541 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über die Regierungsvorlage (476 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern‑Sozialversicherungsgesetz, das Beamten‑Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, das Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz 1957, das Sonderunterstützungsgesetz, das Karenzgeldgesetz, das Arbeiterkammergesetz 1992, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Bundespflegegeldgesetz und das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz geändert werden (4. Sozialrechts-Änderungsgesetz 2009 – 4. SRÄG 2009)

 

1.      Der vorliegende Entwurf dient der Verankerung der ab 1. Jänner 2010 erforderlichen ausdrücklichen gesetzlichen Grundlagen für die Vollziehung bestimmter Verwaltungsaufgaben im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit und des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz durch Selbstverwaltungskörper im übertragenen Wirkungsbereich.

2.      Mit dem Ministerratsbeschluss von Sillian (6/32: Möglichkeiten zur nachhaltigen Absicherung der Gebietskrankenkassen – Gesundheitsversorgung für alle garantieren) vom 10. Februar 2009 hat die Bundesregierung ein umfassendes Bekenntnis für eine nachhaltige Konsolidierung der Gebietskrankenkassen abgegeben. Dieser Konsolidierungskurs beruht sowohl auf einnahmen- und ausgabenseitigen Maßnahmen, um eine ausgeglichene Gebarung der sozialen Krankenversicherung zu erreichen, als auch auf einer schrittweisen Entschuldung der Gebietskrankenkassen durch die Bundesregierung.

         Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger wurde aufgefordert, dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 30. Juni 2009 „ein mit den Gebietskrankenkassen und den Systempartnern abgestimmtes ausgabenseitiges Sanierungskonzept mit dem Ziel einer mittelfristig ausgeglichenen Gebarung als Voraussetzung für eine vom Bund vorzunehmende Verbesserung der Einnahmensituation vorzulegen“. Weiters wurden die Krankenversicherungsträger aufgefordert, alle Anstrengungen zu unternehmen, um bestehende Kostendämpfungspotenziale zu realisieren.

         Auf Basis des Auftrags der Bundesregierung vom 10. Februar 2009 wurde dem Bundesminister für Gesundheit vom Vorsitzenden des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger am 26. Juni 2009 das Sanierungskonzept „Gesundheit: Finanzierung sichern – Langfristige Potenziale zur Steuerung der Ausgaben und zur nachhaltigen Kostendämpfung“ überreicht, welches vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger gemeinsam mit den in ihm zusammengefassten Krankenversicherungsträgern unter folgenden Prämissen erarbeitet wurde:

         -Sicherstellung des Leistungsniveaus für alle

         -Entwicklung einer zielgerichteten Versorgung bei gleichzeitiger Vermeidung von Fehlversorgung

         -Verpflichtung zum Ökonomiegebot in allen Bereichen

         -Transparenz

         In der Ministerratssitzung vom 15. September 2009 hat die Bundesregierung das vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger vorgelegte Sanierungskonzept „Gesundheit: Finanzierung sichern – Langfristige Potenziale zur Steuerung der Ausgaben und zur nachhaltigen Kostendämpfung“ eingehend behandelt.

         Die im gegenständlichen Entwurf des Bundesministeriums für Gesundheit enthaltenen vorgeschlagenen Änderungen des Sozialversicherungsrechtes sollen die erforderlichen gesetzlichen Grundlagen zur Umsetzung dieses Sanierungskonzepts durch umfassende Novellierungen im Vertragspartnerrecht bereitstellen. Weiters trägt der Entwurf den im Ministerratsbeschluss vom 10. Februar 2009 enthaltenen Vorschlägen im Zusammenhang mit der Verwendung der e-card sowie der Stärkung der Aufsichtsrechte des Bundes Rechnung.

Im Einzelnen sind folgende Maßnahmen hervorzuheben:

1. Im Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Gesundheit (Teil 1 der Art. 1 bis 3 und zu Art. 4):

         -Benennung des den Sozialversicherungsträgern und dem Hauptverband im Rahmen der Sozialversicherungsgesetze übertragenen Wirkungsbereichs nach den Vorgaben des Art. 120b Abs. 2 B-VG;

         -Neuregelung im Bereich der Nachbesetzung von vertragsärztlichen Stellen (dynamische Stellenplanung);

         -Investitionsablöse unter Anrechnung auf das Honorarvolumen im Falle der Nicht-Nachbesetzung einer Planstelle;

         -Verpflichtung zur Verwendung der e-card und ihrer Infrastruktur in Krankenanstalten;

         -gesetzliche Verpflichtung zur Überprüfung der Identität des/der Patienten/Patientin und der rechtmäßigen Verwendung der e‑card im Zweifelsfall;

         -Verankerung eines Ökonomiegebots im Folgekostenbereich als Teil der Gesamtverträge;

         -Aufnahme einer Altersgrenze für Vertragspartner/innen, insbesondere im ärztlichen und zahnärztlichen Bereich, in die Gesamtverträge samt entsprechenden Übergangsregelungen;

         -Kriterienkatalog für die Gesamtvertragspartner bei der Vereinbarung von Honorarordnungen;

         -Stärkung des Aufsichtsrechts des Bundes über die Sozialversicherungsträger;

         -Neuregelung der Bestimmungen über die Vermögensveranlagung der Sozialversicherungsträger;

         -Redaktionelle Anpassungen.

2. Im Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (Teil 2 der Art. 1 bis 3 und zu den Art. 5 bis 12):

         -Ausdrückliche Bezeichnung jener Aufgaben im Zuständigkeitsbereich des Sozial- und Arbeitsressorts, die im übertragenen Wirkungsbereich nach den Weisungen des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zu vollziehen sind;

         -Maßnahmen zur Eindämmung von Missbrauchsfällen bezüglich des Ausgleichszulagenbezuges;

         -Statuierung, dass die Aufwertungszahl den Wert 1 nicht unterschreiten darf.

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 02. Dezember 2009 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Dr. Sabine Oberhauser die Abgeordneten Dr. Andreas Karlsböck, Ulrike Königsberger-Ludwig, Oswald Klikovits, Franz Riepl, Werner Amon, MBA, Karl Öllinger, Ursula Haubner, Dr. Erwin Rasinger, August Wöginger, Werner Neubauer, Dr. Martin Bartenstein, Karl Donabauer, Sigisbert Dolinschek und Ing. Norbert Hofer sowie der Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, dipl. und der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Renate Csörgits, August Wöginger, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„ Zu Art. 1 lit. a (Einleitungssatz zur ASVG-Novelle):

Die jüngste ASVG-Änderung erfolgte im Rahmen des am 17. November 2009 kundgemachten Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 116/2009. Diese Fundstelle ist somit im Einleitungssatz zu zitieren.

Zu Art. 1 Teil 2 lit. b (§ 625 Abs. 12 Z 5 und Abs. 15 ASVG):

Die Pensionsversicherungsanstalt betreibt derzeit eine vielfältige EDV‑Landschaft, wobei Kernbereiche (Pensionsberechnung, MedDB) nach rund 25 Einsatzjahren am Ende ihres Lebenszyklus angekommen sind.

Die Vielzahl der Applikationen bedingt naturgemäß einen hohen Aufwand an Personal und Wartung und trägt so zu den derzeit sehr hohen Kosten der EDV bei. Sollten die derzeitigen EDV‑Anwendungen, die österreichweit von allen Pensionsversicherungsträgern genutzt werden, nicht einer Neukonzeption unterzogen werden, so muss mit steigenden Investitions- und Wartungskosten (inklusive Personal) und Qualitätseinschränkungen (steigende Bearbeitungsdauer und ‚händische Nachbearbeitung’) gerechnet werden. Langfristig drohen Systemausfälle.

Die einschlägigen zusätzlichen Kosten sollen daher in den Jahren 2010 und 2011 bis zu einem bestimmten Höchstwert von der ‚Verwaltungskostendeckelung’ ausgenommen werden.

Über die gesamte Projektlaufzeit von zehn Jahren ist mit externen Kosten von rund 75,5 Mio. € zu rechnen. Die internen Personalkosten für die ProjektmitarbeiterInnen der betroffenen Pensionsversicherungsträger belaufen sich auf rund 63 Mio. €.

Die Kosten fallen abhängig vom Projektfortschritt an und werden in Abschnitten von der Aufsichtsbehörde im Rahmen der Selbstverwaltung geprüft und freigegeben. Auf Grund der Projektstrukturierung ist davon auszugehen, dass nach sechs bis acht Jahren der Einsparungseffekt die laufenden Projektkosten übersteigt. Mit Abschluss des Projekts wird eine Personaleinsparung im Kerngeschäft der Pensionsversicherung von rund 5 % möglich.

Zu Art. 1 Teil 2 lit. d, Art. 2 Teil 2 lit. d und Art. 3 Teil 2 (§ 649 ASVG; § 330 GSVG; § 321 BSVG):

Am 24. November 2009 wurde zwischen Bundesregierung und Senior/inn/envertretung vereinbart, dass es - neben der Anpassung der Pensionen für das Jahr 2010 mit dem Anpassungsfaktor im Ausmaß von 1,5 % (bzw. für Pensionen über 60 % der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage mit dem Fixbetrag von 36,99 €) - eine Einmalzahlung geben soll, und zwar nach folgendem Modus:

Beträgt das monatliche Gesamtpensionseinkommen (das ist die Summe sämtlicher Pensionseinkünfte einer Person aus der gesetzlichen Pensionsversicherung) bis zu 1 200 €, so beträgt die Einmalzahlung 4,2 % des monatlichen Gesamtpensionseinkommens (das sind 0,3 % des jährlichen Gesamtpensionseinkommens). Beträgt das monatliche Gesamtpensionseinkommen mehr als 1 200 € bis zu 1 300 €, so ist die Einmalzahlung ein Prozentsatz des monatlichen Gesamtpensionseinkommens, der zwischen 1 200 € und 1 300 € von 4,2 % auf 0 % linear absinkt.

Das Gesamtvolumen dieser Einmalzahlung (einschließlich des öffentlichen Dienstes) beträgt 35 Mio. €.

Wie schon bei der Einmalzahlung im Zuge der Pensionsanpassung für das Jahr 2009 soll auch die nunmehrige Einmalzahlung nicht auf die Ausgleichszulage angerechnet werden und auch keine Beitragspflicht in der Krankenversicherung nach sich ziehen.

Zu Art. 2 Teil 2 lit. a (§§ 25a Abs. 5 und 35 Abs. 7 GSVG):

Die vorläufige Beitragsgrundlage nach dem GSVG wird auf Grund jener Einkünfte gebildet, die in dem der laufenden Beitragsvorschreibung drittvorangegangenen Kalenderjahr erzielt wurden.

Daraus ergibt sich, dass die Beitragsbelastung unter Umständen beträchtlich höher sein kann als dies auf Grund der im laufenden Kalenderjahr erzielten Einkünfte (die dann die endgültige Beitragsgrundlage nach dem GSVG bilden) gerechtfertigt erscheint.

Aus diesem Grund soll die Möglichkeit geschaffen werden, auf Antrag der versicherten Person die vorläufige Beitragsgrundlage entsprechend herabzusetzen, und zwar unter der Voraussetzung, dass dies nach den wirtschaftlichen Verhältnissen gerechtfertigt erscheint und glaubhaft gemacht wird, dass die Einkünfte im laufenden Kalenderjahr wesentlich geringer als im drittvorangegangenen Kalenderjahr sein werden.

Im Hinblick auf die neue Möglichkeit der Herabsetzung der vorläufigen Beitragsgrundlage kann die bisherige Stundungsmöglichkeit nach § 35 Abs. 7 GSVG unter den gleichlautenden Voraussetzungen (wirtschaftliche Verhältnisse und Glaubhaftmachung wesentlich geringerer Einkünfte) entfallen.

Zu Art. 2 Teil 2 lit. a und c (§§ 35 Abs. 3 und 329 Abs. 3 GSVG):

Nach geltender Rechtslage sind Beitragsschulden auf Grund endgültiger Beitragsgrundlagen, die an die Stelle der vorläufigen Beitragsgrundlagen treten, nach dem der Nachbemessung folgenden Quartal (auch im jeweils laufenden Kalenderjahr) vorzuschreiben. Dies führt dazu, dass es für die betroffenen Versicherten erschwert wird, jeweils am Beginn eines Kalenderjahres abzuschätzen, wie hoch die Beitragsbelastung nach dem GSVG in Summe (laufende Beiträge und Nachbelastungen für Vorjahre) in diesem Kalenderjahr tatsächlich ausfallen wird.

Zur besseren Planbarkeit der zu erwartenden Zahlungsverpflichtungen sollen daher künftig Beitragsnachzahlungen, die sich aus der Feststellung endgültiger Beitragsgrundlagen ergeben, einheitlich in dem Kalenderjahr, das der Feststellung dieser endgültigen Beitragsgrundlagen folgt, vorgeschrieben werden. An der vierteljährlichen Abstattung (in vier Teilbeträgen) soll sich hingegen nichts ändern.

Im Hinblick darauf, dass die sich infolge der Nachbemessung ergebenden Beitragsnachzahlungen künftig erst im Jahr nach dieser Nachbemessung fällig werden, sind die bisherigen Möglichkeiten einer Stundung der Beitragsschuld bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Fälligkeit und einer Abstattung in Raten bis zu zwei Jahren nicht mehr gerechtfertigt. Es wird daher auf einen Einjahreszeitraum eingeschränkt.

Unter dem Titel ‚Nachbemessung’ werden pro Quartal durchschnittlich zwischen 60 und 70 Mio. Euro vorgeschrieben. Auf Grund von Zahlungsausfällen bzw. ‑verzögerungen ist damit zu rechnen, dass ca. 50 Mio. Euro pro Quartal kurz- bzw. mittelfristig veranlagt werden können (pro Jahr sind das ca. 200 Mio. Euro).

Durch die vorgeschlagene Verschiebung der Fälligkeit steht dieser Betrag dem Versicherungsträger durchschnittlich sechs Monate später zur Verfügung. Bei einer gegenwärtigen Verzinsung von etwa 0,45 % (1-Monats-Euribor) ergibt sich daher ein Verlust aus nicht realisierbarer Verzinsung in der Höhe von etwa 450 000 €, der sich auf die Pensions- und Krankenversicherung im Verhältnis von etwa 2:1 verteilt.“

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Renate Csörgits, August Wöginger, Kolleginnen und Kollegen mit Stimmenmehrheit angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2009 12 02

                          Dr. Sabine Oberhauser                                                          Renate Csörgits

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau