Gründen im Bundesdenkmalamt. In diesem administrativen und logistischen Provisorium arbeiten die ProvenienzforscherInnen der Kommission bis zum heutigen Tag. Diese Zustände sind schon allein aus arbeitsrechtlicher Sicht unzumutbar, da beispielsweise manche der MitarbeiterInnen seit Jahren auf der Basis von auf drei oder sechs Monate befristeten Werkverträgen beschäftigt werden, obwohl eine unselbständige Tätigkeit nicht ernsthaft bezweifelt werden kann.

Eingedenk dieser Zustände und der Tatsache, dass im Moment – entgegen der ursprünglichen Einschätzungen – kein Ende der Provenienzforschung in den Bundesmuseen in Sicht ist, scheint es höchste Zeit, die Kommission für Provenienzforschung in eine eigenständige Rechtspersönlichkeit umzuwandeln, die über ein eigenes Budget und klare administrative Strukturen verfügt sowie in der Lage dazu ist, Dienstverträge abzuschließen, Kooperationen mit anderen Institutionen einzugehen und Projekte – insbesondere im Bereich der historischen Grundlagenforschung – zu vergeben.“

 

Der Kulturausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 7. Oktober 2009 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl die Abgeordneten Dr. Johannes Hübner, Mag. Silvia Fuhrmann, Josef Jury, Stefan Markowitz, Mag. Christine Lapp, Mag. Heidemarie Unterreiner,
Mag. Katharina Cortolezis-Schlager und Dr. Gerhard Kurzmann sowie die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Initiativantrag nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit.

Als Berichterstatterin für das Plenum wurde Abgeordnete Mag. Christine Muttonen gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Kulturausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2009 10 07

                        Mag. Christine Muttonen                                                          Sonja Ablinger

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau